Kerzenessen? Goddammit!

[Ilka-Maria]

"Ich schwärme für Kerzenessen", seufzte Nadine. "Das ist waaahnsinnig romantisch."

Florian schaute verdutzt, als habe sie nicht alle Nadeln an der Tanne. Er räusperte sich. "Schatz, darf ich dich etwas fragen?"

"Nur los!" Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

"Was zum Teufel findest du daran romantisch, Kerzen zu essen?"

Sie rollte die Augen. "Willst du mich veräppeln? Das weiß doch jeder. Beim Abendessen und Wein zwei brennende Kerzen auf dem Tisch, für jeden von uns eine. Wegen der Stimmung."

"Das nennt man nicht Kerzenessen, sondern Candlelight Dinnner."

Nadine zog die Brauen zusammen. "Du immer mit deinen Angelzisten!"

"Anglizisten", unterbrach Florian sie und gab ihr ein Zwinkern zurück, um seine Beckmesserei nicht überheblich wirken zu lassen. Doch Nadines Laune war von ihrer anfänglichen Euphorie auf den kosmischen Tiefstgrad abgestürzt. Ihre sonst tiefblauen Augen funkelten hell wie Glaukonit. "Ich hasse es, dass die ganze Nation jeden Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch nachplappert. Und ich hasse dich, dass du diesen Mist wie ein Lemming mitmachst. Ich werde deutsche Wörter benutzen, wann immer ich kann."

"Was dabei herauskommt, hört man ja", erwiderte Florian, nicht länger bemüht, die Humorschiene zu fahren. Ihm war klar, dass er den Abend verbockt und schlechte Chancen hatte, das Schiff zurück in sturmfreie Gewässer zu steuern.

"Mach nur weiter mit deinem Zynismus, du Klugscheißer! Oder ist dir 'wise ass' lieber? Bist ja bekannt für deinen selbstgebastelten Doktorhut. Du bist ein unausstehlicher Spielverderber." Florian schluckte, denn sie hatte recht: Niemand konnte seinen Mitmenschen so zungenscharf das Selbstwertgefühl und die Lebensfreude zerschmettern wie er, und seit er aufgeschnappt hatte, dass man ihn hinter seinem Rücken als 'Mr. Party Pooper' verspottete, konnte er sich selbst nicht mehr leiden. Er hatte sich insgeheim Besserung gelobt, musste sich jedoch bald eingestehen: Old habits die hard.

Er war kein Diplomat, nicht geboren für das rechte Wort zur rechen Zeit. Nadine hätte ihm nicht übel genommen, wenn er sie irgendwann auf ihre Fehler aufmerksam gemacht hätte. Nur nicht gerade an diesem Abend. Stupid, stupid, stupid … Selbst jetzt kreisten Florian die Wörter – godammit! – in dieser vermaledeiten Sprache im Kopf herum, die ihn zu überrennen schien wie ein Hunnensturm.

Er gab sich einen Ruck und nahm Nadine in die Arme. "Tut mir leid, Schatz. Ich bin ein blöder Hammel, ein Kulturbanause, ein Miesmacher, ein Stinkstiefel und alles, was du willst, wenn du mir dafür nicht länger böse bist." Er küsste sie erst auf die Nasenspitze, dann auf den Mund. "Wir gehen jetzt zusammen in die Küche und machen uns ein schönes Kerzenessen zurecht. Und wenn wir dann am Tisch sitzen, zünde ich beide Kerzen für dich an, erst deine, dann meine. Ladys first."

Bei seinen beiden letzten Worten musste Nadine lachen. "Keep your filthy mouth shut, you fool", sagte sie und legte ihm eine Hand über die Lippen.

"That is, you don't mind?", nuschelte er hinter ihren geschlossenen Fingern.

"Absobloodylutely not."

Florian verschlug die Selbstverständlichkeit, mit der Nadine die englischen Wörter, sogar Slang, aus dem Mund geflossen waren, die Sprache. Verstehe einer die Frauen! Goddammit!

26.10.2023

[dunkler Traum]

... erstens heißt meine Frau nicht Nadine und zweitens heiße ich nicht Florian. Drittens möchte ich nicht überwacht werden und viertens wenn doch, dann sollte es nicht veröffentlicht werden. So.

Nee, ehrlich, könnte ein Blick in mein Leben sein, wenn diese zweite Sprache nicht wäre, welche ich kaum rudimentär verstehe.

beaux rêves