02.05.2011, 09:04
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Tagediebe – Groteske, frei nach Christian Morgenstern
Tagediebe – Groteske, frei nach Christian Morgenstern
Von Korf schreibt einen bösen Brief
an Polizeidirektor Schnief:
„Der Diebstahl gilt seit alter Zeit
als strafenswerte Tätigkeit.
Doch je nachdem, was er genommen,
kann so ein Dieb ins Kittchen kommen.
Drum darf nicht länger straflos bleiben,
wie's Tagediebe mit mir treiben!
Das geht allmählich doch zu weit:
Die Kerle stehlen mir die Zeit.
Nicht bloß Minuten oder Stunden,
nein, ganze Tage sind verschwunden.
Erst gestern hatte Kameraden
ich zum Geburtstag eingeladen.
Die standen dann vor meiner Tür,
doch mein Geburtstag war nicht hier!
Ich bitte, gehn Sie dieser Schmach,
Herr Polizeidirektor, nach.“
So etwa nach der Wochen drei
erwidert ihm die Polizei:
„Wir finden gleichfalls selbstverständlich,
den Bürgern Zeit zu stehlen, schändlich.
Doch gegen Tagedieberei
ist machtlos hier die Polizei.
Denn leider gibt die Strafvorschrift
den Tagedieben freie Drift.
Doch Ihnen möchten wir empfehlen,
nicht länger uns die Zeit zu stehlen,
weil dies“, so schließt der Polizist,
„als grober Unfug strafbar ist.“
Von Korf trifft diese Antwort schwer,
der Mann versteht die Welt nicht mehr,
weshalb er überaus gewitzt
bedenkenlos nun Zeit stibitzt.
Er kommt nicht in Gewissensnot,
denn mancher schlägt die Zeit bloß tot.
Da schadet kaum, bei solchen Tröpfen
ein Quäntchen Zeit sich abzuschöpfen.
Er stopft die Zeit sich in die Taschen
und zieht im Keller sie auf Flaschen.
Von Korf im weiteren Verlauf,
macht ab und zu ein Fläschchen auf,
genießt mit Palmström frohe Stunden,
zu denen sie nie Zeit gefunden.
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