Die kurze Flucht

[sonnenmarie]

Die Blätter der Bäume
die ich sehe, ihr Rhythmus,
geben mir Halt.
Ich sehe sie aus den Augenwinkeln
glitzern durch den Fensterspalt.
Es gibt sie wohl doch -
eine Welt dort draußen - fern von zu Hause.
Aber nicht hier,
nicht hier wo ich auf dem Badezimmerboden liege,
mit meinen Fingerspitzen die Fugen nachfahre.
Nicht dann,
wenn er meine Seele in Stücke reißt,
bevor er sich zu meiner Mutter am Esstisch zum Abendbrot gesellt.
Nicht dort, wo er mein Licht, mein Feuer versteckt
das er mir stahl.
Derselbe Ort, den man eigentlich zu Hause nennt.
Der Ort, wo ein Kind über knarrenden Parkettboden rennen,
spielen, toben, lachen soll.
Ich kenne diesen Ort nicht mehr.

[dunkler Traum]

... sehr schön kindliche Traumata in Worte umgesetzt, das spricht mich an, das berührt mich, das bringt mich zum Innehalten.

wünsche schöne Träume

[Heinz]

Hallo Sonnenmarie,
wie gern gäbe ich dem dunklen Traum Recht, aber ich stoße mich schon an den Anfangsversen:

Die Blätter der Bäume
die ich sehe, ihr Rhythmus,
geben mir Halt.

Ich sehe einen belaubten Baum und suche verzweifelt nach einen Rhythmus, nach dem sich die Blätter bewegen.
Denkst du noch mal darüber nach?

Ach, bevor ich es vergesse: Sei herzlich willkommen im Forum und versuch auch mit einem Kritiker wie mir umzugehen.

Liebe Grüße,
Heinz

[sonnenmarie]

Hallo Heinz,
Danke für dein Kommentar.
Du hast Recht, Blätter im Wind bewegen sich nicht im Rhythmus.
Jetzt im Nachhinein (ich hab das Gedicht eher aus meinem Herzen niedergeschrieben, ohne nochmal drüber nachzudenken) meinte ich wahrscheinlich gerade diese Unregelmäßigkeit, die mir Flucht aus dem Wiederkehrenden, „Rhythmischen“ gibt.
Ich werde es nochmal besser formulieren.
Vielen Dank!

[Nöck]

Hei sonnenmarie,

du hast das kindliche Martyrium anschaulich und bewegend geschildert. Nüchtern und ohne Übertreibung, das kommt gut an.

Zitat von sonnenmarie

Die Blätter der Bäume
die ich sehe, ihr Rhythmus,
geben mir Halt.

Du meinst hier wahrscheinlich das vertraute Hin-und-Herwogen der Blätter, was eine leicht hypnotisierende Wirkung haben kann und vielleicht ein wenig Halt gibt.

Zitat von sonnenmarie

Nicht dort, wo er mein Licht, mein Feuer versteckt
das er mir stahl.

Das ist eine richtig gute Metapher, die deutlich macht, dass dem Lyrischen Ich alles Selbstvertrauen und der Lebensmut genommen wurde.

Gefällt mir gut.

Liebe Grüße
Nöck