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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 25.08.2005, 08:42   #1
Feyaria
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 24

Standard Inferno

Sanft umfasst du wortlos meine Seele,
schweigend streichst du Widerstand beiseite.
Feuerst meinen Geist, dass dieser schwele
und bald schon brennt wie knochentrock`ne Scheite.

Dunst erklimmt die Höhen uns`rer Stimme,
rauchig schlägt er sich in Küssen nieder.
Nimmt mir Atem, Sicht und alle Sinne.
Jetzt taubheitstrunken fühl ich deine Glieder.

Kaltschweißschwanger lösche ich die Brände:
jene, die ich ungewollt entfachte.
Schüchtern steu`re ich die neue Wende
und liebe dich aus Ferne sanft und sachte.


- für Aenima -
Feyaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.08.2005, 15:39   #2
Poesielos
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 166

Standard RE: Inferno

Hallo Littleshine,

seit "Sinnentleert und Traumertrunken" (was bislang noch nicht hier gepostet wurde) habe ich dir keine ordentliche Analyse und Interpretation geschrieben. Es wird Zeit, dies mit "Inferno" - deinem neusten Streich - nachzuholen. Also:

A) Formanalyse

- Strophenzitat
1) Reim/Reimschamata
2) Silbenzahlenanalyse
3) Metrikanalyse
4) Zusatzkommentare
- Fazit


Zitat:
Sanft umfasst du wortlos meine Seele,
schweigend streichst du Widerstand beiseite.
Feuerst meinen Geist, dass dieser schwele
und bald schon brennt wie knochentrock`ne Scheite.
1) Kreuzreimschema mit klingenden Reimen --> herrlich.

2) 10-10-10-11 --> kleine Unreinheit, stört aber nicht weiter

3)
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXx
--> V1-3 im 5-hebigen Trochäus, V4 mit Enjambement zum 5-hebigen Jambus --> lässt sich schön lesen, gute Metrik (wie nicht anders zu erwarten)

4) Formal in meinem mir lieben 4x4-Kreuzreim-Schema gehalten mit guter Einheitlichkeit und interessantem Metrikwechsel --> Strophe 1 ist formal gelungen.

Zitat:
Dunst erklimmt die Höhen uns`rer Stimme,
rauchig schlägt er sich in Küssen nieder.
Nimmt mir Atem, Sicht und alle Sinne.
Jetzt taubheitstrunken fühl ich deine Glieder.
1) Siehe oben, "Stimme"-"Sinne" hier als gleitender Reim --> wunderbarer Klang

2) 10-10-10-11 --> Die Unstimmigkeit wird zur Einheitlichkeit im Vergleich zu S1

3)
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXx
--> lupenreine Metrik wie S1, daher Lesefluss perfekt.

4) Keine weiteren Kommentare nötig, die formale Raffinesse wird in S2 gekonnt fortgeführt und zeigt mir, dass du dein Handwerk nicht nur verstehst, sondern auch beherrschst.


Zitat:
Kaltschweißschwanger lösche ich die Brände,
jene, die ich ungewollt entfachte.
Schüchtern steu`re ich die neue Wende
und liebe dich aus Ferne sanft und sachte.
1) Kreuzreimschema mit Gleitreim "Brände"-"Wende" --> schön.

2) 10-10-10-11 --> siehe oben

3)
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
XxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXx
--> siehe oben

4) siehe oben

Fazit A: Formal absolute Meisterklasse.


B) Inhaltsanalyse

- Strophenzitat
- Interpretationsversuch
- Fazit

Zitat:
Sanft umfasst du wortlos meine Seele,
schweigend streichst du Widerstand beiseite.
Feuerst meinen Geist, dass dieser schwele
und bald schon brennt wie knochentrock`ne Scheite.
Ich möchte bereits zu Beginn der Interpretation das Rätsel um die Widmung lösen. Es handelt sich dabei um mich, der auch hier das Lyrische Du darstellt. Mit "Inferno" führt Littleshine den "Feuermarsch" fort, nachdem Lyrisches Ich und Du nach meinem Stück "Erdenfern und Feuernah" verwoben sind.
Das Lyrische Du hat sich dem Lyrischen Ich vorsichtig angenähert und Vertrauen gewonnen. Nun, nachdem sich beide nahe und sich ihrer Gefühle bewusst sind, lässt das Lyrische Ich endlich fallen, öffnet sich und lässt zu, dass das Lyrische Du ihr seine Liebe zeigt ("Geist feuern", "brennende Scheite").


Zitat:
Dunst erklimmt die Höhen uns`rer Stimme,
rauchig schlägt er sich in Küssen nieder.
Nimmt mir Atem, Sicht und alle Sinne.
Jetzt taubheitstrunken fühl ich deine Glieder.
Die Bilder werden intensiver und deutlicher, ebenso wie die Emotionen die Lyrisches Ich und Du füreinander hegen, jetzt wo sie sich nach langer Zeit der Distanz nahe sind. Das Lyrische Ich verliert dabei nahezu völlig die Kontrolle über sich selbst. Körperlich könnte man die Vermutung anstellen, dass ein Kreislaufzusammenbruch dargestellt wird, man sollte diese These aber nur spaßeshalber aufstellen Vielmehr nimmt das Lyrische Ich die Nähe ihres Geliebten nun wirklich wahr, erkennt, dass es nicht mehr träumt oder einer Sinnestäuschung unterliegt.


Zitat:
Kaltschweißschwanger lösche ich die Brände,
jene, die ich ungewollt entfachte.
Schüchtern steu`re ich die neue Wende
und liebe dich aus Ferne sanft und sachte.
Das Lyrische Ich findet sich am Ende des Gedichtes mit einem schlechten Gewissen wieder, da es zunächst mal dafür verantwortlich ist, dass das Lyrische Du einige seiner Prinzipien brach und desweiteren in Sorge bringt aufgrund der Probleme, die sich durch die Beziehung ergeben. Doch allen möglichen Gefahren zum Trotz, setzt sich das Liebespaar ihre Ziele, egal ob sie nun erreichbar sind oder nicht. Zwar liegt nun wieder Erde zwischen ihnen, doch Liebe vereint sie im Stundenglas.

Fazit B: Ich gestehe, dass ich dieses Gedicht liebe und es reiht sich wundervoll in unsere persönliche Reihe ein. Der Trochäus steht ja schon fast bekanntlich für Meinereiner und dass du mit Jambus die Strophen abschließt, darin sehe ich dich wieder -> die Vervollkommnung des Lyrischen Dus. Ein wunderschönes Gedicht (den Rest kennst du ja). Danke!

Liebe Grüße,
Benne|Aenima
Poesielos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2005, 14:10   #3
Feyaria
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 24

All said and done
Danke dafür
Feyaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2005, 16:55   #4
manfred
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 137

Standard Sachtes Feuer

Hallo Littleshine,

finde wie Aenima, dass es ein gut gelungenes, schönes Gedicht ist.
"Jetzt" bricht sich für mein Empfinden aus dem sonstigen "Schönsein" heraus.

Lieben Gruß
manfred
manfred ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.08.2005, 00:20   #5
Feyaria
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 24

Vielen Dank für das Lob - aber was meinst du mit "jetzt"? Stehe ein bisschen aufm Schlauch

Liebe Grüße,
Littleshine
Feyaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.09.2005, 12:14   #6
manfred
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 137

Standard Jetzt

Ich meinte die Zeile

"Jetzt taubheitstrunken ..."

Das "Jetzt" schmiegt sich durch seinen Klang für mein Empfinden nicht
flüssig in das Ganze ein. Es hat zu viel feststellenden Verstand an sich.

Lieben Gruß
Manfred
manfred ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.09.2005, 21:05   #7
Feyaria
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 24

Hm, was hälst du dann von "Und taubheitstrunken"?

Liebe Grüße
Feyaria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2005, 00:34   #8
manfred
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 137

Standard Und

"Und" wär schon schmiegsamer. Idealer erschiene es mir noch, "taubheitstrunken" an den Zeilenbeginn zu stellen und zu überlegen, was sich zwischen die restlichen Worte noch einfügen ließe.
Es würde "Nimmt mir Atem, Sicht und Sinne" durch das gleich folgende "Taubheitstrunken" gleichsam bekräftigt, inhaltlich und lautlich.
Kann aber auch sein, dass du "weich" wie in den vorherigen Zeilen beginnen willst.

Gruß
Manfred
manfred ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2005, 01:04   #9
Poesielos
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 166

Hmmm das Problem des "Taubheitstrunken" zu Beginn des Verses ist der Bruch des durchgängigen Reimschemas vom Jambus zum Trochäus, was zwar dann die gesamte Strophe in einheitlichem Rhythmus lesen lässt, jedoch die Metrikstruktur des ganzen Werkes auseinanderwirbelt.

"Taubheitstrunken ..."
XxXx

Die Variante mit der "und"-Konjunktion vermag da Abhilfe zu schaffen:

"Und taubheitstrunken ..."
xXxXx ...

Eine Änderung des Wortes "Jetzt" in "Nun" könnte das Problem ebenfalls lösen, da es den zeitlichen Aspekt beinhaltet, einen weicheren Klang hat und das Metrikschema beibehält:

"Nun taubheitstrunken ..."
xXxXx ...

Der Vorteil der Einsilber ist, dass man sie in einem bereits festgelegten Rhythmus betonen kann und darf, wie der Leser es für richtig hält.

Naja, soviel nochmal von mir

Liebe Grüße,
Benne|Aenima
Poesielos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.09.2005, 10:39   #10
manfred
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 137

Standard Nun

Eine sehr sorgfältige Betrachtung, die Benne darlegt, eine gute Orientierungshilfe.
Wie auch immer du dich entscheidest, erzählt das abwägende Hinschauen ein schönes Beispiel für das "Leben mit Gedichten".

Lieben Gruß
Manfred
manfred ist offline   Mit Zitat antworten
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