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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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03.12.2022, 01:20 | #1 |
Ich war ja beim Begräbnis…
Ich war ja beim Begräbnis
von Hermann Schulz dabei. Die Witwe Lisa weinte und lachte auch recht frei. Der Tod trifft wohl den Menschen ins Hirn und auch ins Herz: Verliert er, wen er hatte, Bewegt ihn nicht nur Schmerz. Geändert von Ottilie (03.12.2022 um 12:04 Uhr) |
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03.12.2022, 11:11 | #2 |
Hallo Ottilie,
ich geb dir recht. Während einer Beerdigung geht einem nicht nur der Verlust durch den Kopf. Da kommt manch Erinnerung, selbst wenn der Schmerz riesengroß ist. Auf der Beerdigung meiner geliebten Omi hab ich Rotz und Wasser geheult. Doch für einen winzigen Moment erinnerte ich mich an ein Fingerspiel, welches sie mit mir ganz früher mal gespielt hat. Das Lächeln war nach außen hin nicht zu sehen. In mir drin aber leuchtete etwas. Dein Gedicht ist dir toll gelungen. Nette Grüße, Candlebee |
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03.12.2022, 16:12 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Ottilie,
durch ein Hobby in meinen Jugendjahren, dem Gesang, wurde ich Mitglied eines Knappengesangvereins. Zu unseren Verpflichtungen gehörte, dass die Werkskapelle und wir bei jedem Bergmannsbegräbnis oder bei Bestattungen ehmals wichtiger Leute am Grab feierliche Lieder sangen und immer eines der Lieblingslieder des Verstorbenen oder tödlich Verunglückten (das Lieblingslied musste bei den Hinterbliebenen erfragt und schlimmstenfalls in zwei, drei Tagen einstudiert werden. Ich denke, dass ich bei mindestens fünfzig Bestattungen mitgesungen habe und wie die anderen den Vorteil eines freien Arbeitstages genießen konnte. Natürlich haben wir die Gesichter der Hinterbliebenen studiert, vor allem die der Witwen. Seitdem ist mir klar, weshalb viele von ihnen ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier verbergen. Ich glaube, ich muss die außergewöhnlichsten Bestattungserlebnisse mal aufschreiben. Einer Witwe, und da half auch der Schleier nichts, musste so lachen, dass ihr das Oberteil ihres Gebisses in die Grube flog. Bei einem anderen Toten, der Ehrenmitglied unseres Gesangvereins war und zu Lebzeiten drei Zentner wog, sind zwei der Sargträger gestolpert und unter dem Gewicht des Sarges zusammengeklappt. Die aufkommende Fröhlichkeit wurde durch das Lieblingslied des Toten gekrönt - wir hatten einstudiert: Denzas "Funiculì, funiculà" und da es zu dieser Zeit noch keine italienischen Gastarbeiter gab, hat die Trauergemeinde wirklich geglaubt, wir hätten italienisch gesungen und zum ersten Mal gab es auf einer Beerdigung Beifall. Wie meine Exfrau in den Besitz der Urne mit der Asche meines Nachfolgers in Ehesachen gekommen ist, will sie mir demnächst verraten. Sie hat innerlich mit dem Leben abgeschlossen und erwartet von mir, dass ich ihre Urne klaue, weil die Urne ihres letzten Mannes noch genug Raum für ihre Asche hat. Also, Beerdigungen greifen nicht allein an Hirn und Herz, gar manche lassen Platz und Raum für Spaß und Scherz! Liebe Grüße, Heinz |
03.12.2022, 22:02 | #4 |
gemischte Gefühle...
Hallo Candlebee, hallo Heinz,
danke für Eure Kommentare, ich war mir nicht sicher, ob mein Anliegen verstanden würde... Es ist ja tatsächlich immer wieder frappierend, wie gemischt Gefühle eigentlich sind. Es scheint kein reines, "eindimensionales" Gefühl zu geben. Wir möchten in bestimmten Situationen wie einer Beerdigung aber meist den Eindruck erwecken, wir wären ganz in einer bestimmten - und vom Publikum erwarteten - Stimmung gefangen. Vermutlich geht menschliches "Gefühlsgemisch" sehr weit, ich kann mir sogar einen Mörder denken, der nicht nur extremsten Hass, sondern Sympathie oder gar Liebe für sein Opfer empfindet. Was mir an Euren Kommentaren sehr gefällt, sind die kleinen Geschichten, die hier erzählt werden und meine dürftigen Zeilen illustrieren. Einen schönen Abend wünscht Ottilie |
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04.12.2022, 07:16 | #5 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Ich erstarre bei Begräbnissen, um sie aushalten zu können. Der Jammer kommt erst hinterher, wenn nicht mehr zu leugnen ist: Da war ein Mensch, der nie mehr wiederkommt. Das kann nach wenigen Wochen geschehen, wie bei meinem Vater, oder erst nach zwei Jahren, wie bei meiner geliebten Großmutter. Aber die Trauer lebt, und irgendwann bricht sie raus. Irgendwer spricht von dem oder der Verblichenen, und dann kommt alles, was aufstaut ist, was unter der Decke gehalten wurde, mit einer Macht heraus, die nichts aufhalten kann. Dann, wenn diese Verluste akzeptiert worden sind, trägt man sie für immer mit sich. Mir fließen heute noch die Tränen, wenn ich an meinen Vater oder an die Großmutter denke. Aber vorbei ist vorbei und Gottes Webfehler. Gott und Natur haben mehr Leid als Glück hervorgebracht, und damit müssen wir leben. |
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04.12.2022, 11:52 | #6 |
Ich kann bei Beerdigungen gar nicht weinen. Zumindest nicht bei solchen, wo vorher klar war, dass der geliebte Mensch sterben wird. Da habe ich schon vorher geweint und hatte keine Tränen mehr.
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