Das Wesen der Gedanken
Gedanken.
Sie sind wie ein Blätterdach - üppig, voll und undurchdringlich an manchen, blühend frisch und luftig leicht an anderen Stellen. Gedanken voller Knospen, voller Zukunft versprechender Ansätze, die Zeit brauchen, nur Zeit, um endlich zu gedeihen. Gedanken denen unerbittlich die Zeit ihre Blüte raubt, sie verdirbt, bis sie schliesslich welken und gelb faulig der Schwerkraft überlassen und zu Boden gezwungen werden.
Ja, das sind Gedanken, die Kinder unseres Verstandes. Jedes den gleichen erniedrigenden Widerspruch in sich tragend, jedes auf seine Weise wild und Wunder vollbringend. Ihre Gabe ist Glück, ihr Werk die Verzweiflung. Sie treiben uns genauso in den Wahnsinn, wie in unendliche Glückseeligkeit, bringen uns ebenso dazu, zu glauben, wie dazu, jedweder Hoffnung zu entsagen. Sie quälen uns. Verhöhnen uns. Und doch hören wir auf ihren Klang, denn ihr Laut ist klarer als der gläsernde Gesang unseres Herzens. Unser Herz hingegen, zerbrechlich und leidenschaftlich, hütet sich vor der Lautigkeit der Welt, hütet sich davor, ihr Wesen ihrer Vergänglichkeit offenzulegen. Ihrer Sanftheit willen, ihr reines Wesen schützend, rückt sie sich in die vermeintliche Sicherheit des Verstandes.
Und verliert - als Preis des täglich Lebens - der Menschen lauschendes Gehör.
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