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Alt 15.07.2014, 17:36   #1
männlich graffrollo
 
Dabei seit: 07/2014
Ort: Köln
Beiträge: 3

Standard Rote Illusion.

Rote Illusion.


Er schmiss sich auf den Fußboden, in der Hoffnung, sie würde ihn mit ihren Füßen treten oder zumindest über seinen Köper stolzieren.
Nichts von all dem. Ihm waren bereits sämtliche Rippen gebrochen und sein Schädel wurde mit einem Bohrer aufgemacht, damit dieses fürchterliche Licht in seinem Verstand endlich entweichen konnte.
Die Ärzte in dieser Klink überflogen die Akte dieses Patienten, der augenscheinlich unter einer noch nicht diagnostizierten Krankheit litt.
Er halluzinierte, glaubte, diese Frau zu sehen, dachte, auf kaltem Stein zu liegen, nackt und erregt.
In Wirklichkeit jedoch hatte sich ein zweiter Arzt an seinem Nacken zu schaffen gemacht.
„Die Nervenstränge sind verworren“, alle verknotet, murmelte er und fingerte im Fleisch des armen Mannes umher.
Während am Himmel eine schwarze Sonne aufzog und alle Vögel des Frühlings das Singen eingestellt hatten, brach der Brustkorb des Patienten auf.
In seinen Träumen jedoch befand er sich gerade unter dieser Frau, ein Ebenbild von Körper.
Sie küsste ihn mit ihren Lippen, voll und reif wie Erdbeeren, die in der Sommersonne gereift waren, süß und betörend.
Was ist die Liebe wert, wenn sie nicht bis zum Letzten ausgekostet wird, dachte er während die vollen Strahlen aus seinem Kopf traten.
Von den Ärzten treffend bemerkt wurde das Licht schon schwächer.
Einer der Kittelträger hielt sich den Kopf und sagte: So etwas wäre ihm in seiner langjährigen Karriere noch nie untergekommen.
Der Mann hingegen hatte seinen zweiten Kuss bekommen, in ihm tobte das Gefühl von körperlichem Schmerz und der viel schlimmeren Pein der Seele.
Wer war diese Frau, diese Vision, geträumt auf einem Bett aus Rosen, dessen Dornen sich in jeder seiner Hautporen bohrten.
Tausend, Millionen, doch es war es wert, nur um die Lippen dieser Weiblichkeit berühren zu dürfen.
Er war der Falsche, ein Irrtum, zusammengebrochen unter einer Überdosis von ihr.
In ein Krankenhaus eingeliefert, der Zerfall seines Leibes, wie ein Virus oder die Pest.
Ein Hospital auf einem Hügel, hoch oben über der Stadt.
Fenster voller Gitter, schwere Beschläge an jeder einzelnen Türe.
Männer in Uniformen mit Schlagstöcken patrouillierten über das bewaldete Gelände.
Große Scheinwerfer tasteten wie hungrige Spinnen das Gelände nach möglichen Ausbrechern ab.
Einer der ältesten Ärzte, ein Mann, der mit einem weißen Bart geschickt angelegt seine herunter hängenden Mundwinkel versteckte, stand die Bitterkeit ins Gesicht geschrieben.
Er legte zwei kreisförmige Kabel und Hülsen an die Stirn des Patienten X.
Mit seiner zittrigen Hand legte er den Hebel um und Ströme flossen durch die Leitung, um schließlich eine Einheit mit dem Köper dieses armen Menschen zu bilden.
Vor seinen inneren Augen blitzte es, gleißend und hell.
Erinnerungen kamen zurück, als er klein war.
Spielend im Regen, mit einer kleinen blauen Schaufel bewaffnet, ein Loch grabend.
Weihnachten, die schwitzigen Umarmungen der Onkeln und Tanten, Geschenke.
Alles kam wieder, nur seine Geliebte verschwand langsam. Die Silhouette ihres Körpers wurde immer blasser, war fast nicht mehr zu erkennen.
Er griff verzweifelt nach ihrer Hand, schlag mich, töte mich flehte er …rette mich.
Sie erhörte seine Worte nicht, ihre Hand streichelte sein Gesicht, legte sich beruhigend auf die Stirn.
Ich werde dich frei lassen, deine Wunden werden heilen, niemals werden wir König und Königin sein. Sprach es aus und verschwand vollends im Glanz der weißen Vergänglichkeit.
„Noch einen „. Die Kittelträger hatten sich formiert und schickten erneut Strom durch seinen Körper.
Ein mächtiger Stoss, mitten rein ins Knochenmark und mit einem lautlosen „Wach!!“ öffnete er wieder seine Augen.
„Wach!!“.
Er sprach diese Worte aus ohne seine Lippen zu bewegen.
Die Ärzte traten zurück und schüttelten sich gegenseitig, ihre mit blauen Äderchen übersäten, alten heilenden Hände.
Das haben wir wieder gut hinbekommen. Bald wird er der alte sein und sich seinem Schicksal fügen, wie all die anderen Insassen hier in unserem wunderschönen Sanatorium.
Auf dem übergroßen Fernseher in der Empfangshalle liefen Bilder von grünen Wiesen, blauen Seen und Gebirgen aus ewigem Eis.
Die Illusion ist dann perfekt, wenn man anfängt, an sie zu glauben. Wird aber immer nur ein schöner Schein bleiben in dieser Welt aus Plastik, die einfach nicht vergammeln will.
Nach zwei Jahren wurde er entlassen, geheilt und rehabilitiert.
Ein neuer Mensch. Er bekam fürsorglich ein Medikament mit, das er bei einem neuen Anfall einnehmen sollte.
Es begann mit einem A.











*
graffrollo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.07.2014, 23:05   #2
männlich Meishere
 
Dabei seit: 05/2014
Ort: Berlin
Alter: 28
Beiträge: 875

Was für ein außergewöhnlicher Schreibstil!
Die schnellen Wechsel zwischen innen und außen, Patient und Ärzten erfolgen so fließend, dass sie fast gar nicht auffallen.
Und zum Ende hin verschmelzen beide Situationen dann.

Ich wurde regelrecht mitgerissen von der Situation, es ist wie ein geschriebener Film.
Ich bin begeistert!

LG,
Meishere
Meishere ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.07.2014, 23:07   #3
weiblich Litteralia
 
Dabei seit: 01/2013
Beiträge: 538

Ich kann mich Meishere nur anschließen.

Der Kommentar ist also nahezu überflüssig, jedoch muss ich mich für diesen Lesegenuss einfach bedanken. Also: Danke

Liebe Grüße,
Jana
Litteralia ist offline   Mit Zitat antworten
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