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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 02.01.2022, 15:56   #1
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Standard Seelenlos

Das Zwielicht von heute bleibt hinter dem Rücken,
das Dunkel von morgen berührt mein Gesicht.
Auf brüchiger Schwelle, aus freiesten Stücken,
ein weiterer Schritt und mein Himmel zerbricht.

Ich geh meines Weges und Meter für Meter
wird Schwärze nun physisch als bleiernes Band.
Protest meiner Seele mit stummem Gezeter,
sie will sich entwinden dem Griff meiner Hand.

Ich zerre und ziehe mit all meinen Kräften,
vergesse die Tage des wärmenden Lichts,
erliege dem Teufel und seinen Geschäften
und stoße die zappelnde Seele ins Nichts.
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.01.2022, 16:51   #2
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 525

Standard Hallo Pennywise

wie schön, dass Du Dich jetzt im neuen Jahr mal wieder meldest - wie immer bin ich hin und weg von Deiner souveränen Bild- und Versverarbeitung (siehe auch "Klabautereck"). Beunruhigt wäre ich nur dann ein wenig, wenn das hier Deine Vorsätze für 2022 wären ...

Trotzdem oder gerade deshalb alles Gute für das neue Jahr wünscht

EPI
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.01.2022, 17:00   #3
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin Epi,

keine Sorge. Ist rein fiktiv. Wenn es das bei mir nicht wäre, würde das wohl bei mir in den meisten Fällen für dauerhaftes Unglück sprechen.
Hat sich irgendwie von selbst geschrieben. Bei einer Autofahrt eben ist mir das Bild durch den Kopf gegangen, wie jemand seine Seele hinter sich her zerrt. Allerdings... Ein kleines Fünkchen Biografie steckt vielleicht doch drin. Das bringt ein mittlerweile 45 jähriges Leben so mit sich.
Ich wünsche Dir ein frohes neues Jahr und danke fürs Lesen.

Gruß

Pennywise
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Alt 02.01.2022, 20:45   #4
männlich Pit Bull
 
Benutzerbild von Pit Bull
 
Dabei seit: 08/2012
Ort: Berlin
Alter: 58
Beiträge: 1.878

Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Das Zwielicht von heute bleibt hinter dem Rücken,
das Dunkel von morgen berührt mein Gesicht.
Auf brüchiger Schwelle, aus freiesten Stücken,
ein weiterer Schritt und mein Himmel zerbricht.

Ich geh meines Weges und Meter für Meter
wird Schwärze nun physisch als bleiernes Band.
Protest meiner Seele mit stummem Gezeter,
sie will sich entwinden dem Griff meiner Hand.

Ich zerre und ziehe mit all meinen Kräften,
vergesse die Tage des wärmenden Lichts,
erliege dem Teufel und seinen Geschäften
und stoße die zappelnde Seele ins Nichts.
Hallo Pennywise!

Dein Gedicht klingt sehr mystisch und ist auch in seiner Erzählweise gut gereimt.

Nur in S1V1 das "Das Zwielicht von heute bleibt hinter dem Rücken" verstehe ich nicht. Was hältst du statt dessen von "Das Zwielicht von heute mit all seinen Tücken".

Egal, dein Werk gefällt mir, von daher hier mein insgesamt positives Feedback.

VG Pitti
Pit Bull ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.01.2022, 21:04   #5
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin Pit Bull,

das Zwielicht von heute bleibt hinter dem Rücken,
das Dunkel von morgen berührt mein Gesicht

Die beiden Sätze stehen im Verhältnis zueinander. Das überlasse ich aber dem Interpretationsspielraum. Ich will nicht mehr ganz so viel verraten. Den Fehler habe ich in der Vergangenheit gemacht. Denn oft zieht jeder das daraus, was für ihn stimmig ist.

Danke fürs Lesen und Befassen.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.01.2022, 13:15   #6
weiblich Mohrel
 
Benutzerbild von Mohrel
 
Dabei seit: 11/2018
Beiträge: 670

Lieber Pennywise,

das ist wirklich ganz nach meinem Geschmack!

Vielleicht muss sich das LyrIch komplett selbst zerlegen um sich überhaupt erst einmal finden zu können. Die zappelnde Seele, die ins Nichts gestoßen wird, das is ne Wucht! Bilderflut vom Feinsten!
Was bleibt denn vom Ich übrig, wenn die Seele entfernt wird? Ist es dann überhaupt noch lebensfähig und interessant für den Teufel?

Sehr geil!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.01.2022, 00:24   #7
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin Mohrel,

danke dafür. Freut mich sehr, wenn es auf seine verstörende Art und Weise gefällt.
Fragen über Fragen auf die ich auch keine detaillierte Antwort habe. Nur so viel... Vielleicht ist der Teufel auch nur ne Metapher? Bei mir ist er das hier in dem Fall definitiv.
Mir gefällt aber der Ansatz, des sich selbst Zerlegens, um sich selbst in all den Einzelteilen finden zu können auch sehr.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.01.2022, 03:56   #8
männlich Anaximandala
 
Benutzerbild von Anaximandala
 
Dabei seit: 05/2021
Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.198

Hey, das ist wirklich ein hammer Gedicht, eine abschließende Deutung fehlt mir noch, auch ohne habe ich es aber gerne gelesen


Zu dem zerlegen in die Einzelteile und ganz werden hab ich einen Spruch von Goethe, der mir sehr gut gefällt:

Dich im Unendlichen zu finden, mußt unterscheiden und dann verbinden.

Liebe Grüße
Anaximandala
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.01.2022, 05:00   #9
männlich Krebsgestoeber
 
Benutzerbild von Krebsgestoeber
 
Dabei seit: 03/2013
Alter: 31
Beiträge: 313

Lieber Pennywise,

ich kann mich dem Lob ohne Vorbehalt anschließen, allerdings weiß man: Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.

Das Beklemmende an diesem Gedicht ist, dass der Zwiespalt, der Konflikt, das Für-und-Wieder hinter dem LyrI liegen und der Leser vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Der Weg führt unabwendbar ins Dunkel.

Als Hoffnungsträger scheidet die Seele in ihrer Hilflosigkeit schnell aus. Dass man über den Zustand der Seele mehr erfährt als über den des LyrI finde ich besonders spannend. Sie scheint der einzige lebendige Begleiter und Beobachter des Sprechers zu sein. Wer soll ihn sonst im Schoß der Dunkelheit sehen? Ob das Gedicht ohne die Seele überhaupt weitergehen könnte? Ob sich das LyrI hier selbst abschafft? Wurde ihm die Seele im Dunkeln lästig oder hat es sich ein besonders dunkles Plätzchen gesucht, um sich ihrer zu entledigen? Ist in letzterem Fall nicht das LyrI der Teufel in Person? Das sind Fragen, mit denen man als Leser allein gelassen wird. (Unironisch) extrem gut gelungen!

Das Verhältnis von Ich und Seele bereitet mir allerdings in der letzten Strophe Verständnisschwierigkeiten.

"Ich zerre und ziehe mit all meinen Kräften"

Ob hier das LyrI (das an der Seele zerrt), die zappelnde Seele oder beide gemeint sind, ist mir nicht klar.

"erliege dem Teufel und seinen Geschäften"

In der ersten Strophe hat sich das LyrI doch aus freien Stücken gefügt. Erliegen könnte es nur, wenn es hier gegen irgendetwas angekämpft hätte.

Diese beiden Verständnisprobleme würden sich dadurch erklären, dass die Seele (als zappelnder und nörgelnder Fremdkörper) vorübergehend mit dem LyrI verschmilzt oder es einen plötzlichen Perspektivwechsel zur Seele gibt. Beides wäre meiner Meinung nach ein etwas irritierender Kunstgriff. Das stoisch voranschreitende Ich und die widerständige Seele scheinen mir zu konträr als dass sie urplötzlich eins werden könnten.

Vielleicht haben dir meine Impulse geholfen, vielleicht habe ich am Gedicht vorbeiinterpretiert. In jedem Fall hat mir die Auseinandersetzung Spaß gemacht.

Beste Grüße
Krebsgestoeber
Krebsgestoeber ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2022, 03:47   #10
weiblich Yellow
 
Dabei seit: 11/2018
Beiträge: 128

Wow, was für ein beeindruckendes Gedicht in seiner, ja, mystischen Stimmung, seinen starken Bildern, seinen Alliterationen und Reimen.

Favourit
Yellow ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2022, 01:32   #11
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin in die Runde,

danke für die Resonanz.
Ich werde nach wie vor nicht allzu viel verraten, denn ich finde es gerade spannend (immer bei jeder Lyrik), wenn sich Leser verschiedene Interpretationsmöglichkeiten heran schaffen.

@ Krebsgestoeber
Wow, danke für die ausführliche Auseinandersetzung damit. Mir imponiert so etwas immer sehr.
Nur soviel. Das lyrische Ich zerrt an der Seele. Die Seele streubt sich (noch?) aber da ist eben auch der Teufel (wer oder was auch immer das ist). Das lyrische Ich könnte sich gewehrt haben. Lange Zeit. Aber nachdem der Teufel lange genug geflüstert hat... Da wird jedes lyrische Ich schon mal schwach und fügt sich schließlich und es vermag nicht mal die Seele tief im Innern sich lauter zu melden, als der Teufel.
Das muss reichen. Ein wenig Mystik muss ja bleiben.

Gute Nacht.

Pennywise
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