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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 14.03.2022, 11:53   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Auserwählt

Gott der Christen – Gott des Krieges,
Schutzherr des „gerechten“ Sieges?
Ist das Morden keine Sünde?
Worin liegen Gottes Gründe,
dass sein Kanon dem nicht zollte,
was als Malum gelten sollte?

Statt der schlimmsten aller Taten
sind ihm sieben ungeraten:
Hochmut, Wollust, Zorn und Geiz,
Trägheit, Neid, des Fressens Reiz,
doch das Töten zu verdammen
bringt er kein Verbot zusammen.

Und so ziehen ihm zu Ehren
und den Gottlosen zu wehren
Völker, religiös gestählt
und vom Höchsten auserwählt,
siegessicher und verwegen
in die Schlacht mit seinem Segen.

Viele dieser Weltendramen
finden statt in Gottes Namen,
bis ein Feldherr klar und kühl,
frei von sphärischem Gefühl,
feststellt, dass des Himmels Gaben
nur die stärksten Truppen haben.

14.03.2022
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Alt 14.03.2022, 13:14   #2
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Liebe Ilka-Maria,
nicht gerade glaubensstark, aber immerhin ein wenig glaubenskundig, muss ich Dir mal widersprechen.
Weit vor den moralischen Vorstellungen der Kleriker (bei denen bezeichnender Weise die Todsünde des Kindesmissbrauchs fehlt), was es denn für Todsünden gäbe, stehen die von Gott diktierten zehn Gebote, die von Moses in Stein gemeißelt wurden.
Und da steht an durchaus prominenter Stelle das fünfte Gebot in einfachen und verständlichen Worten: DU SOLLST NICHT TÖTEN.
Dass sich kaum einer daran hält - nun, beim Durchlesen der zehn Gebote fiel mir auf, dass ich (ich lehne mich da an einen Ausspruch Cohn-Bendits an) wohl doch kein guter Jude bin und mehrfach gegen die Mehrheit der Gebote verstoßen habe,
Die aufgeführten sieben Todsünden, ach du lieber mein Vater, spätestens bei Wollust, Zorn,Trägheit und des Fressens Reiz schlage ich mir einsichtig an die eigene Brust und tröste mich mit den Jesusworten: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein (auf sie)"
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 14.03.2022, 14:18   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Und da steht an durchaus prominenter Stelle das fünfte Gebot in einfachen und verständlichen Worten: DU SOLLST NICHT TÖTEN.
War mir klar, dass dieser Einwand kommen würde. Tatsache ist aber, dass das Töten nicht zu den Todsünden gehört, sondern erst von Moses in dessen Dekalog aufgenommen wurde. Allerdings galt das auch für Moses nur als Verbot innerhalb des eigenen Volkes (außer für ihn selber als obersten Richter, der durchaus Todesurteile durchgezogen hat - siehe die Folgen nach der Anbetung des Goldenen Kalbs), aber für seine Kriege gegen andere Stammesangehörige galt dieses Gebot nicht. Ansonsten hätte er kaum als Kriegsherr agieren und Mord und Totschalg anordnen können. Das durfte er jedoch, weil sein Volk auserwählt war, und damit konnte jeder Genozid an anderen Völkern gerechtfertigt werden. Daran ziehen sich noch heute die Israelis und die U.S.-Amerikaner hoch, die sich ebenfalls für die Auserwählten Gottes halten. Die Kreuzritter hat der Dekalog des Mose auch nicht sonderlich interessiert, es ging immer um "im Namen Gottes".

Der Gott des AT war in puncto Tötung ziemlich großzügig, wie man an der Geschichte von Kain und Abel sieht. Da durfte sogar der eigene Bruder ohne große Konsequenz erschlagen werden. Obwohl mit dem Neid auf den bevorzugten Abel auch eine Todsünde erfüllt worden war.

Aber egal: Die Liste der sieben Todsünden und der mosaische Dekalog sind zwei in verschiedenen Zeiten entstandene Konzepte, und hinterfragt habe ich das Todsündenregister, nicht den später entstandenen Dekalog.
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Alt 14.03.2022, 14:52   #4
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Hallo Ilka-Maria,
Zitat:
hinterfragt habe ich das Todsündenregister, nicht den später entstandenen Dekalog.
Da befindest Du Dich laut theologischer Forschungen im Irrtum. Die Lehre von den sogenannten 7 Todsünden entstand erst im 4./5. Jahrhundert nach Christi Geburt. Federführend war u. a. der Mönch Evagrius Ponticus (345-399), der eine Liste von 8 Hauptsünden erstellte. Papst Gregor I. (540-604) legte dann die 7 Todsünden fest, die heute noch zitiert werden. (Hochmut, Habgier, Wollust, Jähzorn, Völlerei, Neid, Trägheit).
Es handelt sich also um eine willkürlich festgelegte Liste nach dem damaligen Konzept der katholischen Ethik.
Das ändert allerdings nicht an der berechtigten Kritik, dass christliche religiöse Führer das Kriegführen im Gottes Namen gutgeheißen haben, wann immer es ihren Zwecken angemessen erschien.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 14.03.2022, 15:02   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von AlteLyrikerin Beitrag anzeigen
Hallo Ilka-Maria,


Da befindest Du Dich laut theologischer Forschungen im Irrtum. Die Lehre von den sogenannten 7 Todsünden entstand erst im 4./5. Jahrhundert nach Christi Geburt. Federführend war u. a. der Mönch Evagrius Ponticus (345-399), der eine Liste von 8 Hauptsünden erstellte. Papst Gregor I. (540-604) legte dann die 7 Todsünden fest, die heute noch zitiert werden. (Hochmut, Habgier, Wollust, Jähzorn, Völlerei, Neid, Trägheit).
Es handelt sich also um eine willkürlich festgelegte Liste nach dem damaligen Konzept der katholischen Ethik.
Danke für die Aufklärung. Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass die Todsünden älteren Ursprungs sind, schon deshalb, weil sie in allen Kulturen von jeher als unerwünschte Charaktereigenschaften gelten. Aber das Morden kommt als Todsünde trotzdem nicht darin vor, eher geht es doch wohl um ein Sozialverhalten, wie man es auch von den Puritanern kennt. Warum hat man das Töten nicht als Sünde mit aufgenommen? Weil dann kein Scheiterhaufen mehr hätte brennen dürfen?

Aber was haben sie mit dem Dekalog des Mose zu tun? Die hatte ich, obwohl sie Gebote genannt werden, immer als Gesetze angesehen. Oft ist ja auch von den "Gesetzestafeln" die Rede. Obendrein waren ihm die Todsünden offensichtlich egal, denn das erste, was er nach seinem Abstieg vom Berg tat, war ein tödlicher Wutausbruch gegen sein eigenes Volk. Oder liege ich damit ebenfalls falsch?
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Alt 15.03.2022, 15:25   #6
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Ich hab's nochmal überarbeitet und den Papst eingebaut, so dass jetzt die Todsünden auf ihn zurückgehen anstatt auf die mosaischen Gebote bzw. Gott direkt. Vielleicht ist es so stimmiger.

Auserwählt

Gott der Christen – Gott des Krieges,
Schutzherr des „gerechten“ Sieges?
Ist das Morden keine Sünde?
Was sind jenes Papstes Gründe,
dass sein Kanon dem nicht zollte,
was als Malum gelten sollte?

Statt der schlimmsten aller Taten
sind ihm sieben ungeraten:
Hochmut, Wollust, Zorn und Geiz,
Trägheit, Neid, des Fressens Reiz,
doch sein Herz kann nicht entflammen
auch das Töten zu verdammen.

Und so ziehen Gott zu Ehren
und dem Heidentum zu wehren
Völker, religiös gestählt
und vom Höchsten auserwählt,
siegessicher und verwegen
in die Schlacht mit seinem Segen.

Viele dieser Weltendramen
finden statt in Gottes Namen,
bis ein Feldherr klar und kühl,
frei von sphärischem Gefühl,
feststellt, dass des Himmels Gaben
nur die stärksten Truppen haben.

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Alt 15.03.2022, 17:23   #7
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In der Fassung finde ich es plausibler!
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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