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Alt 09.12.2006, 18:39   #1
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


Standard Schwimmen ist wie Fliegen

Schwimmen ist wie Fliegen



Die Wellen leckten verspielt über den ihnen nahen Sand. Dabei hinterließen sie hier und da kleine Muschelscherben und spülten ein klein wenig von der Unendlichkeit des Meeres an.
Die Kinder, die darin tobten, planschten, sich vergnügten, wussten das natürlich nicht zu schätzen. Am liebsten verbrächten sie den Rest der Ferien hier im Wasser, bis sie in einer Woche wieder zur Schule mussten. Aber das ging nicht; irgendwann bekamen auch sie Hunger.
Mit blauen Lippen watschelten sie zurück zur Mutter und Oma Trude, die sie beide überredet hatten, mit an den Strand zu fahren. Ihrer Pflicht gerecht hatten sie ein paar Brote mitgebracht, die sie den Kinder nun zukommen ließen. Süßes gab’s natürlich auch; aber die Brote mussten zuerst gegessen werden.
„Warum kommst du eigentlich nicht mit ins Wasser, Oma?“, fragte Kati, die mit 6 Jahren Jüngste der drei Geschwister. Sie alle hatten Trude unheimlich lieb, die ja auch bei ihnen im Haus lebte, seit Großvater tot war.
„Ach, ich war so oft im Wasser, bin doch schon alt. Ihr seid jung, vergnügt ihr euch mal ohne mich“, lachte sie nur.
„Warum hast du dann deinen Badeanzug mit, wenn du eh nicht schwimmen willst?“, erkundigte sich Thomas, der Älteste, plötzlich.
Darauf wusste Trude auch keine Antwort und zuckte einfach nur mit den Schultern; sie hätte sich ja auch einfach für den Strand nur luftig anziehen können, damit ihr nicht zu warm war. Aber einen Badeanzug brauchte sie nun wirklich nicht.
„Löchert doch eure arme Oma nicht“, meinte die Mutter lächelnd. „Schade, dass Papa nicht mit konnte, sonst könnte der mit euch gehen. Er mag schwimmen, wäre gerne mitgekommen. Na ja, ging nicht, er musste ja arbeiten. Ach, ich komme gleich ins Wasser, ja?“
Das stellte zwei von dreien zufrieden. „Aber Oma soll auch mit ...“, beklagte sich Kati.
„Magst du Schwimmen nicht?“, meldete sich jetzt auch Lisa, die Mittlere und sah Trude mit großen Augen an. „Doch, doch ...“, antwortete sie und ihre Gedanken schweiften kurz ab; sie mochte es sogar sehr. Wie viel Spaß sie früher dabei gehabt hatte ... „Schwimmen ist wie fliegen, wisst ihr?“ Ihre Augen zeigten einen Glimmer der Sehnsucht, die nun mehr in ihr aufstieg.
Und ohne weiter darüber nachzudenken, begann sie zu erzählen. „Früher hat’s mir genauso viel Spaß gemacht wie euch heute. Stunden hab ich im Wasser verbracht! Ich mochte die Freiheit im Wasser. Man kann ja hinschwimmen, wohin man will. Gibt keine Grenzen.“ Sie dachte an das ausfüllende Blau und wie man sich darin treiben lassen und vergessen konnte.
„Aber dann ... Ich erinnere mich genau daran. Ich bin aufgewachsen in einem Haus nahe einem Wäldchen. Und da war ein See. Im Sommer bin ich dort immer mit meinen Freunden geschwommen.
In einem Sommer, da war ich 13, haben wir ein kleines Boot gemietet. Es war aus Holz - mit zwei Rudern. Wir kamen so langsam voran! Wir haben einfach zuviel rumgealbert, da hatten wir ja keine Zeit zu rudern. Irgendwann haben wir angefangen zu schaukeln. Es hat richtig Spaß gemacht. Wie das Boot wippte. Wir dachten uns nicht viel dabei; was konnte auch schon passieren?
Aber dann plötzlich kippte es über. Ich erinnere mich noch, wie ich einen Schrei hörte. Keine Ahnung, wessen. Vielleicht sogar meiner.
Dann traf mich Kälte. Alles wurde schwarz. Überall nur noch Wasser, keinen Halt, egal wohin ich griff. Ich konnte zwar schwimmen, aber das hatte ich in dem Moment wohl vor Panik vergessen.
Unbeholfen paddelte ich, versuchte mich an die Oberfläche zu ringen. Ich kämpfte mit den Armen, die immer schwerer wurden. Aber ich gab nicht auf.
Ich schaffte es an die Oberfläche. Warme Luft. Wie meine Lungen nach ihr sehnten. Ich dachte ich wäre sicher.
Da ergriff mich plötzlich etwas von unten. Eine kalte Strömung. Vor Schreck war ich wie gelähmt. Das gab ihr Möglichkeit, mich hinab zu ziehen.
Da war ich wieder. Im finsteren, kalten Reich. Meine Arme, meine Beine füllten sich mit Blei und zogen mich hinab. Meine Lungen brannten, verkrampften sich. Das Wasser schloss mich ein, kam näher, bis es in mich eindrang. Ich versuchte es abzuschütteln.
Doch dann war da ein rotes, wohliges Leuchten. Es streckte sich nach mir aus und ich fieberte ihm entgegen.
Ich gab auf. Ich wollte zu dem Licht. Ich ließ es in mich hinein gleiten, mich erfüllen. Es war so voller Seeligkeit, Ruhe, betäubte den Schmerz meiner Lungen, die Schwere meiner Glieder, die kalte Panik meines Geistes.
Da ließ ich los, gab mich nur noch dem warmen Leuchten hin.“
Trude macht eine Pause. Die pralle Sonne blitzte in ihrer Marmeladenglasbrille, ihre Lippen kräuselten sich.
„Dann hat mich jemand gerettet. Einer meiner Freunde war Rettungsschwimmer. Gott sei Dank. So bin ich dann zurück ins Boot und dann zurück an Land. Ich war gerade so dem Tod entronnen.
Seitdem bin ich nicht mehr geschwommen“, schloss sie. Nicht nur das Traumatische dieses Ereignisses ließ sie das Wasser meiden - nein, vielmehr die Verlockung der Tiefe. Heute fand sie dieses rote, wohlige Leuchten erschreckend und vor allem, wie einfach sie sich ihm hatte hingeben wollen.
Die drei Kinder und ihre Mutter schwiegen. Was sollten sie auch zu so einer Geschichte sagen?
Da plötzlich stand Kati als erste auf. Ihr Mund war ganz verschmiert von der Schokolade, die sie nach Aufessen des Brotes erhalten hatte. Sie kam auf ihre Oma zu und griff ihre Hand.
„Komm mit mir ins Wasser“, sagte sie und strahlte Trude an.
Da standen die anderen zwei Kinder auch auf. „Ja, komm mit“, stimmte Lisa zu und Thomas griff nach der zweiten Hand der Oma.
„Ach, lasst doch, wenn sie nicht will“, versuchte die Mutter einzulenken, aber die Kinder ließen nicht ab.
„Komm mit“, bat Kati noch einmal. „Schwimmen ist wie Fliegen, das weißt du doch, und es macht Spaß“, fügte Lisa hinzu.
Da nickte Trude und ließ sich von den Kindern mit ins Wasser ziehen. Zuerst war sie vorsichtig, blieb immer ganz nah beim Strand. Schnell aber legte sie die Scheu ab. Sie planschte mit den Kindern, tobte, spielte, tauchte. Sie vergas ganz wie alt sie war und hatte einfach eine Menge Spaß.
Am nächsten Morgen war sie die erste, die zurück an den Strand wollte. Als ihre Tochter und die Mutter der drei Kleinen sie fragte, ob sie denn gar keine Angst mehr vor dem Wasser hätte, antwortete sie: „Nein - nein, nein, ich habe Respekt davor.“
Traumwächterin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2006, 19:19   #2
groper
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Beiträge: n/a

schon besser! ein bisschen entrümpeln und kürzen, die omi nicht mit ihren armen, sondern mit der strömung oder um ihr leben ringen lassen, dann passt's. rechtschreibung!

schön: marmeladenglasbrille. ist das von dir?


liebe grüße aus der tiefsee


groper
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Alt 09.12.2006, 19:33   #3
Traumwächterin
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 112


freut mich sehr, wenn es besser ist ... hab mal gehört, man soll über das schreiben, was man kennt und da mir mal so etwas ähnliches passiert ist, fand ich könnte man mal was darüber schreiben *g*


oh, mit ihren armen zu ringen ist irgendwie dumm, ich guck mal, dass ich eine bessere formulierung finde ...


hmm, inwiefern denn entrümpeln? ... ich meine, ja klar, ich habe mich z.t. mit details aufgehalten, aber na ja, ich fand das macht die geschichte "lebendiger" ...


Marmeladenglasbrille? ... ja, war so ein spontan einfall *lach*
die meisten leute hassen meine wortneuschöpfungen


lg traumi
Traumwächterin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2006, 19:39   #4
groper
Gast
 
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entrümpeln heißt, alles wegschmeißen, was nicht notwendig ist. das ist in dem stück eine menge. such selber.

marmeladenglasbrille ist genial, aber keine wortneuschöpfung, sondern eine kombination. wer solche hasst, ist ein depp. allerdings ist es die erste aufälligkeit dieser art, die ich an deinen texten entdecke.

so. jetzt muß ich zurück in den marianengraben...

...*bubbles*...
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