Dem Kino die Welt!

[Ilka-Maria]

Wenn über Jutta die Welt zusammenbricht, sie zu ertrinken droht und sich gleichzeitig unter ihr die Hölle auftut, lässt sie zu Hause alles liegen und stehen und eilt ins Kino. Das passiert ihr zwei- bis dreimal die Woche, je nachdem, ob sie für das dritte Mal noch genügend Taschengeld übrig hat oder nicht.

Da Juttas Mutter meistens spät aus der Werbeagentur heraus kommt, wo sie als Grafikerin arbeitete, bekommt sie von Juttas Alltag wenig mit. Gleichwohl hat sie die Zeichen erkannt, dass etwas zu schleifen begonnen hat.

„Jutta, in der Küche steht noch das Geschirr von drei Tagen. Warum ist das nicht in die Maschine geräumt?“

„Mach ich noch.“

„Schularbeiten erledigt?“

„Ja.“

„Was war denn dran in der Schule?“

„Wieso? Das fragst Du doch sonst nie.“

„Aber jetzt frage ich.“

„Na ja, in Mathe Gleichungen mit zwei Unbekannten, in Physik die Wärmelehre, in Bio die Zellteilung, in ...“

„Wie sieht es in Englisch aus?“

„Gut. Da machen wir gerade die Bedingungssätze.“

„Soll ich die mal abfragen?“

Jutta reißt die Geduld. „Was? Jetzt, mitten in der Nacht? Was willst du eigentlich von mir!? Seit wann reden wir über die Schule!?“

„Seit sofort, seit ich nämlich einen Anruf von deiner Klassenlehrerin bekam und zu einem Termin gebeten wurde. Sie sagte, dass deine Leistungen erdrutschartig gesunken sind in den letzten drei Monaten und dass wir mit einem Blauen Brief rechnen müssen, in dem stehen wird, dass deine Versetzung gefährdet ist.“

Juttas Augen werden nass. Ihre Mutter nimmt sie in die Arme.

„Na, na, das wird schon wieder. Aber jetzt sag mir mal, was du in den letzten Monaten nachmittags gemacht hast.“

„‘ne ganze Menge,“ schluchze Jutta, „ein paar Verbrecher hinter Gittern gebracht, mehrmals die Welt gerettet, eine Zeitreise erlebt, mit Indianerhäuptlingen verhandelt, Raubkatzen gejagt …“

Jutta fühlt die Hand ihrer Mutter auf der Stirn.

„Kind, bist du krank? Du halluzinierst ja!“

„Nein, Mama, ich bin nicht krank. Ich war bloß im UNIVERSUM.“