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Alt 05.06.2019, 22:43   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Schönheit - Ein Essay

Heute sah ich mir die Sendung „XY-ungelöst“ an. Natürlich war mir klar, dass ich Zeit vergeudete, denn was passiert schon in Offenbach.

Der erste ungeklärte Fall handelte vom Tod einer Siebzehnjährigen, der auf die DM-Zeit zurückgeht und aufgrund der Ermittlungen die Mordkommission beschäftigt. Als ich das Foto des Mädchens sah, war mein erster Gedanke: „So ein hübsches Mädchen!“

Im nächsten Moment schämte ich mich dafür.

Ähnlich erging es mir, als ich mir im Internet ein Opfer des Massakers im Pariser Bataclan ansah. Das war im November 2015. Meine Freundin, die für eine Frankfurter Kanzlei arbeitete, deren Muttergesellschaft ihr Büro am Place Vendôme in Paris hatte, rief mich an. „Wir haben einen verloren.“ Die Kanzlei ließ das Porträt des Opfers auf ihrer Internet-Seite bis nach der Beerdingung stehen -aus Pietätsgründen. Ich sah es mir an und war hingerissen von der Attraktivität dieses jungen Franzosen, der am Anfang seiner Karriere gestanden hatte und zur falschen Zeit am falschen Ort einer Ideologie zum Opfer gefallen war. Seine Freundin überlebte schwerverletzt.

Und ich schämte mich wieder.

Woher kommt es, dass ich den Tod eines attraktiven Menschen als schmerzlicher empfinde als den Tod eines, sagen wir: benachteiligten Menschen wie den eines Buckligen (z.B. des berühmten Glöckners), eines Hinkenden, eines Tumben, eines Gescheiterten, eines Pickligen oder von Warzen Üersäten?

Was, zum Teufel, löst in mir aus, beim Anblick eines in meinen Augen ums Leben gekommnenen schönen Menschen spontan tiefstes Bedauern zu empfinden, bei jedem anderen Menschen aber nicht mehr als ein anerzogenes Mitgefühl, weil sich das einfach so gehört? Oder weil ich wirklich empört bin, aber weiß, dass ich die Welt nicht umkrempeln kann …

Natürlich tut einem human fühlenden Menschen jedes sinnlos ausgelöschte Leben weh. Aber warum tut nicht jedes ausgelöschte Leben gleich weh?

Warum tritt man Spinnen und Ameisen tot, aber keine niedlichen Igel (obwohl sie fürchterlich stinken)?
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Alt 06.06.2019, 00:36   #2
männlich Ex-Ralfchen
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servus -

das ist einmal ein wirklich interessanter faden. ich hatte heute zu einem etwas anders gelagertem thema ein gespräch mit meinem besten freund ALEX. er war einer der führenden orthopäden und chirurgen/Orthopädie) in wien und ist seit etwa einem jahr im ruhestand. er pendelt zwischen Portugal, Spanien/Mallorca und Paris und dem ATTERSEE hin nund her. mit einer der der gründe ist, dass er auf grund der steuerlichen situation im zusammenhang mit seiner pension ganz einfach zu viel an steuern bezahlen müsste und seinen hauptwohnsitz nun in Lissabon hat. wir sprachen heute über ästhetik und schönheit an sich. er liebt den luxus ebensosehr wie ich und hat sich an allen seinen plätzen schönheit geschaffen. obwohl mein vermögen ein vielfaches von seinem ist, sagte er heute zu mir: ich könnte nie in deinem industrieloft leben. da wäre mir zu wenig luxus. und tatsächlich luxus habe ich nur im schlafzimmer-tv-zimmer und bad. abgesehen von der modernen küche. ich habe auch noch immer die wohnung von Lucy behalten, die ein 230 m2 palast ist. und er sagt immer wieder warum wohnst du nicht dort in diesem eleganten ambiente. und ich sage: ich kann einfach nicht, wegen der erinnerungen. Laura hatte dort gewohnt, aber es war immer schwer für mich dort mit ihr intim zu sein. das ging nur in meinem loft. was will ich damit im zusammenhang mit deinem thema sagen? gurndsätzlich haben wir eine sehnsucht nach jeder art von harmonie und schönheit - ausser wir sind geborene krieger. damit hängt dann auch das gefühl der sympathie für schöne menschen zusammen. und gerade wenn sie opfer - wie in deinen erzählungen sind - wird das besonders deutlich. nun frage ich mich selbst: denke ich genau so und empfinde ich genau so? mit Alex sprach ich zu diesem thema nicht, weil es nicht darum ging. ich habe diese empfindung die zu beschreibst nicht. aber unattraktives aussehen hat schon einen starken effekt auf unsere gefühle beim betrachten von menschen. mir ging und geht es bei beziehungen zu frauen so. da sind meine empfindungen von schönheit kontrolliert. und wie ich sagte: bei opfern von verbrechen etc. empfinde ich deine gefühle nicht. ich trete spinnen und ameisen NIE tot, bestenfalls wenn sie in meinem bett oder meiner wohung direkt in meiner nähe wären.
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Alt 06.06.2019, 07:05   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
mir ging und geht es bei beziehungen zu frauen so. da sind meine empfindungen von schönheit kontrolliert. und wie ich sagte: bei opfern von verbrechen etc. empfinde ich deine gefühle nicht. ich trete spinnen und ameisen NIE tot, bestenfalls wenn sie in meinem bett oder meiner wohung direkt in meiner nähe wären.
Es geht nicht um meine Gefühle, Ralfchen, sondern um eine allgemeine Beobachtung, die ich lediglich in der Ich-Form umgesetzt habe - es ist ein Essay, kein Lebensbeichte. Ein Gedankengang, den ich einfach festhalten wollte, falls ich das Thema noch umschreiben oder ausweiten möchte. Außerdem interessieren mich Meinungen dazu.

Es geht auch nicht ausschließlich um Frauen. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema beruht auf Sätzen, die willkürlich beim Anblick eines Opfers - durch Unfall, Krieg oder ein Verbrechen, auch das ist egal - spontan geäußert werden, wenn das Bild eines hübschen Menschen gezeigt wird: "Ach Gott, so eine schöne Frau!" / "Ach Gott, so ein attraktiver Kerl!" / "Ach, Gott, so ein niedliches Kind!" Wohingegen bei einer weniger attraktiven Erscheinung eine unerschütterte "Passiert-eben-"Reaktion erfolgt - wenn überhaupt.

Auch ich trete keine Insekten und Spinnen tot, nicht einmal, wenn sie in meine Wohnung kommen. Sie werden an die frische Luft befördert, wo sie hingehören.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2019, 13:58   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
.Woher kommt es, dass ich den Tod eines attraktiven Menschen als schmerzlicher empfinde als den Tod eines, sagen wir: benachteiligten Menschen
Kann ich nicht nachvollziehen, so habe ich noch nie gedacht.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2019, 14:12   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Kann ich nicht nachvollziehen, so habe ich noch nie gedacht.
Mit "denken" hat es nichts zu tun. Es ist einfach eine spontane Reaktion vieler Menschen - quasi eine Sache des Unterbewusstseins. Ich habe das schon oft gehört.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2019, 14:50   #6
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Mit "denken" hat es nichts zu tun. Es ist einfach eine spontane Reaktion vieler Menschen - quasi eine Sache des Unterbewusstseins. Ich habe das schon oft gehört.
absolut richtig. es geht um die reaktion des momentes...so wie schrecken...überraschung...ohne erst darüber nachzudenken die zeit gehabt zu haben...ich habe diese ich-form in deinem essay leider ein wenig missverstanden Ilka.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
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