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Alt 26.07.2013, 12:06   #1
männlich Rookie
 
Dabei seit: 07/2013
Beiträge: 3


Standard Der Laber-scheindoof-Komplex

Hier mal eine Kurzgeschichte!

Der Laber-scheindoof-Komplex

Wunderbar tief, so unheimlich tief, unfassbar triefend, flossen Gedankenströme durch Jim Panse´s Kopf und unappetitlich entleerten sich pralle Gedankenblasen in Form von Speichel aus seinem Mund. Es war auch dringend. Immer wieder ist es dringend, aber in dieser Situation langsam nicht mehr glaubwürdig gewesen. Schon das vierte Mal verpasste er die erste Unterrichtsstunde. Das kommt davon, wenn man morgens im Bus nicht aufpasst und einem die freundlichen Rentner aus dem örtlichen Altenheim beinahe lasziv durch das Busfenster an der letzten Haltestelle anlächeln. Sein Vater hatte ihm einmal erzählt, dass die Falten von alten Menschen Kiemen seien, die sich mit der Zeit zum Ausgleich des Mangels an Zähnen bilden würden, um Fressfeinden durch Flucht trotzen zu können. In einem Unterwasserkampf wäre er also chancenlos geliefert. Der demographische Wandel und das exzessive Schmelzen von Gletschern in den letzten Jahren müssen irgendwie in Verbindung stehen.
Der Busfahrer stieß mittlerweile das achte Mal mit seinen Stiefeln gegen Jim´s Wade. Er blieb dabei ruhig, da er in den vorangegangenen Wochen des Öfteren die Bekanntschaft mit Jim machen musste. >> Wach auf Bursche! Das wird ja hier noch zur Gewohnheit. Ich sag’ dir mal was, so ganz im Vertrauen: Auch, wenn du vielleicht die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hast beim Anblick der zugeschneiten Schrumpelsäckeendstation, aber, das ist nicht der Polarexpress. Hör auf zu träumen Kleiner! <<, rauschte es mit viel gutem Willen und einem Mundgeruch nach Kaffee und Weihnachtsgebäck durch seinen Marxbart. Jim blieb sitzen. Die Augen halbgeschlossen, Kopf nach vorne gerichtet und der Mund sperrangelweit offen. Das war ‘seine Position’. Der Busfahrer griff fest nach seinen Schultern und schüttelte ihn kräftig.
>> Nun reicht´s aber! Hier wird jeder gleichschlecht behandelt! Das war´s mit der Ausnahme. Morgen steigst du aus wie jeder andere auch! <<
>> Wo bin ich? <<, konterte Jim schlagfertig.
Er besann sich allmählich und kroch unter dem strengen Blick des Busfahrers aus der Sitzreihe. Für den Speichelteich auf seiner Winterjacke schämte er sich etwas aber immerhin war sie wasserabweisend. Im Sommer läuft das nicht so glimpflich ab. Er tapste vom Bus hinab in den Schnee. Um zur Schule zu gelangen, musste er die halbe Stadt durchqueren. Und schon begann er vor sich hin zu quasseln.
>> Das war mal wieder ein Griff in´s Klo … nein, Toilette meinte ich. Hoffentlich hat das niemand gehört. Ich brauche einen Schlitten … und Wasserstoff! Das knallt ordentlich und dann fliege ich in die Luft und, wer weiß, vielleicht kann ich dort ja erst mal bleiben. Vielleicht ist der Weihnachtsmann einfach jemand, der das Glück hatte. Aber da war´s wohl eher Pepsi mit Selters … ähm Cola mit Mentos. Was soll´s … ich wäre bereit für den Job … <<
Nur wenige waren um diese Uhrzeit unterwegs, aber diese schauten ihn skeptisch an und noch skeptischer hinterher. Der Monolog zog sich bis er vor seinem Klassenzimmer stand hin und er haute seinen Kopf plump drei Mal sanft aber bestimmt frontal gegen die Tür.
>> Hört sich genauso an wie mit der Hand <<, bemerkte er.
Sein Lehrer öffnete und begrüßte ihn mit schelmischem Gegluckse, dann wandte er sich mit präsentierender Handbewegung dem Publikum zu und ließ Jim eintreten.
>> Der lebendige Beweis für die Existenz von Fabelwesen: Ein sprechendes Faultier! Ich bitte um
Applaus! <<, leitete er Jim´s Auftritt ein. Sie klatschten, lachten und tobten daraufhin wie eine Bande hochnäsiger Affen. Jim wollte sich gerade der Pein trotzend setzen, da fuhr er fort.
>> Bleib doch hier vor den anderen! Du bist heute Teil der Show! Ein Exempel für den Niedergang und den Höhenflug. Komm schon her! <<
Jim leistete ihm Folge aber sichtlich gezwungen.
>> Was soll das? Wieso werde ich vorgeführt? Koalas schlafen mehr als Faultiere. <<
>> Wenn du sitzen willst, sei wie alle um dich herum <<, er zeigte umherstreifend auf den Affenzirkus.
>> Das mag ich aber nicht! <<
>> Ja aber Karl mag´s, Jimmy! <<
>> Ich bin aber bereit. <<
>> Du bist aber bereit? <<
>> Ich bin aber bereit! <<
>> Ja! Wozu denn? <<
>> Etwas zu verlieren. Deswegen bin ich ja aufgestanden. <<
>> Er ist ein Träumer! Schaut ihn euch genau an! Ganz genau! Wie er sich bewegt, wie er steht, selbst wie er atmet! <<, rief er mit weit aufgerissenen Augen und gebücktem Gang in den Zuschauerraum. Faszination pur.
>> Wie auch immer sie das nennen Herr Direktor äh Lehrer, sie wollen mich doch hier nur vorführen wie auf dem ähm Präsentierbesteck und dann stehe ich hier und seh’ den Wald vor lauter Träumen nicht und ja … DAS WOLLEN SIE DOCH! Das ist es! Domina! Ähm Dominanz! <<, Jim ließ seinen Mund offen stehen aber keiner erwartete, dass er weiter redet. Alle pfiffen vor Lachen!
>> Man sieht wohin deine Gedanken gleiten! Du bist die Komödie in Person! Egal was du sagst es kommt an. Das ist eine Gabe! Die Gabe der Dummheit! <<, pflichtete er hämisch dem Publikum bei.
>> Behalt’ doch deine Gabel der Krummheit! Ich will sie nicht. Was mache ich hier? <<
>> Das Finale! Die absolute Blödheit! Erfreut euch, ihr habt Glück, dass euch so etwas heute Morgen geboten wird! Holen wir zum letzten Schlag aus! <<, verkündete er feierlich.
>> Mh? Wieso sitzt ihr denn? So kommt ihr ja kaum in Bewegung. Das ist wie bei der Geschichte mit dem alten Mann, dem Hasen und dem Kind! Ähm nein Mit dem Hasen und dem Igel. Ihr denkt zwar ihr habt gewonnen aber eigentlich seid ihr nicht vorwärts gekommen! <<
Alle waren aus dem Häuschen und brüllten: >> Finale! Finale! <<
>> Das bekommt ihr. <<, entgegnete der Lehrer >> Lest bitte Seite vierhundertachtunddreißig im roten Buch. <<
>>Unreflektiert? <<, fragte einer der Schüler.
>> Na was denkst du denn?! <<, verhöhnte er die Frage.
>> … <<
Jim knickte ein und brach schließlich völlig auf dem Boden zusammen. Er starrte mit einem Grinsen im Gesicht an die Decke.
An diesem Tag war er Aufgestanden unter all den Armen anderen.



>> Und so bin ich auf die Idee mit dem Wasserstoff gekommen! <<, erzählte Jim dem Weihnachtsmann mit funkelnden Augen. Aber der war schon wieder wo ganz anders. In einem Altenheim oder Tiefseetauchen.
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