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Alt 19.11.2012, 03:22   #1
männlich nurdean
 
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Standard Monolog zu den drei Maximen des glücklichen Lebens

Liebe Leute, ich habe etwas geschrieben. Es ist spät in der Nacht, ich habe es an einem Stück geschrieben und es hat womöglich Fehler. Auch die Sätze sind noch nicht definitiv, wie sie sein sollten, es geht mir um das grosse Ganze. Trotzdem ist es mir wichtig, so bald wie möglich Feedback dazu zu erhalten und ich hoffe, dass sich einige von euch die Mühe nehmen werden, diesen langen Text durchzulesen. Und scharfe Kritik ist mir immer am liebsten. Hart, direkt und ehrlich. Daran kann ich wachsen...

Herzliche Grüsse und gute Unterhaltung

Nurdean

_________

Monolog zu den drei Maximen des glücklichen Lebens


Sehen Sie, die Frage nach dem Glück, das ist eine ziemlich müssige Frage. Täglich muss man anderen Menschen weise machen, dass es einem gut geht, obwohl in einem drin ein Abgrund klafft. Ich will mir die Reaktionen der Leute nicht vorstellen, wenn ich ihnen sage, dass ich wahrscheinlich irgendwie schizophren bin. Oder depressiv. Oder vielleicht einfach nur ein Borderliner bin. Nein, sowas wollen sie nicht hören. Keiner hat Zeit, sich das Leid der Anderen anzuhören, denn ihr eigenes Leid ist schon gross genug. Überhaupt, es stört mich, wie die Leute andere anhand ihres Auftretens in glücklich und unglücklich einteilen. Die sind doch nicht so dumm, sich von der Fassade täuschen zu lassen, die jeder Mensch aufrecht erhält. Nein, ich unterstelle ihnen, dass sie das vorsätzlich tun. Sie und ich, gleichermassen. Wir gehen uns alle aus dem Weg, um nicht aneinander anzuecken und uns nicht gemeinsam in die Tiefe zu ziehen. Aber vielleicht ist genau das das Problem. Vielleicht ist es falsch, sich so sehr zu fürchten. Sich so sehr vor der Angst zu Fürchten, dass diese Furcht noch viel grösser wird, als die Angst es ursprünglich war.

Manchmal fühle ich mich ohnmächtig aufgrund der scheinbaren Anzahl trauriger Menschen in meiner Umgebung. Aber auch das ist wieder eine blosse Kategorisierung. Ich schaue einen Mann an und wenn er mich nicht fröhlich anlächelt, dann ist er für mich ein trauriger Mensch. Wer über Trauer, Angst und Seelenschmerz philosophiert, der gehört gleichermassen zu den verlorenen. Wer krank ist, der wurde so geboren und man kann ihm nicht helfen, also besser nicht unnötige Bemühungen anstellen!

Nein, diese Denkweise macht mich rasend! Und doch ist sie in mir drin.

Wenn ich mich intensiv mit dem Begriff des Glücks beschäftige, stelle ich mir das so vor: Menschen sind grundsätzlich nicht einfach glücklich oder unglücklich. Es existieren keine eindeutigen Stimmungen. Wer erwachsen genug ist, seine Gefühle zu überblicken, der wird immer Gründe für Glück und Unglück finden. Sie sind immer gleichzeitig präsent. Das Leben ist Ambivalent. Beispielsweise ein Freund von mir: Ich weiss von ihm, dass er aus einer schwierigen Familie kommt, wahrscheinlich depressiv ist und manchmal Selbstmordgedanken hat. Er ist ein Einzelgänger und fühlt sich ungeliebt. Andererseits kann man sagen, dass er eine gute Bildung geniesst, nicht allzu viel Stress im Leben hat und sich durch eine sehr starke Freundschaft über Wasser halten kann. Wir haben in diesem Beispiel also einen hohen Anteil Unglück und einen wohl signifikant kleineren Anteil Glück. Wenn man ihm begegnet, sieht man ihm das an, seine Miene ist oft verzogen, er grüsst nur selten von sich aus und geht Anderen aus dem Weg. Der Grund, warum er überhaupt noch hier ist, sind wahrscheinlich der Überlebenstrieb und die Neugier für das Leben, die er noch nicht ganz verloren hat. Aber das kann jederzeit kippen.

Nehmen wir nun ein anderes Beispiel: Stellen wir uns einen Menschen vor, der eine sehr starke Moral hat. Ein Mann, der jeden Tag versucht, dem Leben eine neue Chance zu geben, andere Menschen anzulächeln, sich mit ihnen zu beschäftigen. Dieser Mann könnte vielleicht sogar ich sein. Nun, von aussen sieht dieser Mensch glücklich aus, zufrieden mit seinem Leben. Das mag stimmen, denn es gibt sehr viele Dinge, die ihm Auftrieb geben, ihn „über Wasser halten“. Er hat eine Freundin, kann sich gut mit Anderen unterhalten, hat nicht viele Probleme mit der Familie und dem Studium. Aber würden Sie sich denken, dass dieser Mann tatsächlich unter einer psychischen Krankheit leidet? Dass er manchmal, wenn er alleine ist, innerlich ausrastet, aggressive Schübe kriegt, am liebsten alles kurz und klein schlagen würde? Dass er mit sich selbst nicht zufrieden ist, egal was er probiert, dass er eigentlich gerne mehr machen würde und ein besserer Mensch wäre, es aber einfach nicht kann? Dass er jeden Tag hin- und herpendelt zwischen Gefühlen des Glückes und dem Drang, sich irgendwann die Kugel zu geben? Nein, wenn wir uns einen unglücklichen Menschen vorstellen, dann nicht ihn. Unglückliche Menschen sind schwarz angezogen, weinen oft, sind introvertiert und haben Narben an den Unterarmen. Ihm sieht man das nicht an. Er hat eine perfekte Fassade aufgezogen, lächelt fröhlich und aus ganzem Herzen, aber wir sehen ihn nicht weinen. Doch das heisst nicht, dass er nie weint. Genau genommen, können wir nichts über diesen Menschen aussagen, ausser, dass er so zu sein scheint, wie wir ihn sehen. Wie er sich uns präsentiert. Vielleicht will er uns einfach nicht mit seinem Unglück belästigen, sieht vielleicht, dass auch so schon genug Leid in der Welt ist. Ich frage mich, was man tun könnte, um diesen Menschen zu finden und ihm zu helfen. Und ob es für ihn überhaupt Hilfe gibt. Soviel zum Glück im Menschen. Wer will sich anmassen, darüber zu urteilen? Ich tue es viel zu oft. Aber habe ich auch das Recht dazu?

Erste Maxime: Der Sinn:

Viele sagen mir, glücklich sei Jener, der den Sinn im Leben erkannt habe, oder zumindest ein sinnvolles Leben führe. Ich muss Ihnen gleich sagen, solche Aussagen sind einfach nur falsch. Aber vielleicht ist das ja nur meine eigene Meinung. Zumindest sehe ich nicht ein, was das bedeuten soll, Sinn. Was soll das sein? Etwas, das wir geben können? Etwas, das einfach da ist? Was wir einfach von der Umgebung pflücken können? Etwas, das wir selbst produzieren und anderen schenken? Wenn es sowas wie ein sinnvolles Leben gibt, was, bittesehr, ist dann ein unsinniges Leben oder eine sinnlose Tätigkeit? Hat nicht jeder Atemzug, den wir tun, jeder Gedanken, den wir tätigen und jedes Wort, das wir sagen, irgendwo seine Berechtigung? Wenn es so etwas wie Sinn wirklich gibt, dann muss es überall oder nirgends sein. Ich persönlich sehe jedenfalls keinen Unterschied zwischen diesen zwei Zuständen. Ich sehe keine Differenz zwischen der Sinnhaftigkeit eines Gefühls der Trauer und eines Gefühls der Freude. Ich sehe nicht, warum das Glück sinnhafter sein soll als das Leid oder umgekehrt. Es braucht doch beides, sonst ist ja alles grau! Jedenfalls, für mich gibt es keinen Sinn. Vielleicht ist ja das der Ursprung meines Unglücks, wer weiss das schon.

Zweite Maxime: Das Vertrauen:

Man sagt auch, wer dem Leben vertraut, der wird glücklich. Vertrauen ist meiner Ansicht nach eine hoffnungsvolle Kalkulation der Zukunft, die sich auf gegenwärtigen Verhältnissen oder vergangenen Erfahrungen gründet. Aber mal abgesehen von diesem Grundvertrauen, was ist das Vertrauen in das Leben? Wenn ich weiss, dass mich das Leben enttäuschen wird, kann ich nicht vertrauen. Wer also schon viele schlechte Erfahrungen hinter sich hat, wird nur schwer zu Vertrauen finden. Manche sagen mir, das Vertrauen ins Leben sei ein unumstösslicher Grundsatz, sowas wie ein Charakterzug. Ich glaube wir sind vielmehr ein Produkt der Vergangenheit. Wir sind so sehr vorbeeinflusst, dass wir kalkulierbar werden. Wir verhalten uns nach Mustern, die sich bewährt haben oder die uns am bequemsten erscheinen. Wie Maschinen. Sie müssen mal beobachten, wie die meisten Menschen diskutieren. Wie oft sie wirklich über das nachdenken, was ihr Gegenüber sagt und wie oft sie einfach nur ihr eigenes Denksystem proklamieren. Ja, vielleicht hat jemand mit extrem starren Denkmustern ja Anlass, darauf zu vertrauen, da sich kaum einer ihm widersetzt. Man wird damit alleingelassen, die Leute denken, dass man halt einfach in einer anderen Welt lebt und vielleicht tut man das auch wirklich. Und diese eigene kleine Welt, die ist in Ordnung, darauf kann man vertrauen. Und wie das mit solchen Prophezeiungen ist, erfüllt sich das tatsächlich oft von selbst. Weil die Menschen sich nicht einsetzen, solche Leute aus ihren Käfigen zu befreien.

Sie sehen, das ist ziemlich schräg mit diesem Vertrauen ins Leben und es gibt Grund, solchen Leuten, die behaupten, sie würden ins Leben vertrauen, nicht zu trauen. Aber das beginnt ja auch schon im ganz kleinen. Oft frage ich mich: „vertraust du noch deinen Gefühlen? Vertraust du noch anderen Menschen? Hältst du dich selbst noch für vertrauenswürdig?“ Ehrlich gesagt, ich kann diese Fragen nicht beantworten. Ich habe keine Ahnung, was wahr ist. Ob meine Gefühle wahr sind. Schliesslich habe ich mich in meinem Leben schon oft genug von ihnen täuschen lassen. Ich habe Grund, auf der Hut zu sein. Ja und da kommt dann die erste Verbindung mit dem Glück. Ich vertraue nämlich auch dem Glück nicht. Ich meine, das ist ja grundsätzlich ganz einfach, das Glücklichsein. Man muss einfach alles richtig machen. Hab ich auch schon, keine grosse Sache. Das kann für ein paar Tage oder Wochen, vielleicht sogar für einige Monate klappen. Aber dann stirbt plötzlich dein Grossvater, oder deine Freundin betrügt dich in Irland mit ihrem Studienfreund, oder vielleicht sogar beides gleichzeitig. Und dann ist es aus mit dem Glück.

Sowieso, ich habe zu dem Thema einen ziemlich schrägen Bezug. Beinahe esoterisch und doch auch gleichgültig. Ein Beispiel: Manchmal frage ich mich, ob es möglich ist, sich konstant dem grossen Glück zu entziehen, um sich dafür auch kein grosses Unglück einzufangen. Ich nehme mir das Unglück in kleinen Portionen und weiche dem grossen Glück aus, wehre es ab und nehme auch dieses nur in kleinen Raten an. Ich habe tatsächlich manchmal das Gefühl, dass dadurch eine Balance entsteht oder schon existiert und man damit spielen kann. Ein komischer Gedanke, wenn ich das so sage...

Dritte Maxime: Die Hoffnung:

Eigentlich ist Hoffnung etwas ganz ähnliches wie Vertrauen. Manche sehen sie als eine fortgeschrittene Form des Vertrauens, andere sagen, dass die Hoffnung am Anfang steht und zuletzt stirbt. Ich kann nur sagen, dass sie irgendwie allgegenwärtig ist. Sie ist konstant vorhanden. Nur in sehr seltenen Fällen fühlte ich mich hoffnungslos oder verloren und das waren die dunkelsten Momente meines bisherigen Lebens. Aber ja, die Hoffnung ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich morgens aufstehe. Man denkt, irgendwann muss sich doch einmal ein Zufall ereignen, der günstige Auswirkungen auf das Leben hat. Oder vielleicht eine Chance bietet, es zu verbessern. Mehr kann ich zur Hoffnung nicht sagen.

Synthese: Zur Verbindung der Drei:

Sie denken jetzt vielleicht, dass das alles irgendwie kalt klingt. Aber es gibt ja schliesslich verschiedene Arten, zu leben. Verschiedene Stufen der Emotionalität, könnte man sagen. Manche Menschen haben einen pragmatischen Zugang zum Leben. Sie machen sich nicht viele Hoffnungen (damit meine ich sowas wie Luftschlösser und Eskapismen, nicht die Hoffnung, die in allen von uns ist) und werden deswegen auch nicht allzu oft enttäuscht. Das Resultat ist ein relativ eintöniges, aber deswegen nicht zwingend schlechtes Leben. Das geht solange gut, bis etwas unvorhersehbares passiert, was erfahrungsgemäss ab und zu vorkommen kann. Andere Menschen leben emotional, kämpfen vielleicht jeden Morgen gegen den inneren Schweinehund oder sind sehr sensibel, was jederzeit starke Freude, aber auch starke Traurigkeit auslösen kann. Das sind diese Menschen, die mit Lebensmaximen um sich werfen, oder einen Glauben vertreten, die diskutieren und eine Unwahrheit nicht unangefochten stehen lassen können; das sind Leute, die versuchen, die Welt zu retten oder wenigstens zu verbessern. Und wenn es ihnen nicht gelingt, dann sind sie unglücklich. Dann verlieren sie die Hoffnung und das Vertrauen, sehen keinen Sinn mehr.

Ich selbst gehörte ursprünglich zu letzterer Sorte, wandle mich aber langsam zu den Pragmatikern. Obwohl ich gleichzeitig immer stärkere emotionale Schübe habe. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo ich stehe. Aber zurück zum Glück:

Wie ich ganz am Anfang erwähnt habe, so etwas, wie das absolute Glück gibt es nicht. Ich glaube, das sind eher Momente, in denen alles Stimmt. In denen diese drei Maximen des Glücks übereinstimmen und sich zu etwas Grösserem ergänzen. Oder wie ich einmal in einem Büchlein gelesen habe: Das Glück ist wie eine stehengebliebene Uhr. Sie ist fast den ganzen Tag nutzlos, wartet einfach vor sich hin, verändert sich nicht. Bis zu jenen zwei Momenten im Laufe eines Tages, zu denen sie exakt die richtige Zeit anzeigt. Dann stimmt einfach alles, diese innere Einigkeit ist da, das Glück funkelt und flattert. Und dann, ehe man es erwartet, ist es wieder vorbei.

Es gibt Menschen, die nach solchen Momenten jagen, andere warten geduldig, wieder andere haben sie ganz aus den Augen verloren. Ich glaube, man muss zumindest ein Minimum an Hoffnung, an Vertrauen ins Leben haben und den Sinn nicht aus den Augen verlieren. Ich spreche aus Erfahrung, allerdings nicht aus aktueller. Wenn man mal auf eine asynchrone Bahn geraten ist, kann man schwer zurückkehren.

Ich zumindest, habe verdammte Angst davor, Glücklich zu sein. Ich lasse lieber regelmässig alles einstürzen, das ist mir vertrauter. Ausserdem ist Glück viel zu eintönig. Glückliche Menschen sind langweilig und dumm. Sie haben keine Leidenschaft, keinen inneren Trieb, keinen Zwang, etwas zu schaffen. Kein glücklicher Mensch sucht verzweifelt nach Antworten, strebt nach Wissen und nach Macht. Sie haben bereits alles, was sie wollen.

Aber zurück zu mir. Sie hatten mich gefragt, ob ich glücklich bin. Was denken Sie?
Woher sollte ich wohl die Motivation nehmen, Ihnen das Alles zu erklären?
nurdean ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.11.2012, 15:31   #2
männlich Desperado
 
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Zitat:
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Dritte Maxime: Die Hoffnung:

Eigentlich ist Hoffnung etwas ganz ähnliches wie Vertrauen. Manche sehen sie als eine fortgeschrittene Form des Vertrauens, andere sagen, dass die Hoffnung am Anfang steht und zuletzt stirbt. Ich kann nur sagen, dass sie irgendwie allgegenwärtig ist. Sie ist konstant vorhanden. Nur in sehr seltenen Fällen fühlte ich mich hoffnungslos oder verloren und das waren die dunkelsten Momente meines bisherigen Lebens. Aber ja, die Hoffnung ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich morgens aufstehe. Man denkt, irgendwann muss sich doch einmal ein Zufall ereignen, der günstige Auswirkungen auf das Leben hat. Oder vielleicht eine Chance bietet, es zu verbessern. Mehr kann ich zur Hoffnung nicht sagen.

Hallo nurdean,

hab Deine Gedanken mit großem Interesse gelesen und einige durchaus berechtigte und logische Hinterfragungen darin entdeckt.

Vor sieben oder acht Jahren hab ich mal ein paar Zeilen zur Hoffnung niedergeschrieben, Deiner dritten Maxime, der mich als praktizierenden Desperado besonders interessiert, hier meine Gedanken zum Thema, die ich Dir gerne als hoffentlich passende Antwort schicken möchte.
__________________________________________________ _______________

Verheißungsvoll ist die Hoffnung, lockend und verführerisch.

Klammheimlich schleicht sie sich heran, schmeichelnd und flüsternd, wirft Traumbilder voll beglückender Schönheit in Geist und Sehnsucht des von ihr Befallenen, verleitet ihn zärtlich dazu, sein erschöpftes Haupt aus dem zähen Staub der Trübsal zu erheben, verzaubert seine Züge und kitzelt ein scheues Leuchten in seine zu Tode ermatteten Augen, lässt zitternd den zarten Keim einer blühenden Zukunft aus dem gefrorenen Boden vergessener Träume sprießen und nährt den Verlorenen mit dem trügerischen Licht eines lebenswerten Morgen.

Doch erst wenn sich der Unglückliche erhoben hat, erst wenn er erste schwankende Schritte tut, erst wenn er schüchtern blinzelnd zu glauben beginnt, an die Wendung zum Guten, an das Vergehen von Leid und Unglück, ja an Heilung und die Chance, doch noch und wider alles Wissen und alle Erfahrung das Wunder von Glück und Freude zu kosten, erst wenn er sich gutgläubig und arglos in den Daseinskampf und die tägliche Unbill des Lebens zurückgewagt hat, erst wenn er den nicht mehr rückgängig zu machenden Entschluss gefällt hat, es noch einmal zu versuchen, ja erst wenn sein Lebenswille zurückgekehrt und wiedererwacht ist, erst dann, wenn es kein Zurück mehr gibt für ihn in die gnädige Losgelöstheit und die taube Leichtigkeit schauender Resignation, erst dann beginnt das Trugbild zu flimmern, zu verschwimmen, sich aufzulösen ins Nichts einer Fata Morgana.

Erst dann zeigt die Hoffnung ihr wahres Gesicht stetig wiederkehrender Illusion und zerfallender Utopie, erst dann bleckt sie die strahlenden Zähne nackter Wahrheit zu einem höhnischen Grinsen und zerschmettert den wieder zum Leben Erwachten mit der barbarischen und rohen Gewalt eines Blitzes, der den mächtigsten Baum spaltet von der Krone bis in die Wurzel.

Erst wenn der Wiedererstarkte fähig ist, erneut Verzweiflung, Kummer, Schmerz und Leid zu spüren und fühlen, dann und erst dann taucht die schwindende Hoffnung den Bemitleidenswerten bis über den Scheitel in den dunklen, schwarzen, verschlingenden Schlund der Hoffnungslosigkeit, um heimlich, unbemerkt und mit unersättlichem Willen nach Unsterblichkeit den Keim ihrer Wiederkunft ins Zentrum der Nacht zu betten, nie zur Ruhe kommend, getrieben und von unbändiger Dynamik vorangepeitscht, unbesiegbar und ihres Triumphes gewiss, denn immer wird sie bleiben, wiederkehren, auferstehen, die grausame erbarmungslose Marter der Hoffnung.

Und gleich sie uns auch quält und peinigt bis aufs geronnene Blut, klammern wir uns doch an sie und halten verbissen an ihr fest, wie Verfallene und Hörige, ja wie Süchtige, unfähig die Folter ihres Kommens und Gehens zu ertragen und noch viel weniger in der Lage ohne sie zu leben.

So feiern wir denn ihre spärlich sporadischen Erfüllungen wie große Siege und verherrlichen ihre bloße Existenz als Wunder, indes wir ihr zahlloses Trügen, Scheitern, Erlöschen und Sterben verdrängen und totschweigen allüberall und zu allen Zeiten.

Lieben Gruß
Desperado
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Alt 19.11.2012, 17:42   #3
Ex-zonkeye
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 504


Sorry, aber das ist leider schon die Überschrift falsch, nurdean. Maximen sind Regeln, die zu einem glücklichen oder unglücklichen Leben, zu viel oder zu gar nichts führen können. Eine „Maxime des Glücks“ ist sprachlicher Unsinn. Das so genannte „Glück“ selbst stellt keine Regeln auf. Es ist keine natürliche oder juristische Person, sondern nichts als ein gefühlter Zustand.

Wenn man sich literarisch mit letzterem befassen und dabei gleichzeitig ein Publikum (angeregt) unterhalten möchte, hüte man sich davor, das zum millionsten Mal wiederzukäuen, was jeder junge Mensch sich schon mal gedacht hat. Für gewöhnlich glaubt dieser, wenn er zu denken beginnt, er sei der erste, der sich an diesen Fragen abschaffte und übersieht gern, dass jeder, aber auch wirklich jeder schon mal darüber nachgedacht hat. Nur schreibt’s halt nicht jeder (und schon gar nicht so verschwurbelt) auf.

Einfach gesagt: Es gibt ungefähr eine Trillion relativer Ansichten über das „Glück“, aber nicht eine einzige objektive, absolut gültige – ganz egal, ob jemand krank oder gesund ist, wo er lebt, ob er alt oder jung, männlich oder weiblich ist.

Wer beziehungslos, allein und (noch) ohne Bindung an die Gesellschaft vor sich hin vegetieren muss, hat mangels relativer Erfahrungshorizonte kaum Gelegenheit, so genannte „Glücksgefühle“ im simplen Alltag zu erleben, wie dies in Populationen, die sich nicht gerade im Krieg befinden, täglich, ja, stündlich möglich ist. Er hat dann nichts als seine persönlichen Stoffwechselzustände (intestinale und cerebrale), die er gegeneinander abwägen kann. Ein kümmerlicher Minimalzustand also, der keine Sicht nach außen, schon gar keine verallgemeinernde, zulässt. Wer niemanden hat, dem er vertraut, niemanden, auf den er hoffen kann und der ihn glücklich macht, der hat Pech gehabt, und zwar gründlich. Über den „Sinn des Lebens“ sollte dieser nicht filosofieren, denn er wird keinen triftigen Grund finden, es weiter zu führen.

Es sei denn, er bequemt sich, zu erkennen, dass man, wenn man auf die Frage „Can you tell me the way to Waterford street please“ nicht „no but I wish you good luck“ antwortet, sondern dem Fragesteller den Weg so erklären kann, dass der ihn danach auch wirklich findet, etwas bewirkt. Man hat dann nämlich:

a)Vertrauen gerechtfertigt

b) Hoffnung erfüllt

c) Glückshormone ausschütten geholfen

d) Sinn gestiftet.

Mehr braucht ein normaler Mensch eigentlich nicht, um sich für Bruchteile einer Sekunde besser zu fühlen als vorher noch.

Vielleicht eins noch zum Abschluss: Wer hoffen muss, kann nicht glücklich sein, denn er wünscht sich einen anderen Zustand als den vorhandenen. Aber auch diese Erkenntnis ist so banal, dass sie keiner weiteren Grundsatzdebatte bedarf.

Mein (wiederholter) Rat an dich: Show, don’t tell. Lamentiere nicht minutiös über Dein eigenes Inneres, sondern zeig uns einen neuen Homo faber, der sich auf ganz besondere Weise seinen Schädel an den Gefängnismauern seines Daseins einrennt.

Das wär fein!
lg z
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