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Alt 31.03.2010, 12:05   #1
weiblich sternenglanz
 
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Standard Charlie Button (Eine komische Verwechslungsgeschichte)

Charlie Button

Charlie Button war ein ganz normaler Junge.
Er stand jeden Morgen um punkt 7.00 Uhr auf, putzte sich die Zähne auf eine Art und Weise, die mehr als penibel war und fütterte dann seinen überaus fetten Kater, der den treffenden Namen Vielfraß trug. Falls der Leser sich nun fragt, weshalb Charlie den Kater fütterte bevor er sich überhaupt anzog: Charlie vermied es aufs Peinlichste, Vielfraß’ schwarze Katzenhaare an seine – von Mutti gewaschenen und fein säuberlich gebügelten – Pullover zu bekommen. Auch an seine Hosen sollten sie nicht gelangen. Deswegen hatte Charlie eines Tages entschieden, seinen Kater einfach nackt zu füttern, denn es ließ sich nun einmal nicht vermeiden, dass Vielfraß seine überschüssigen Haare an Charlie abschmierte, während er sich bettelnd um seine Beine schlang. Dank seiner neuen Methode konnte Charlie die Haare dann einfach unter der Dusche abspülen.
Nachdem er das getan hatte, zog Charlie Button sich dann endlich an und beendete damit sein Nackt-durchs-Haus-laufen. Er zupfte so lange an sich herum, bis die frisch gebügelten Pullover – die übrigens hauteng waren, denn so mochte er es – in seinen Augen perfekt saßen und er striegelte und gelte sich das Haar so lange bis keine Strähne sich mehr bewegte und ihn aus dem Spiegel ein durch und durch perfekter Junge entgegensah. Ab und an legte Charlie sogar ein bisschen Rouge auf, um seinen Teint noch besser zur Geltung zu bringen.
Genau um 7.45 Uhr verließ Charlie Button das Elternhaus jeden Morgen und schaffte es auch jeden Morgen, pünktlich zur Schule zu kommen. Er setzte sich ruhig an seinen Platz, schlug die Beine übereinander und schrieb in seiner akkuraten und sauberen Schrift jedes Wort mit, das der Lehrer diktierte. Charlie sprach nur, wenn er dazu aufgefordert wurde und er widersprach den Lehrern nie. Jeden Tag erledigte er gewissenhaft seine Hausaufgaben und freute sich auf den nächsten Schultag.
Nun, vielleicht war Charlie Button doch kein so normaler Junge. Doch er verhielt sich noch abnormaler, nachdem er eines Morgens aufgewacht war und dachte, dass irgendetwas nicht so war wie immer. Doch das fiel Charlies Mutter erst am Abend auf.
Charlie hatte dicke, schwarze Ränder unter den Augen und seine Pupillen waren furchtbar geweitet. Er trug nicht mehr seine engen Pullis, sondern er war gehüllt in einen einzigen Klumpen schwarzer Wollmasse. Seine Haare sahen entsetzlich zersaust aus und standen ihm gar nicht. Doch das schlimmste für Charlies Mutter war, dass seine Unterarme von tiefen, blutenden Kratzern durchzogen waren. Und zudem stank er fürchterlich nach Alkohol.
Vollkommen entsetzt rief Charlies Mutter ihren Psychiater an, der – Gott sei Dank – Nachtdienst hatte. Sie schilderte ihm die Lage ihres Sohnes. Der Psychiater beorderte Charlies Mutter sofort dazu, ihren Sohn in eine Entzugsklinik zu bringen. Egal ob in eine Entzugsklinik für Alkohol oder für Drogen – schließlich müsse er anscheinend von beidem weg. Außerdem solle man mit Charlie zum Frisör gehen, damit er wieder normal aussehen könne. Und zur Stilberatung solle man ihn schicken. Aber das alles natürlich erst nach dem Entzug. Und nicht zu vergessen: Man solle dafür sorgen, dass Charlie sich nicht noch einmal die Arme aufschneidet. Er sei selbstmordgefährdet und hochgradig depressiv.
Zufrieden hängte Charlies Mutter den Hörer auf und verfrachtete ihren Sohn sofort in eine der empfohlenen Entzugskliniken. Der arme Charlie wusste vor Schreck gar nicht, was er sagen sollte.

Nach mehreren Monaten entließ man Charlie Button. Vollgepumpt mit Medikamenten und völlig neben der Spur kehrte Charlie heim und setzte sich an seinen Schreibtisch. Schon immer hatte er Tagebuch geschrieben und jetzt lag dieses Tagebuch geöffnet auf der Tischplatte. Der Tag, an dem seine Mutter ihn in die Klinik gebracht hatte, war aufgeschlagen. Charlie las den Eintrag und war erstaunt.

Bin heute Morgen wie immer aufgestanden. Doch Vielfraß war sauer, weil ich am Vorabend vergessen habe, ihn zu füttern. Er hat mir vor Wut beide Arme zerkratzt.
Um meine schönen Pullis nicht zu beschmutzen habe ich mir von der Gothic-Tante nebenan schnell ein paar schwarze Klamotten geliehen. Sehen zwar nicht schick aus, aber wenigstens bleiben meine Pullis sauber. Weil die Schwarze so lange gebraucht hat, um ein paar passende Sachen zu finden, war ich spät dran und schaffte es leider nicht mehr, mir die Haare zu machen. Sah heute entsetzlich aus.
In der Schule hat mein Banknachbar Thomas mich trotzdem gefragt, ob ich zu ihm kommen will, um mit ihm Playstation zu spielen. Ich habe das noch nie gemacht, aber Thomas gefällt mir schon lange. Natürlich habe ich zugesagt. Was im Nachhinein ein Fehler war, meine Augen entzündeten sich vom stundenlangen Videospiele-Spielen und jetzt sehe ich aus, als hätte ich die ganze Nacht durchgemacht. Zu allem Übel haben auch noch die Kratzer von Vielfraß angefangen, fürchterlich zu jucken. Auf der Suche nach dem Desinfektionsmittel stieß ich versehentlich eine Flasche von Papas geheimen Rücklagen um. Jetzt stinke ich wie ein alter Alkoholiker. Oh, Mutti ruft zum Essen.


Zusammenfassend: Charlies Mutter ließ ihren Sohn aufgrund einer Reihe von bedauerlichen Missgeschicken einliefern und Monate lang mit Medikamenten voll pumpen, weil sie dachte, ihr Sohn sei gefährdet und verhalte sich abnormal. Dabei war die einzige Abnormalität an Charlie Folgende: Er war schlicht und ergreifend schwul. Nun ja, seine Mutter hatte ihn ja zumindest schon einmal dafür bestraft. Eine Standpauke hatte Charlie Button wohl nicht mehr zu befürchten.
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