Kindergedichte bei Poetry.de

gummibaum · 26.08.2016, 23:59

Angeregt durch die wunderbaren Kindergedichte von Nöck habe ich mal zehn alte Gedichte von mir zusammengesucht, die auch etwas mit Kindern zu tun haben.

In deinen Haaren
________________________________________
In deinen Haaren spielt der Wind,
nie war sein Spiel betörender,
er fühlt sich unverhofft als Kind
und winkt mit stumm beschwörender
und leichter Geste zu dem Licht,
webt seinen Glanz in jede Schicht.

Und ich, ich wär so gern ein Kind
und höbe mich aus dösender
Verwurzlung wie der leichte Wind
und striche als erlösender
Gespiel durch Haar und Stränenglanz -
in jeder Schicht ein Klang, ein Tanz.

Kind unterm Regenbogen
________________________________________
Ein Kind mit buntem Schirm spaziert
durch ungeheuren Regen,
und weil es lacht, so infiltriert
die Sonne ihren Segen.

Aus einer Wolke blinzelnd schickt
sie einen Strahl hinunter,
der einen bunten Bogen stickt -
er wirkt auf Grau noch bunter.

Ein zweiter, großer Schirm umgibt
das Kind jetzt auf den Wegen.
Und dies, ins Farbenspiel verliebt
läuft singend ihm entgegen.

Kindertraum
________________________________________
Anna lag im Bettchen, spähte
durch den Traum ins Beet hinaus:
Zwischen Sonnenblumen drehte
sich ihr Windrad vor dem Haus.

Drehte sich auf einmal schneller,
steckte alle Blüten an,
und die schnurrenden Propeller
hoben Haus und Garten an.

Einmal um die Erde schwebte
sacht das Blumenhausmobil.
Als es landete, erbebte
Anna. - Doch sie war am Ziel.

Für Kinder
________________________________________
Lena hatte keine Puppen,
doch sie war nicht gern allein.
Ließ darum die Fingerkuppen
in der Nase fündig sein.

Knackig stieg ein fester, runder
Popel aus dem Nasenraum,
dann ein wirres Fadenwunder,
klebrig und mit grünem Saum.

Sie sortierte froh die Puppen,
Väter, Mütter, Kind und Hund,
spielte lang mit all den Gruppen.
Dann verschwanden sie im Mund…

Das Wolkenloch (für Kinder)
________________________________________
Der Abend sieht ein Wolkenloch
und spricht zur Sonne, scheine doch
hindurch, dort unten wird bald Nacht,
was diesen Tag noch dunkler macht.

Die Sonne nimmt den wärmsten Strahl
und spricht zum Abend, schau doch mal,
wie er, vom Wolkenloch bewegt
die Farbe durch die Schatten trägt.

Und wirklich, Wälder, Gärten, Haus
erglühen kurz und bleichen aus.
Der Abend winkt der Farbenpracht
und schließt das Loch, sagt: gute Nacht…

Für Luise
________________________________________
Ein Kärtchen lag auf grüner Flur,
trug eine leichte, weiße Schnur,
an der es, vom Ballon gezogen,
mit Stürmen übers Land geflogen.

Der liebe Freund war nicht mehr da,
da ihm ein Missgeschick geschah.
Ein blauer Fetzen spricht vom Tode.
So blieb sein Gruß bei Abterode.

Doch auf dem Kärtchen steht zum Glück
ein Name - und es reist zurück
zu einem Mädchen von drei Jahren.
Das ließ den Freund zum Himmel fahren.

Die kleine Sängerin
________________________________________
Sie ist ein kleiner Punkt auf weiter Bühne,
doch ihr Gesang, vollendet, macht sie groß,
und was die Menschen drückte, wird in kühne
Gestalt geweitet, frei und schwerelos.

Gefühl und tiefer Ernst in diesem warmen,
auf klarer Stimme ausgespannten Lied,
und jeder fühlt, er möchte die umarmen,
die ihn mit Macht in weite Himmel zieht.

Dann, als die tausend Hände klatschend hämmern,
steht dort ein zartes Wesen scheu und winkt.
Verwundert lächelnd scheint ihm kaum zu dämmern,
wohin es andre führt, sobald es singt.

(für Willighagen)

Gedanken einer Mutter

Wie schläft dein Kinderkopf mit feinen Zügen
in stiller Miene sanft in meinem Schoß,
sind meine Hände, die ihn bergen, groß,
gleich weiten Träumen, die die Seele pflügen.

So manche Angst und Härte, die uns Armen
ein ferner Gott in unsre Wiege legt,
ergriff dich, Kleines, schon, das wacker trägt.
So ist der Schlaf nun gütiges Erbarmen.

Und aus dem Frieden, den entspannten Gliedern,
die ich behüten darf, erwächst mir Ruh.
Mir schwebt ein Traum aus deinen kleinen Lidern

und eine Kraft der Hoffnung wieder zu:
Dass sich das Leben ändert, uns aus niedern
Gewölben führt. - Und vorne wandelst du.

(Nach der Zeichnung von Käthe Kollwitz: Schlafendes Kind)

Du Miststück!!
________________________________________
Als er klein war, da verschreckte
ihn der Mutter böser Schrei,
und die Ängste, die er weckte
setzten bald Symptome frei.

Um den Schrei in sich zu dämpfen,
pfropfte er sich Ruhe ein,
innen zähes Niederkämpfen,
außen grabesstilles Sein.

Bleiern flossen seine Worte,
tiefe Stimme gab ihm Halt,
Schnörkel lag wie eine Borte
um die Gesten, eng und kalt.

Riss jedoch ein Schreck das Futter
seines Umhangs wieder ein,
schrie er plötzlich wie die Mutter
und verfluchte sich gemein.

Sein helles Kleid
________________________________________
Sein helles Kleid im dunklen Raum.
Das zarte Kind hat tiefe Augen.
Es scheint, dass sie aus Träumen saugen.
Und noch aus mehr. Es redet kaum.

Es steht wie eine Puppe dort.
Und möchte doch vielleicht gestehen,
was in dem Raum mit ihm geschehen.
Von seinen Lippen kommt kein Wort.

Gylon · 27.08.2016, 22:08

Lieber gummibaum,
das ein oder andere kannte ich schon und hatte es noch in Erinnerung. Sie haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Heute Abend wird mich bestimmt noch einige Zeit das Bild vom „Kind unter Regenbogen“ begleiten.

Danke fürs teilen!

Liebe Grüße Gylon

Ex-Letreo71 · 27.08.2016, 23:43

Lieber Gummibaum,

sehr gern wieder gelesen, deine Zusammenstellung.

Lieben Gruß mit großer Anerkennung

Letreo

Nöck · 28.08.2016, 07:18

Lieber gummibaum,

das sind wunderbare Gedichte. Manche sind nicht soo geeignet für Kinder, haben dann aber eine enorme Ausstrahlung, etwas Psychologisches (z.B. "Du Miststück!!" und "Die kleine Sängerin").

Sehr gelungen finde ich "Kindertraum" und "Kind unterm Regenbogen".

Ich finde es schön, dass dich meine Kindergedichte motiviert haben - so muss Forum sein!

Liebe Grüße
Nöck

gummibaum · 28.08.2016, 12:28

Lieber Gylon,

danke, dass du die Texte entdeckt und die Gedichte noch einmal angeschaut hast. "Kind unterm Regenbogen" geht auf eine Kinderbild meiner Tochter zurück, das in meinem Zimmer hängt.

Liebe letreo,

lieben Dank. Deine Gedichte verfolge ich ja auch immer mit Freude und lasse mich anregen.

Lieber Nöck,

nein, nicht alle sind für Kinder geeignet. Einige können sie noch nicht verstehen, andere sind Verarbeitungen eigener Kindheitserlebnisse.

Im Moment habe leider wenig mit Kindern zu tun. Deshalb lasse mich gern von deinen Gedichten in ihre Welt hineinholen.

Einen schönen Sonntag wünscht euch mit LG
gummibaum

Thing · 28.08.2016, 15:20

das ist kein Schatzkästlein, das iat eine Schatztruhe, eine wahre Fundgrube!
Viele der Gedichte kenne ich, andre waren neu für mich oder mein nachlasssendes Gedächtnis.

"In deinen Haaren" bleibt mein Favorit.
Poesie vom Feinsten und herzzereißend.

Hab Dank für diese embarasse de richesse!

Liebe Grüße
von
Thing

26.08.2016, 23:59	#1
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Kindergedichte Angeregt durch die wunderbaren Kindergedichte von Nöck habe ich mal zehn alte Gedichte von mir zusammengesucht, die auch etwas mit Kindern zu tun haben. In deinen Haaren ________________________________________ In deinen Haaren spielt der Wind, nie war sein Spiel betörender, er fühlt sich unverhofft als Kind und winkt mit stumm beschwörender und leichter Geste zu dem Licht, webt seinen Glanz in jede Schicht. Und ich, ich wär so gern ein Kind und höbe mich aus dösender Verwurzlung wie der leichte Wind und striche als erlösender Gespiel durch Haar und Stränenglanz - in jeder Schicht ein Klang, ein Tanz. Kind unterm Regenbogen ________________________________________ Ein Kind mit buntem Schirm spaziert durch ungeheuren Regen, und weil es lacht, so infiltriert die Sonne ihren Segen. Aus einer Wolke blinzelnd schickt sie einen Strahl hinunter, der einen bunten Bogen stickt - er wirkt auf Grau noch bunter. Ein zweiter, großer Schirm umgibt das Kind jetzt auf den Wegen. Und dies, ins Farbenspiel verliebt läuft singend ihm entgegen. Kindertraum ________________________________________ Anna lag im Bettchen, spähte durch den Traum ins Beet hinaus: Zwischen Sonnenblumen drehte sich ihr Windrad vor dem Haus. Drehte sich auf einmal schneller, steckte alle Blüten an, und die schnurrenden Propeller hoben Haus und Garten an. Einmal um die Erde schwebte sacht das Blumenhausmobil. Als es landete, erbebte Anna. - Doch sie war am Ziel. Für Kinder ________________________________________ Lena hatte keine Puppen, doch sie war nicht gern allein. Ließ darum die Fingerkuppen in der Nase fündig sein. Knackig stieg ein fester, runder Popel aus dem Nasenraum, dann ein wirres Fadenwunder, klebrig und mit grünem Saum. Sie sortierte froh die Puppen, Väter, Mütter, Kind und Hund, spielte lang mit all den Gruppen. Dann verschwanden sie im Mund… Das Wolkenloch (für Kinder) ________________________________________ Der Abend sieht ein Wolkenloch und spricht zur Sonne, scheine doch hindurch, dort unten wird bald Nacht, was diesen Tag noch dunkler macht. Die Sonne nimmt den wärmsten Strahl und spricht zum Abend, schau doch mal, wie er, vom Wolkenloch bewegt die Farbe durch die Schatten trägt. Und wirklich, Wälder, Gärten, Haus erglühen kurz und bleichen aus. Der Abend winkt der Farbenpracht und schließt das Loch, sagt: gute Nacht… Für Luise ________________________________________ Ein Kärtchen lag auf grüner Flur, trug eine leichte, weiße Schnur, an der es, vom Ballon gezogen, mit Stürmen übers Land geflogen. Der liebe Freund war nicht mehr da, da ihm ein Missgeschick geschah. Ein blauer Fetzen spricht vom Tode. So blieb sein Gruß bei Abterode. Doch auf dem Kärtchen steht zum Glück ein Name - und es reist zurück zu einem Mädchen von drei Jahren. Das ließ den Freund zum Himmel fahren. Die kleine Sängerin ________________________________________ Sie ist ein kleiner Punkt auf weiter Bühne, doch ihr Gesang, vollendet, macht sie groß, und was die Menschen drückte, wird in kühne Gestalt geweitet, frei und schwerelos. Gefühl und tiefer Ernst in diesem warmen, auf klarer Stimme ausgespannten Lied, und jeder fühlt, er möchte die umarmen, die ihn mit Macht in weite Himmel zieht. Dann, als die tausend Hände klatschend hämmern, steht dort ein zartes Wesen scheu und winkt. Verwundert lächelnd scheint ihm kaum zu dämmern, wohin es andre führt, sobald es singt. (für Willighagen) Gedanken einer Mutter Wie schläft dein Kinderkopf mit feinen Zügen in stiller Miene sanft in meinem Schoß, sind meine Hände, die ihn bergen, groß, gleich weiten Träumen, die die Seele pflügen. So manche Angst und Härte, die uns Armen ein ferner Gott in unsre Wiege legt, ergriff dich, Kleines, schon, das wacker trägt. So ist der Schlaf nun gütiges Erbarmen. Und aus dem Frieden, den entspannten Gliedern, die ich behüten darf, erwächst mir Ruh. Mir schwebt ein Traum aus deinen kleinen Lidern und eine Kraft der Hoffnung wieder zu: Dass sich das Leben ändert, uns aus niedern Gewölben führt. - Und vorne wandelst du. (Nach der Zeichnung von Käthe Kollwitz: Schlafendes Kind) Du Miststück!! ________________________________________ Als er klein war, da verschreckte ihn der Mutter böser Schrei, und die Ängste, die er weckte setzten bald Symptome frei. Um den Schrei in sich zu dämpfen, pfropfte er sich Ruhe ein, innen zähes Niederkämpfen, außen grabesstilles Sein. Bleiern flossen seine Worte, tiefe Stimme gab ihm Halt, Schnörkel lag wie eine Borte um die Gesten, eng und kalt. Riss jedoch ein Schreck das Futter seines Umhangs wieder ein, schrie er plötzlich wie die Mutter und verfluchte sich gemein. Sein helles Kleid ________________________________________ Sein helles Kleid im dunklen Raum. Das zarte Kind hat tiefe Augen. Es scheint, dass sie aus Träumen saugen. Und noch aus mehr. Es redet kaum. Es steht wie eine Puppe dort. Und möchte doch vielleicht gestehen, was in dem Raum mit ihm geschehen. Von seinen Lippen kommt kein Wort.

28.08.2016, 15:20	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber gummibaum - das ist kein Schatzkästlein, das iat eine Schatztruhe, eine wahre Fundgrube! Viele der Gedichte kenne ich, andre waren neu für mich oder mein nachlasssendes Gedächtnis. "In deinen Haaren" bleibt mein Favorit. Poesie vom Feinsten und herzzereißend. Hab Dank für diese embarasse de richesse! Liebe Grüße von Thing

27.08.2016, 22:08	#2
Gylon Dabei seit: 07/2014 Beiträge: 4.269 Meine Gedichte	Lieber gummibaum, das ein oder andere kannte ich schon und hatte es noch in Erinnerung. Sie haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Heute Abend wird mich bestimmt noch einige Zeit das Bild vom „Kind unter Regenbogen“ begleiten. Danke fürs teilen! Liebe Grüße Gylon

27.08.2016, 23:43	#3
Ex-Letreo71 abgemeldet Dabei seit: 01/2014 Ort: Niedersachsen Beiträge: 4.032 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Gummibaum, sehr gern wieder gelesen, deine Zusammenstellung. Lieben Gruß mit großer Anerkennung Letreo

28.08.2016, 07:18	#4
Nöck Dabei seit: 12/2009 Ort: In den Auen des Niederrheins Beiträge: 2.662 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber gummibaum, das sind wunderbare Gedichte. Manche sind nicht soo geeignet für Kinder, haben dann aber eine enorme Ausstrahlung, etwas Psychologisches (z.B. "Du Miststück!!" und "Die kleine Sängerin"). Sehr gelungen finde ich "Kindertraum" und "Kind unterm Regenbogen". Ich finde es schön, dass dich meine Kindergedichte motiviert haben - so muss Forum sein! Liebe Grüße Nöck

28.08.2016, 12:28	#5
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Lieber Gylon, danke, dass du die Texte entdeckt und die Gedichte noch einmal angeschaut hast. "Kind unterm Regenbogen" geht auf eine Kinderbild meiner Tochter zurück, das in meinem Zimmer hängt. Liebe letreo, lieben Dank. Deine Gedichte verfolge ich ja auch immer mit Freude und lasse mich anregen. Lieber Nöck, nein, nicht alle sind für Kinder geeignet. Einige können sie noch nicht verstehen, andere sind Verarbeitungen eigener Kindheitserlebnisse. Im Moment habe leider wenig mit Kindern zu tun. Deshalb lasse mich gern von deinen Gedichten in ihre Welt hineinholen. Einen schönen Sonntag wünscht euch mit LG gummibaum