Schlaue Tipps zur Krisenbewältigung

[Heinz]

Tränen netzen deine Rosenwangen,
schluchzen hör ich dich und leises Bangen
schnürt die Brust dir engend ein.
Liebe kann, du wirsts erleben,
herrlich oder schmerzhaft sein.
Mächtig lässt sie Pulse beben,
zündet Flammenmeere, bringt dein
Blut zum Kochen, schleicht sich leise
in dein Herz voll List hinein,
summt und singt die alte Weise
du bist mein und ich bin dein.

Doch dem Schlingel Amor fällts bisweilen ein,
einen zweiten Pfeil ins gleiche Herz zu senden;
bald beginnen Not und Pein,
Herz, mein Herz, wie soll das enden?
Wohnen, ach, in deiner Brust
zwei der Seelen: Lieb und Lust,
die gleich einem Bach mäandern,
leise murmelnd Fragen flüstern:
Liebst du oder bist du lüstern
auf den einen oder doch den andern,
der dein Blut in Wallung bringt?

Lausche, was die Lerche singt:
Selbst mit seinen Donnerkeilen
schafft kein Zeus, ein Menschenherz zu teilen.
Darum nutze deine Sinne,
prüfe klug und dann beginne
das Dilemma aufzulösen.
Lass dein Herz aus diesem Spiele,
Möglichkeiten gibt es viele,
um die Männer zu beglücken;
zeig dem einen deine Brüste,
weck in ihm die geilsten Lüste,

zu des anderem Entzücken
drehst du dich auf deinen Rücken,
sei noch klüger als die Schlangen,
gib den beiden, was auch immer
sie sich wünschen und verlangen.
Lass sie glauben, treulos seist du nimmer,
Männer, glaub mir, haben selten einen Schimmer
von der Frauen List, doch eines sollst du wissen:
Wahres Glück erreichst du nicht mit falschen Küssen,
große Liebe wirst du leidend stets vermissen;
margine notavit: Meine Tipps, sie sind verlogen und beschissen.

[Anaximandala]

Guten Morgen, lieber Heinz,

ich muss sagen, dein Gedicht gefällt mir ..
ja, das sind schlaue Tipps für eine schöne Krisenbewältigung

ein bisschen sinnlich, ein bisschen bewegend, ein bisschen ****

Eigentlich würde ich sowas auch gerne mal schreiben wollen, zumindest es versuchen.
Also, explizit gesagt in sinnlicher Form!
Obszön kann ich superduper, aber das meine ich nicht


Auf jeden Fall,
danke und einen
schönen Tag dir

LG Delf

[Heinz]

Lieber Delf,
vielen Dank für Deinen lobenden Kommentar!
Ich hoffe, dass die "bivalente" Einstellung des lit. Ichs - die anfangs amoralische
Ratgebung und am Ende die ethische Grundeinstellung - durchschimmern.
Obszön reimt sich zwar auf schön, aber ist nicht mein Ding.
Die vorgeschlagene Art und Weise der Krisenbewältigung könnte man als realitätsnah praktizieren, aber die anfänglichen Überlegenheitsgefühle führen meiner Erfahrung nach auf blumengeschmückten Wegen gnadenlos an die Absprungstelle.
Dir steht der Sinn danach, so etwas auch zu schreiben. Versuchs doch einfach mal, wortgewandt genug bist Du allemal.
Liebe Grüße,
Heinz

[Schreibfan]

Gefällt mir recht gut, lieber Heinz und erinnert mich an die Diskussion über Polyamorie, die wir unlängst in einem anderen Thread hatten.

Was ist denn das für eine äußere Form?

LG Schreibfan

[Heinz]

Liebe Schreibfan,
es grenzt, betrachtet man die Nöte der weiblichen Hauptperson, tatsächlich an Polyamorie, scheint sie doch in Liebe für zwei Männer entbrannt. Was fehlt ist die Offenheit und die anfänglichen Tränen zeigen, dass die uns eingeimpfte Moral die Affäre kompliziert machen. Den unmoralischsten Rat habe ich weggelassen. Ich hätte bei Schiller klauen und raten können: Moral beiseite, gewähr mir die Bitte, ich sei in eurem Bund der Dritte.
Die Form? Ich nehme mal eine Strophe:

Doch dem Schlingel Amor fällts bisweilen ein,
einen zweiten Pfeil ins gleiche Herz zu senden;
bald beginnen Not und Pein,
Herz, mein Herz, wie soll das enden?
Wohnen, ach, in deiner Brust
zwei der Seelen: Lieb und Lust,
die gleich einem Bach mäandern,
leise murmelnd Fragen flüstern:
Liebst du oder bist du lüstern
auf den einen oder doch den andern,
der dein Blut in Wallung bringt?

XxXxXxXxXxX
XxXxXxXxXxXx
XxXxXxX
XxXxXxX
XxXxXxX
XxXxXxXx
XxXxXxXxXx
XxXxXxXx
XxXxXxXxXx
XxXxXxX

Den trochäischen Versfuß habe ich von Anfang bis zum Ende durchgehalten (die Verslängen sind unterschiedlich), Die Reime: Da sind Paar- und Kreuzreime, eine Waise (das Dilemma aufzulösen) und, ich glaube, ein umschlingender Reim.
Mit anderen Worten: Eine gängige Strophenform ist nicht vorhanden, es geht (wie in der Affäre) drunter und drüber.
Letztlich doch moralgeschwängert die Erkenntnis:
Wahres Glück erreichst du nicht mit falschen Küssen,
große Liebe wirst du leidend stets vermissen;
und das Geständnis des "schlauen" (nicht klugen) Tippgebers:
margine notavit *): Meine Tipps, sie sind verlogen und beschissen.
*) nebenbei/am Rande notiert

Vielen Dank für Deine Gefallenskundgebung!
Liebe Grüße,
Heinz

[Die Preussin]

Lieber Heinz,
ein sehr schlaues fast durchtriebenes Wesen das du da beschreibst einerseits, andrerseits auch recht tragisch. Als Ratgeber kann man in diesen Dingen nur versagen, nichtsdestotrotz ist dein Gedicht großartig. Nach dem der Weiber Gerissenheit mit der Schlange beschrieben ist, würde mich doch Mal die männliche Version interessieren.
Die Preussin

[Heinz]

Liebe Preussin,
ganz kurz: Danke für Deinen Kommentar!
Du möchtest die männliche Version hören? Lass mir ein bisschen Zeit. Ich werde mir Mühe geben.
Liebe Grüße,
Heinz

[Ilka-Maria]

Zitat von Heinz

Männer, glaub mir, haben selten einen Schimmer

Welch wahres Wort! Gilt aber auch umgekehrt: Die Schimmer, die Männlein und Weiblein nicht erfahren, haben ihre eigenen Schwänzchen und Grübchen. Da nähert sich bestenfalls etwas an, aber es kommt nichts zusammen.