Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Sonstiges und Experimentelles

Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 19.05.2008, 13:56   #1
Terror Incognita
 
Dabei seit: 12/2007
Beiträge: 392

Standard Noch ohne Titel (dammit)

Titelvorschläge wären Willkommen



Eine einzelne, giftgrüne Träne läuft an meinem Knie herab und die Welt dreht sich weiter. Meine Finger umklammern eisern die Ellbogen und halten sie für Strohhalme. Assoziativ träume ich mich in eine Bar und unterhalte mich, an meinem Glas nippend mit Silvia, der blonden Strandnixe. Tiefer und tiefer tauche ich ein und Korallen ziehen an mir vorbei, ein romantisches Schiffswrack erscheint vor mir. Es ist kalt. Dunkel. Mein Taucheranzug hält dem Druck aus und ich schwimme die Reling entlang. Hinein. Hinein. Hinein. Wie ähnlich die Kajüte meinem Zimmer doch ist, das Bett ist dasselbe. Wimmernd lehne ich mich zurück an die Wand und schließe die Augen, der Schmerz verschwindet, die Sonne geht unter. Wunderschön.

Es ist wieder kalt. Aber nicht dunkel. Schade eigentlich, denn die Sonnenstrahlen, die durch die heruntergelassene Jalousie dringen brennen sich in meine Netzhaut ein und ich glaube mein Kopf platzt. Auch das wäre, in diesem Moment, eine Erleichterung, denn bevor mein Unterbewusstsein mich daran hindern konnte, haben meine Augen den Raum durchstreift und bleiben an den Fotos auf dem Boden hängen. Stöhnend greife ich zur Pillendose auf meinem Nachttisch. Das ausbleibende Klappern tut mehr weh, als die immer noch scheinende Sonne und ein verzweifelter Schrei entkommt aus meinem ausgetrockneten Mund. Ich springe auf, renne ins Badezimmer und trinke aus dem Hahn.

Ich muss wohl mit dem Kopf aufgeschlagen sein, als ich das Bewusstsein verloren habe, denn der schmerzt höllisch, obwohl der Vollmond die einzige Lichtquelle ist. Zitternd stehe ich auf und verlasse die Wohnung. Ein Windstoß schlägt die Tür hinter mir zu und ich muss lachen als ich merke, dass ich keinen Schlüssel mitgenommen habe. Ich bin ja nicht mal angezogen. Breit grinsend stapfe ich durch den Vorgarten Eden und bleibe vor dem Apfelbaum stehen. Ich beschließe den Sündenfall noch etwas zu verschieben und lege mich auf den Boden. Ich sehe die Sterne, fühle mich auf einmal furchtbar klein und beginne zu weinen. Die Tränen, die ich mir mit dem Handrücken vom Gesicht wische sind diesmal klar und schmecken salzig. Der salzige Geschmack weicht einem metallischen und ich fühle mich wundervoll. Ich rolle mich ein paar Mal herum und stehe dann wieder auf. Fröhlich wandere ich singen durch die Straßen, bereit das Böse auf der Welt zu bekämpfen und der Menschheit Freude zu bringen.

Als ich aufwache sehe ich keine Sterne. Ich bin auch nicht von der Sonne geblendet, im Gegenteil, ich fühle mich selbst blendend. Lustigerweise regt sich nichts in mir, als ich merke dass ich angezogen bin, von Neonlicht bestrahlt werde und auf einem Krankenbett liege. Ein Fenster, Wahnsinn. Ich stehe auf und blicke nach draußen. Ich habe eine wundervolle Aussicht auf eine Häuserzeile, die mir bekannt vorkommt. Ich stehe wohl zwei, drei Minuten regungslos da, bevor ich mich erinnere. Hier bin ich früher immer entlang gegangen, auf dem Weg zur Schule. Auch das ist lustig, genau so, habe ich mir damals immer die Aussicht aus einem der Fenster der örtlichen Psychiatrie vorgestellt. Mein Unterbewusstsein weint.
Terror Incognita ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2008, 14:50   #2
Grob
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 45

Dass das Wort Psychiatrie am Ende fällt, hat mich irgendwie gestört, lass den Leser durch nen Hinweis selbst draufkommen.
Zweimal hat mich "dasselbe" gestört: Einmal das Bett im ersten Absatz ist "dasselbe", bitte artig zusammenschreiben (selbe ist kein Adjektiv), dann am Anfang von Absatz drei "derselbe" als Personalpronomen für die Birne klingt mehr nach der Suche nach einem besonders tollen literarischen Ersatz dafür - nimm einfach "der", das genügt völlig (ist wie die Leute, die immer diese schreiben und meinen, dadurch einen wissenschaftlichen Text verfasst zu haben - ohgottohgott!).
OK, jetzt mal Schluss mit der Pedanterie - dein Text gefällt mir, weil er die Verwirrung eines Lebens wie dieses aufgreift. Ich vermute, der Kerl (oder die Frau - Gleichberechtigung!) schluckt seltsames Zeug und ist psychisch stark labil (Schlussfolgerung aus der Pillendose in Absatz zwei, der Psychiatrie am Schluss und den Gedankengängen). Das liest sich irgendwie wie die Sequenz kurz vor Ende von "Fear and Loathing in Las Vegas" (wer den Film zweimal pro Abend anschaut, braucht keine Drogen).
Wie wär's mit "Delirium" / "Delirious" als Titel, oder etwas Ähnlichem?
Grob ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2008, 15:12   #3
Terror Incognita
 
Dabei seit: 12/2007
Beiträge: 392

Zitat:
Original von Grob
Dass das Wort Psychiatrie am Ende fällt, hat mich irgendwie gestört, lass den Leser durch nen Hinweis selbst draufkommen.
Zweimal hat mich "dasselbe" gestört: Einmal das Bett im ersten Absatz ist "dasselbe", bitte artig zusammenschreiben (selbe ist kein Adjektiv), dann am Anfang von Absatz drei "derselbe" als Personalpronomen für die Birne klingt mehr nach der Suche nach einem besonders tollen literarischen Ersatz dafür - nimm einfach "der", das genügt völlig (ist wie die Leute, die immer diese schreiben und meinen, dadurch einen wissenschaftlichen Text verfasst zu haben - ohgottohgott!).
OK, jetzt mal Schluss mit der Pedanterie - dein Text gefällt mir, weil er die Verwirrung eines Lebens wie dieses aufgreift. Ich vermute, der Kerl (oder die Frau - Gleichberechtigung!) schluckt seltsames Zeug und ist psychisch stark labil (Schlussfolgerung aus der Pillendose in Absatz zwei, der Psychiatrie am Schluss und den Gedankengängen). Das liest sich irgendwie wie die Sequenz kurz vor Ende von "Fear and Loathing in Las Vegas" (wer den Film zweimal pro Abend anschaut, braucht keine Drogen).
Wie wär's mit "Delirium" / "Delirious" als Titel, oder etwas Ähnlichem?
1. Durch welchen Hinweis? Das Neonlicht? Das Angezogen-Sein? Könnte alles sein, 'ne Gefängniszelle zum Beispiel. Mir war aber wichtig, dass der Ich-Erzähler selber den Gedankengang zur Psychiatrie hat, es aber nur im Unterbewusstsein wirklich realisiert, die verschiedenen Gefühlszustände wollte ich herausbringen.

2. Ich werde beide Vorschläge übernehmen, Danke.

3. Den Film kenne ich nicht, aber der Titelvorschlag ist gar nicht so schlecht, ich werds mir überlegen.

Danke.
Gruß,
TI
Terror Incognita ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2008, 15:18   #4
Grob
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 45

Dir entgeht nichts, wenn du den Film nicht kennst... nur n bisschen Vietnam-Kritik und Tobey-Maguire mit nem Elben-Haarschnitt
Er erkennt die Psychiatrie ja, da er sich erinnert, wo er ist - ich meinte einen Hinweis, den man noch anfügen könnte (eine Jacke, beispielweise, mit obskuren Ärmeln oder besser noch etwas Kreativeres). Das Wort Psychiatrie wirkt auch durch seinen Klang so fehl am Platz in der Geschichte, weil das wie ein Backstein Realität im sonst so träumerischen Bewusstsein des Prots ist. Kann natürlich sein, dass er gerade nötig hat
Grob ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2008, 15:27   #5
Terror Incognita
 
Dabei seit: 12/2007
Beiträge: 392

Da sich der Wahnsinn bzw. die irrealen Zustände und Fantasien des Protagonisten ja zurückbilden fand ich die "harte" Realität hier passend. Wie gesagt, der Gedanke "Ich bin in der Klapse, aber was soll's", den er ja zum Teil hat war mir wichtig.
Terror Incognita ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Noch ohne Titel (dammit)

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.