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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 19.10.2014, 21:30   #1
männlich Saturnaut
 
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Ort: Landau, Pfalz
Alter: 41
Beiträge: 16

Standard Eine Schwalbe im Nebel

Eine Schwalbe im Nebel

Das bin ich

Ein geflügeltes Wesen
Das ohne Orientierung
Durch ein dichtes Grau irrt
Eine Seele ohne Körper
Die nach ihrem Zuhause sucht

Das bin ich

Ich bin der Zweifel
Der nicht weiß
Ob er rechts ist oder links
Tot oder lebendig
Atmend oder erstickend
Ich bin ein zerstreutes Bewusstsein
Das durch die Welt stürzt
Wie Kieselsteine durch
Das Auge eines Orkans
Ein Bewusstsein, das weint
Und nur selten lacht
Das sich in den Armen
Der Dunkelheit wiegt
Und vom Busen gehörnter
Unterweltengel nährt
Das Stimmungen wie Spinnennetze strickt
Und den gesamten Raum damit füllt
Um alles und jeden darin
Gefangen zu nehmen

Das bin ich

Ich bin ein versinkendes Schiff
Das die Ertrinkenden darin
Nicht los lässt
Ein vages Gefühl von Unbehagen
Das dir nachts den Schlaf raubt
Ein Puppenspieler ohne Puppe
Ein Haus ohne Türen
Ein erloschener Leuchtturm
Der zusieht, wie Schiffe
An den Klippen zerschellen
Ich bin die letzte Grenze
Hinter der nichts zu finden ist
Ich bin das Om in Omega
Ich bin die verborgene Zunge
Griechischer Büsten
Und der letzte Speer
Der Lakedaimonier

Das bin ich

Ich bin der zerrissene Mond
An einem Scherbenhimmel
Das umhergeisternde Echo
Längst verstorbener Bergarbeiter
Die verschüttet und niemals
Gefunden wurden
Ich bin ein titelloses Gedicht
Eine versteinerte Figur
In Medusas Garten
Und die Asche tausend
Verbrannter Tagebücher

Ich bin eine Schwalbe im Nebel
Saturnaut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2014, 13:47   #2
weiblich Atropula
 
Benutzerbild von Atropula
 
Dabei seit: 10/2014
Beiträge: 48

Grüß dich Saturnaut,

ehrlichgesagt weiß ich gar nicht so recht, was genau ich schreiben soll. Das Gedicht 'Eine Schwalbe im Nebel' löst in mir sehr viele Emotionen aus und bringt vor allem viele Gedanken an die Oberfläche. Zunächst erinnert es mich an die Tatsache, dass wir oft nach Idealen streben, die wir aber niemals erreichen können/werden. Wir sins nunmal alle wie wir sind ganz nach den Worten des lyrischen Ichs 'Das bin ich'. Wir sind alle auf unsere Weise 'anders' und 'unnormal', zerrissen, ohne Orientierung, ohne Seele. Es stehen noch mehr gute Vergleiche geschrieben: Ein Puppenspieler ohne Puppe, ein Haus ohne Türen, das Om in Omega. Alles definiert eine gewisse 'Unvollständigkeit' mit der sich das lyrische Ich gleichsetzt/identifiziert. Dazu gehört auch immer Mut und Selbstbewusstsein. Sich so anzunehmen wie man ist, auch wenn man vom Standpunkt der Ideale aus unvollständig und unvollkommen ist.

Ich finde, dass dein Gedicht eine wertvolle Erkenntnis transportiert, die sich jederman zu Gemüte führen sollte. Gerade in der heutigen Gesellschaft ist es von großer Bedeutung, sich so anzunehmen und zu mögen wie man ist, denn anderenfalls wird es einen selbst nur in die Verzweiflung treiben. Man sollte immer dazu stehen, dass man eben mehrere Gesichter hat und gewissermaßen zwiespältig ist. Genau das macht den Einzelnen doch aber auch interessant und tiefgründig. :-)

Gruß, Atropula
Atropula ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2014, 14:21   #3
männlich Der Kontrahent
 
Benutzerbild von Der Kontrahent
 
Dabei seit: 10/2014
Ort: Wien
Beiträge: 59

Lieber Saturnaut!

Ich finde die Worte wie du dein ich beschreibst sehr bewegend und sicherlich für viele von uns Menschen ( ich bin auch absolut dabei) als sehr zutreffend

Der Puppenspieler ohne Puppe trifft es wohl am ehesten, gefällt mir sehr gut und dein ganzes Werk beschreibt sehr wahrhaftig und schwermütig die Perspektivlosigkeit oft bedingt durch die Umstände und den Zeitgeist in den wir eingewoben/eingekettet sind.

Danke für diese wirklich gelungene Schwalbe, hoffentlich findet sie wieder mal Klarheit im Nebel ihrer/unserer Zeit
du sprichst mir wirklich aus der Seele...

Weiters guten Flug und schönen Sonntag

Stefan
Der Kontrahent ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2014, 21:46   #4
männlich Saturnaut
 
Benutzerbild von Saturnaut
 
Dabei seit: 10/2014
Ort: Landau, Pfalz
Alter: 41
Beiträge: 16

Vielen Dank für euer wertvolles Feedback!

Traurigerweise habe ich das Gedicht nicht mit dem Kopf geschrieben. Es gibt keine konkrete Aussage, die ich damit transportieren wollte. Ich habe das Gedicht nur nach meinen eigenen Gefühlen geschrieben. Es ist während meiner letzten depressiven Episode entstanden. Die Orientierungslosigkeit, der fehlende Halt, das Gefühl der Unvollkommenheit, all das hat tatsächlich versucht mich zu verschlingen. Es in einem Gedicht ausdrücken zu können hat mich oben gehalten.

Viele Grüße,
Alex
Saturnaut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2014, 13:22   #5
weiblich Atropula
 
Benutzerbild von Atropula
 
Dabei seit: 10/2014
Beiträge: 48

Hey Saturnaut,

das ist doch wunderbar, wenn du dadurch deine Gedanken nach außen tragen konntest. Ich mache das auch sehr oft und erst im Nachhinein erkenne ich, dass das Geschriebene obendrein einen Sinn ergibt.

Ich kann es auch Freunden und Familie nicht oft genug raten, das was einen zermürbt, aufzuschreiben. Ob wortwörtlich, als Gedicht, als Geschichte, allegorisch... vollkommen egal, hauptsache man verarbeitet es überhaupt. Malen hilft mir auch oft und im Endeffekt kommt es aufs Gleiche hinaus: Man tut etwas Produktives und damit wächst man auch über seine 'Probleme' hinaus.

Viel Kraft und liebe Grüße,
Atropula
Atropula ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2014, 16:51   #6
männlich AndereDimension
 
Benutzerbild von AndereDimension
 
Dabei seit: 06/2009
Beiträge: 3.325

Gibt keinen besseren Ghostwriter als das Gefühl - gut gemacht!

Gruß, A.D.
AndereDimension ist offline   Mit Zitat antworten
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Stichworte
melancholie, schwermut

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