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Alt 10.03.2011, 14:43   #1
Thing
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Standard Der Keiler oder Ein Dosenschicksal

In Bayern war's, die Pilze schossen aus dem Boden.
Kurz vor der Ernte stand der Mais.
Der Himmel weit. Die Flur so heiß,
verbrannt des Grases dichte Soden.

Ab hier versagt sich Reim, versagt sich Syntax.

Eine Wanderschar. Beschwert mit Rucksack, Stock, Fernrohr, festen Schuhen und dummem Lachen: "Wer hat die Würstdos?"
"Hier, mei, gnua!" "Ös Bier?" "Jo mei, da, schaugts her, gnua!"
Schwere Last, auf 21 Rücken verteilt. Gemach gings bergan, gottseidank nicht steil, und "wer hat Dich, Du schöner Wald.."-singend stiegen sie gemächlich weiter. Wie lockte der herrliche Mischwald! Ob man vielleicht Rehe vor die Linse bekäme? Nur Vogelrufe ... oah, wiederama nix.
Fleißig, die Wanderer. Quer waldein. Fröhliche Schar. Wie wurde gesungen, gehechelt, gewitzelt und sich vor Lachen gebogen! "OOOch, hast g'heert..." "derf net woah soi!.." "Ahhh, da pfüats Di, hahaaha "..
Später "jomai, hoaß iß!" - alle: und die Fiaß! O Maß wär grad rechd.. Daas Platzerl, no schaug! is oiser'!...

R a s t !

Stad hat mans gemacht. Kein großes Feuer. Trockne Äste (ist man erfahrener Wanderer? ). Genug, die Würst zu braten. Gottsherrn, hat sich gelohnt, das Lasttragen. Extra feine Würst. Jessaß, und das Bier... na, ned grad kalt , aber wer stellt da schon Ansprüch!
Normales Sonntagmittagveschper: Na was: a Wurscht, a Bier, so baiern wir.
Mir sin a so guad, lossn den vogerln ois brod liagn.Oachkatzerln werns asoiholn.

Und abi? Die Dos'n.Franzl, nimms Du. Ah , geh!! Bin schach, troagst halt selber. Ja mei. Du? Naa! Duu? I aa net, loß alls ...
Abwärts waren die Dosen offensichtlich schwerer zu tragen - sie waen leer. Nicht einer der 21 "Bergwanderer" hat sie eingepackt, mitgenommen. Dosenwürstlldosen. Leer. Zentnerschwer.

Drei Wochen später fand man einen Keiler. Vom Duft der zurückgelassenen Dose angelockt, versuchte er, an den Rest in der Dose zu gelangen.
Der Keilerrüssel , gefangen im Metallrand der Dose, war zerfetzt, zerrissen vom verzweifelten Versuch des Tieres, sich zu befreien.
Die Wildhüter fanden den Kadaver zwei Wochen später: Nicht an den Wunden ging der Keiler zugrunde: er ist verdurstet. Elendiglich.


So geschehen im August 1976
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2011, 14:54   #2
männlich PeterB
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Schrecklich... Der Mensch kann einfach nicht die Folgen seines Tuns abschätzen. Oder will es nicht. Oder ihn interessiert es nicht.

Aber ich denke, es hat sich da seitdem schon etwas verändert. In unserer Gegend (Ostbayern) sind solche Gruppen extrem unbeliebt...

Das arme Tier. Und diese Absurdität: in einer Wurst(!)dose zugrunde gegangen...

P.
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Alt 10.03.2011, 15:10   #3
Thing
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Halli Hallo, Peter B. -

nein, die Ignoranten bleiben.
Ich gehe täglich mit dem Hund meiner alten Mutter spazieren.
Täglich lese ich Plastikmüll auf, den ich dann im gelben Sack entsorge.
Die unglaublichsten dinge werden weggeworfen.
Vögel ersticken daran.

Milky-Way-Verpackungen, Bonbonpapierchen, Zigarettenpackungen incl. Goldpapier, Tetrapackungen mit Strohhalm, ....
entsetzlich. Abgesehen von leeren Plastiktüten. Styroporkrümeln, Getränkedosen.

Wenn es wenigstens nur Papiertaschentücher wären! Die vergehen.
Aber großes Lamento, wenn ein Hundehäufchen den Weg versperrt.

Ich habe immer eine Stofftasche dabei, aber das ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Kein Wunder, wenn man misanthropisch bleibt.

Lieben Gruß!

Thing
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Alt 10.03.2011, 15:19   #4
männlich PeterB
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Du nimmst mir jedwede Illusion, Thing...

P.
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Alt 10.03.2011, 16:16   #5
weiblich Ilka-Maria
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Das ist doch harmlos. Hier zum Vergleich ein paar Daten:

Auf dem Pazifik zwischen Hawaii und Kalifornien bewegen sich Milliarden Plastiktüten, Flaschen, Becher, Einwegspritzen, Folien und Syropor, 1.500 km im Durchmesser, ca. drei Millionen Tonnen schwer. Segler nennen diese Gegend den "großen pazifischen Müllstrudel". Robben und Schildkröten verenden an Plastiktüten, weil sie sie für Quallen halten.

Kunststoff-Pellets: Eissturmvögel verenden zu Tausenden an den Pellets, die ihnen - für Nahrung gehalten - den Magen verstopfen.

Das alles sind Materialien, die kaum zerstörbar und schrecklich billig sind.

Jetzt mal ehrlich: Wer hat noch nie bei MacDonalds einen Burger oder ein Getränk in Wegwerf-Verpackung gekauft?

Und das obige Beispiel bezieht sich nur auf einen Teil des Meeres. Besonders beliebt ist die Entsorgung von Plastikabfall in die Barentsee zwischen Skandinavien und Spitzbergen.

Fachgerechte Entsorgung kostet Geld. Deshalb wäre das einzige Mittel, diesen Wahnsinn aufzuhalten, keine Plastikverpackungen mehr (mit) zu kaufen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2011, 19:46   #6
Thing
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Zu der McDonald und Burger Anti-Fraktion gehöre ich.
War nie bei dem Einen oder Andern.
Plastik entsorge ich sach- und fachgerecht.
Ich werfe keinen Abfall in die freie Natur, abgesehen von Toilettenpapier (immer dabei), falls ich doch einmal zu einem Geschäftchen gezwungen bin.
Oder Zigarettenkippen; ich rauche filterlos.

Thing


Das von der Vermüllung der Meere weiß ich, bereitet mir viele schlaflose Stunden.
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Alt 10.03.2011, 19:59   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zu der McDonald und Burger Anti-Fraktion gehöre ich.
Ich auch, aber indirekt: Ich mag diesen Fraß nicht.

Fachgerechte Entsorgung in den privaten Haushalten ist keine Gewähr für unterlassene Umweltsünden. Bei Überkapazitäten, mit denen sich kein Handel mehr treiben läßt, ist die Versuchung groß, am Gesetz vorbei große Mengen in der "Wildnis" abzuladen. Irgendwo muß der Plastikmüll ja dorthin kommen, wo keine oder wenig Privathaushalte sind.

Es hilft auch nicht, sich ein gutes Gewissen mit dem Sammeln verbrauchter Batterien zu sichern, wenn das Giftzeug nach Afrika transportiert und dort im Boden verbuddelt wird. Hauptsache, wir haben den Dreck los. So ist auch die Denkart der Reichen in den asiatischen Großstädten: Ab mit dem Müll an den Stadtrand, am besten vor die Türen der Ghettobewohner, die dann noch darin herumstochern und vielleicht etwas Brauchbares finden können.

Wenn es ums Geld geht, ist auch in Sachen Müll in Deutschland Korruption an der Tagesordnung: Man erinnere sich an den Kölner Müllskandal.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2011, 20:16   #8
Thing
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Ja, aber als klein-kleiner Bürger steht man einigermaßen hilflos vis-a-vis.
Mehr als Mülltrennung kann ich leider nicht praktizieren.
Ganz ohne Batterie oder Akku gehts leider auch nicht.
Guter Rat ist teuer, zumal das Müllgeschäft ein Milliarden-Geschäft ist.
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Alt 10.03.2011, 20:36   #9
weiblich Ilka-Maria
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Genau. Und deswegen trenne ich keinen Müll. Das ist nämlich - entschuldige bitte - die größte Volksverarschung.

Seit Jahr und Tag gibt es in Deutschland hochmoderne Verbrennungsanlagen mit leistungsfähigen Filtern. Diese Anlagen sind teuer gewesen, können aber durch die Müllpolitik ihre Kapazitäten nicht nutzen. Also muß Abfall aus dem Ausland gekauft werden, um sie rentabel zu machen. Fazit: Die Müllentsorgung wird immer teurer.

Zudem schaffen diese Verbrennungsanlagen alles, Mülltrennung wäre gar nicht notwendig. Das Zeug wird bei so hoher Hitze verbrannt, daß man daraus eine Menge nutzbarer Energie gewinnen könnte.

Die andere Seite der Medaille: Ich empfinde es als Zumutung, Müll in gelben Säcken zwei Wochen bis zur Abholung in meiner Wohnung zu horten und aus dieser eine stinkende Halde zu machen. Klar könnte man die Döschen und Dosen ausspülen, aber ausgerechnet Trinkwasser ist das rarste Gut auf Erden und deshalb für solche Marotten viel zu kostbar; Leute, die mit Wasserwirtschaft zu tun haben, bekommen beim Gedanken ans Ausspülen von Abfallprodukten einen dicken Hals.

Ich kann nicht einsehen, weshalb ich aus meiner Bude eine Müllkippe machen soll, damit irgendwelche Lobbyisten noch mehr Dividende auf ihre Konten gezahlt bekommen. Allein die Tatsache, daß ich gezwungen bin, dieses irrwitzige System in Form des "Grünen Punktes" mitzufinanzieren, schürt in mir Mordgedanken.

Die Deutschen haben neben anderen Nationen schon in vielen Disziplinen Weltmeisterschaften oder Goldmedaillen gewonnen, aber in einer Disziplin sind sie der einsame Weltchampion, nämlich im Verbeugen vor der Gängelei durch vermeintlich demokratisch regierende Politiker.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2011, 23:07   #10
gummibaum
 
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Hallo Thing,

die Geschichte ist gut erzählt. Knorzig durch den Dialekt. Gut skizziert dieser tumbe feucht-fröhliche Wandalismus. (Solche Typen Deutscher müllen -als Touristen- weltweit sehr selbstgerecht.)

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2011, 23:14   #11
Thing
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Halli Hallo, gummibaum!

Das Schlimme an der ganzen Sache ist die Realität.
Ob so oder so erzählt:
Ich winde mich immer noch in Qualen, wenn ich daran erinnert werde.

Thing
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