Freiraum

[Ilka-Maria]

Alt zu werden ist nicht schlimm, dem entkommt niemand. Aber das Verdrängen wird mit den Jahren immer schwieriger. Die Räume werden enger und füllen sich mit Erinnerungen bis zum Bersten. Es ist das Glück der Jugend, freie Räume zu haben.

[Caliban]

Klingt bedrückend, gerade unter dem Hinblick, dass Erinnerungen gemäß dieser Zeilen grundsätzlich verdrängenswert sind.

[Thing]

Halli Hallo -

"Verdrängen" klingt nicht so gesund, d.h. es insinuiert Schlimmes, das nur durch Verdrängen überleben läßt. Also auch keine angenehme Erinnerung bringt.

Es gibt aber Menschen, die sich aus Erinnerungen herrliche Freiräume schaffen, gerade deswegen, weil sie (die Erinnerungen) beglückend sind.

Die jugendlichen, gedanklichen Freiräume stelle ich mir nicht so begeisternd vor im Angesicht der globalen und speziell deutschen (sozialen) Verhältnisse.

Auch leuchtet mir nicht ein, daß im Alter die Freiräume e n g e r werden sollen.
Sie sind, wenn überhaupt, höchstens zeitlich in der Realität eingegrenzt.

Thing

[Ilka-Maria]

Sicherlich ist das individuell verschieden. Ich kenne Menschen, die Meister im Verdrängen und Vergessen sind. Die wundern sich über mich, an wieviele Dinge und Details ich mich noch sehr weit zurückerinnern kann. Wenn ich darüber diskutiere, bekomme ich immer wieder entgegnet, daß das alles nicht wichtig und längst abgehakt sei. Bei mir funktioniert das allerdings überhaupt nicht, ich brauche nur eine Assoziation, und schon läuft in meinem Kopf ein ganzer Film ab. Allerdings muß ich dazu sagen, daß ich den größten Teil meines Lebens in Glück, Zufriedenheit und Sicherheit zubringen konnte.

Würde mich interessieren, wie andere im Forum das Thema des Verdrängens sehen und welche Erfahrungen sie damit haben.

[Thing]

Warum,

Halli Hallo Ilka-Maria -

kommt dann der Ersteintrag von Dir so larmoyant daher?

Thing

[Ilka-Maria]

Es steht doch unter "Sprüche und Kurzgedanken". Ich diskutiere mit Menschen und erfahre ihre Ansichten, das ist alles. Wenn ich darüber einen Spruch schreibe, heißt das noch lange nicht, daß er meine eigene Weltsicht abbildet, allenfalls, daß ich ich bei einer Vielzahl von Menschen eine solche Sichtweise feststelle.

[Thing]

Ach, das ist gar nicht Dein Gedanke (Zitat)?

[Ilka-Maria]

Ich sagte doch: Der Spruch ist eine Quintessenz aus meinen Beobachtungen und Gesprächen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mein Vater hatte sich maximal dreimal dazu bewegen lassen, mir auf Fragen aus seiner Soldatenzeit im 2. WK zu antworten, aber dann waren das auch nur jeweils zwei lapidare Sätze. Er wollte darüber gar nicht mehr nachdenken, weil seine Erlebnisse zu schrecklich waren (er war 17, als er eingezogen wurde). Meine Mutter verfügt dagegen zwar über ein gutes Erinnerungsvermögen, aber trotzdem kommen aufgrund bestimmter familiärer Umstände jetzt plötzlich eine Menge alter Sachen wieder hoch, die jahrelang verschüttet waren - auch diese hatten mit schmerzlichen Erfahrungen zu tun. Meine Jugendfreundin ist ein anderes Beispiel: Sie kann sich weder an einen Namen, noch an ein Gesicht unserer Klassenkameraden erinnern, weil ihr die Schulzeit überhaupt nichts bedeutet hat. So könnte ich noch eine Menge Beispiele bringen - ich kenne sogar jemanden, der ist im Verdrängen der absolute Champion.

Der Spruch ist abolut von mir, aber das heißt nicht, daß ich dem Verdrängen das Wort reden will; vielmehr meine ich zu erkennen, daß man irgendwann, wenn man älter wird, an einen Punkt kommt, wo es mit dem Verdrängen immer schlechter klappt oder von der veschütteten Vergangenheit sogar eingeholt wird.

[Thing]

Halli Hallo Ilka Maria,

da Dein Gedicht als sog. Spruch oder Kurzgedanke eingestellt wurde, auf den zu antworten sich eventuell lohnte,
interessiert mich Dein hier detailliert dargestellter Hintergrund nicht im Geringsten.
Das ist doch Allerweltsschicksal, das in jedem andre Reflexe auslöst.

Da könnt ich Romane in Kurzfassung einstellen!

Ich setze Dein Postulat noch einmal hierher:



Alt zu werden ist nicht schlimm, dem entkommt niemand. Aber das Verdrängen wird mit den Jahren immer schwieriger. Die Räume werden enger und füllen sich mit Erinnerungen bis zum Bersten. Es ist das Glück der Jugend, freie Räume zu haben.


Im Übrigen bist Du auf meinen Kommentar so gut wie gar nicht eingegangen.


Thing

[Ilka-Maria]

Alles sind Allerweltsschicksale, im wahren Leben wie im Roman - was denn sonst? Wenn Dich Einzelbeispiele nicht interessieren, kann ich Dir nichts anderes bieten, und diesen Anspruch habe ich auch nicht, denn dazu sind die Menschen, die ich kenne, viel zu alltäglich und unprätentiös.

[Ex-phönixe]

Hallo Ilka Maria,
ab wann beginnt denn alt?
Ich finde diesen Gedankengang von dir interessant, kann mich aber selber mit der Kernaussage nicht identifizieren,würde aber schon von mir behaupten, zum Oberbegriff alt zu zählen, ( bin 42)

lg phönixe

[Thing]

Hallo Hallo,

eine sehr ausweichende Antwort!
Ehrlicher wäre es gewesen, wenn du geschrieben hättest, dass Du nicht auf meinen Kommentar reagieren magst.

Aber (wie ich mir immer selbst sage):
Ein Jeder wie er kann oder will.

Thing

[Ilka-Maria]

Thing: "Ausweichen" kann man jeder Antwort unterstellen, die einem nicht gefällt - ganz nach Belieben. Das ist eine Sache der rhetorischen Begabung oder Anmaßung.

Phönixe - das kannst Du nicht im ernst meinen! 42! Ich kann mich noch an die Feier meines 40. Geburtstags erinnern, als ich dachte, jetzt fängt das Leben erst richtig an. Und so war es auch. Im nächsten Februar werde ich 60, und die vergangenen 20 Jahre waren so ziemlich die besten, die ich bisher hatte. Und die nächsten werden nicht schlechter, dafür werde ich sorgen.

"Alt" kann man sicherlich nicht nach dem Kalenderalter bemessen, jeder hat seine eigene biologische Uhr, das ist wohl genetisch bedingt. Ich entstamme einer Familie, in der die Menschen lange jünger aussehen, als sie sind, und auch sehr, sehr alt werden. Nicht so alt wie die Leni oder der Juppi, aber sie schaffen es immerhin bis in die 80er oder sogar 90er hinein. Meine Mom ist jetzt 80, und man sieht ihr immer noch an, daß sie einmal eine sehr schöne Frau gewesen ist. Sie hat nie ein "Altengesicht" bekommen, sondern ihre Züge behalten, wenngleich sie jetzt sehr faltig sind. Aber man kann das Mädchengesicht immer noch darin erkennen. Und sie hat auch noch ihre silberhell-jugendliche Stimme. Das kann nicht jeder Mensch jenseit der 70 oder 80 von sich behaupten.

Wann und wie man alt wird und wie sich das äußert, das muß wohl individuell beurteilt werden. Aber 42! Da hat eine Frau doch erst den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Und bis zum Abstieg ist es noch weit. Nee, Phönixe, Du bist nicht alt - Du bist im Gegenteil noch sehr jung. Wenn eine Frau von 42 sich als alt ansieht, dann kann an den Lebensumständen etwas nicht stimmen.

Ich werde 60 und bin noch lange nicht alt.

Lieben Gruß
Ilka-M.

[Thing]

Halli Hallo,

na klar: "Ausweichen" kann man immer unterstellen.
Eben d a s macht ja das Ausweichen aus, wenn man nicht antworten will.
Sich auf ein ursprüngliches Thema und Hinterfragen gar nicht erst einlassen will.
Aber das mag an dem genannten Verdrängen oder den allzu gefüllten Kammern liegen.
(Ohne Spott!!!).

Anmaßung?
Deine Selbsterkenntnis ehrt Dich.

Thing

[Ex-phönixe]

ab wann werden denn dann die Räume enger?
Bei dir liest es sich mit deinem Alter auch noch nicht wirklich nach einengen,oder nicht genug Raum haben,
also wären dein Kurzgedanke ausschliesslich auf Beobachtungen aus deinem Umfeld begründet?

lg phönixe

[Ilka-Maria]

Anmaßung?
Deine Selbsterkenntnis ehrt Dich.

Das Fragezeichen verstehe ich nicht. Da hätte ich ein doppeltes Ausrufezeichen erwartet.

Natürlich bin ich anmaßend. Was denkst Du denn? Das ist doch schließlich jeder, und da will ich doch nicht zurückbleiben. Du doch auch nicht - hab' ich doch längst gemerkt. Wer geht schon freiwillig aus dem Rennen?

[Thing]

Halli Hallo - Ilka Maria -

hier wird doch hoffentlich kein um was auch immer Rennen veranstaltet!
Ächz, keuch!

Schließe bitte nicht von Dir auf Andre , z.B. mich.
Bei "Rennen" mache ich nicht mit.
Das überlasse ich Dir.

Das Fragezeichen war deutlich. Wenn Du es nicht verstanden hast, ist das (für mich) nicht erstaunlich. Die Interpunktion hat ihre Feinheiten.

Nun mal im Ernst:

W o bleibt der Textbezug?


Thing