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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 10.03.2022, 13:17   #1
männlich Walther
 
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Standard Der Krieg. Das Rauschen.

Der Krieg. Das Rauschen.

Das Rauschen der Entlüftung knüpft den Teppich:
Ich lege mich auf ihn und lass mich treiben.
So wie es ist, wird es nicht länger bleiben.
Der Krieg ist nicht zu hören, doch man fühlt ihn,

Man schläft mit ihm, steht mit ihm morgens auf.
Er will mein ganzes Denken einverleiben,
Will meine Hoffnungen zu Angst zerreiben.
Er frisst nicht nur das Lachen. Er frisst uns.

Als wäre vor den Augen schwarzer Nebel,
Trübt sich die Sonne ein, wird Blaues grau.
Denn einer hat ihn umgelegt, den Hebel,

Hat Frieden abgeschaltet. Glücklichsein
Hat er zermahlen. Zu Betongerebel
Zermalmt, was Heimstatt war. Für Groß und Klein.
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Alt 10.03.2022, 21:13   #2
männlich Ex-Tristanhirte
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Sehr schön zu lesen Walther, auch ein wirklich sehr spannendes Reimschema. Der weite Bogen von auf zu grau etwa. Wieder mal sehr fein gestickt.

Ich habe momentan derart viel um die Ohren, dass ich mit dem Thema eigentlich nicht allzu stark in Berührung gerate. Seit kurzem aber gezwungenermaßen: in meinem Hotel (nahe einer zentralen Umverteilungsstelle, ich sehe die Flüchtlinge immer auf dem Weg zur Arbeit) wurden seit Neustem viele Ukrainer einquartiert. 90% gefühlt zutiefst traumatisiert, dort zu frühstücken ist auf eine perverse Art irreal: ich bummel hier mein vergleichsweise sorgloses Leben und die haben grad Gott weiß was gesehen. Heute lief mir im Flur ein etwa 10-Jähriger Junge im T-Shirt mit amputierten, nur noch bis zum Ellenbogen reichenden Arm und anscheinend noch leicht entzündeter Wunde mit einem (verständlicherweise) zutiefst verstörtem, traumatisiertem und orientierungslosem Blick entgegen. Das Bild werd ich auch nicht mehr vergessen. Irre, wie solch ein Geisteskranker (ich bleib dabei) mit Menschenleben umgeht.

Liebe Grüße
Ex-Tristanhirte ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2022, 08:36   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.720

Zitat:
.auch ein wirklich sehr spannendes Reimschema
Hallo Walther,
Hallo Tristanhirte,

ja, das Reimschema st knifflig. Aus unerfindlichen Gründen erinnert es mich an ein Triolett (ich weiß, dass es keines ist).

Eigentlich bleibt einem beim Lesen ein Kloß im Halse stecken... Erst recht bei der geschilderten Begegnung im Hotel von Tristanhirte.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2022, 12:57   #4
männlich Walther
 
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Beiträge: 1.874

Zitat:
Zitat von Tristanhirte Beitrag anzeigen
Sehr schön zu lesen Walther, auch ein wirklich sehr spannendes Reimschema. Der weite Bogen von auf zu grau etwa. Wieder mal sehr fein gestickt.

Ich habe momentan derart viel um die Ohren, dass ich mit dem Thema eigentlich nicht allzu stark in Berührung gerate. Seit kurzem aber gezwungenermaßen: in meinem Hotel (nahe einer zentralen Umverteilungsstelle, ich sehe die Flüchtlinge immer auf dem Weg zur Arbeit) wurden seit Neustem viele Ukrainer einquartiert. 90% gefühlt zutiefst traumatisiert, dort zu frühstücken ist auf eine perverse Art irreal: ich bummel hier mein vergleichsweise sorgloses Leben und die haben grad Gott weiß was gesehen. Heute lief mir im Flur ein etwa 10-Jähriger Junge im T-Shirt mit amputierten, nur noch bis zum Ellenbogen reichenden Arm und anscheinend noch leicht entzündeter Wunde mit einem (verständlicherweise) zutiefst verstörtem, traumatisiertem und orientierungslosem Blick entgegen. Das Bild werd ich auch nicht mehr vergessen. Irre, wie solch ein Geisteskranker (ich bleib dabei) mit Menschenleben umgeht.

Liebe Grüße
Hi Tristanhirte,

danke fürs lesen. dein bericht zeigt, was noch kommen wird. das ist erst der anfang. wir werden noch viel zu sehen und zu hören bekommen, das uns zutiefst erschüttern wird.

das reimschema ist zerbrochen worden. das metrum habe ich bewahrt, es aber in den beiden terzetten unter starken stress gesetzt.

lg W.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Hallo Walther,
Hallo Tristanhirte,

ja, das Reimschema st knifflig. Aus unerfindlichen Gründen erinnert es mich an ein Triolett (ich weiß, dass es keines ist).

Eigentlich bleibt einem beim Lesen ein Kloß im Halse stecken... Erst recht bei der geschilderten Begegnung im Hotel von Tristanhirte.

LG DieSilbermöwe
Hi SilberMöwe,

danke fürs lesen und kommentieren.

ja, was Tristanhirte schildert, ist furchtbar. es kommen stark traumatisierte menschen, die dringend unterstützung benötigten - wie schon 2015. es ist ein verbrechen, menschen in eine solche lage zu bringen.

zum reimschema habe ich etwas gesagt. es ist ein sonett, aber ein besonderes.

lg W.
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Alt 11.03.2022, 13:20   #5
weiblich AlteLyrikerin
 
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Hallo Walther,

ich stimme zu, dass Gedicht ist sehr gut gemacht. Aber für mich ist es zu schön, wenn Du verstehst, was ich meine. Das Verstörende und Zerstörende, das Vernichtende und Bösartige, .... braucht das nicht auch verstörende lyrische Form?

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
AlteLyrikerin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2022, 18:52   #6
weiblich currYLion
 
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Beiträge: 27

Dein Gedicht geht unter die Haut. Danke für's Teilen
currYLion ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2022, 20:36   #7
männlich Walther
 
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Zitat:
Zitat von AlteLyrikerin Beitrag anzeigen
Hallo Walther,

ich stimme zu, dass Gedicht ist sehr gut gemacht. Aber für mich ist es zu schön, wenn Du verstehst, was ich meine. Das Verstörende und Zerstörende, das Vernichtende und Bösartige, .... braucht das nicht auch verstörende lyrische Form?

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
Hallo AlteLyrikerin,
danke fürs lesen und deine überlegungen. das sonett ist gerade deswegen nicht "perfekt".
lg W.

Zitat:
Zitat von currYLion Beitrag anzeigen
Dein Gedicht geht unter die Haut. Danke für's Teilen
Hi currYLion,
danke fürs lesen und mitfühlen.
lg W.
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.03.2022, 15:12   #8
männlich Flocke
 
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Beiträge: 177

Hallo

AlteLyrikerin fragte hier in einem früheren Beitrag:
Zitat:
Das Verstörende und Zerstörende, das Vernichtende und Bösartige, .... braucht das nicht auch verstörende lyrische Form?
Walther ist mit seinem Sonett Der Krieg. Das Rauschen offensichtlich diesen Weg gegangen.
Ich wollte genauer schauen, wie er in seinem Sonett die strengen formalen Vorgaben dieser Gedichtform verändert und ob diese Veränderungen aufgrund des Inhaltes (Kriegsgeschehen) Sinn machen. Im Gegensatz zu vielen anderen betrachte ich Lyrik gerne auch in seinen kleinen Teilen, in kleinen Sequenzen. Ich möchte wissen, wie Sprache funktioniert, gerade auch die poetische.
(Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Wittgenstein)

(1) In der ersten Strophe entspricht der alternierende Rhythmus noch mit dem natürlichen Betonungen der Sätze.
Zitat:
Das Rauschen der Entlüftung knüpft den Teppich.
In den Z 3 und 4 wird zum ersten Mal der Sprechfluss durch jeweils eine Zäsur abgebremst, die durch Kommata repräsentiert wurden. Zwar keine abrupte Verzögerung, aber doch spür- und hörbar.
In der 1 Z der zweiten Strophe folgt eine deutliche Zäsur (wieder in der Höhe des Kommas). Diese drei aufeinanderfolgenden Zäsuren, die über die Strophengrenze hinaus aufeinanderfolgen, werden von mal zu mal nachdrücklicher.
Zitat:
...
So wie es ist, / wird es nicht länger bleiben.
Der Krieg ist nicht zu hören, // doch man fühlt ihn,

Man schläft mit ihm, /// steht mit ihm morgens auf.
(2) Die 3 Z der zweiten Strophe beginnt mit einem (Hilfs)verb.
Zitat:
Will meine Hoffnungen zu Angst zerreiben.
Wie oft lassen sich auch Hilfsverben, die sich in einer Stammform befinden, nur widerwillig unbetont lesen. Als Kompromiss wäre eine schwebende Betonung der ersten beiden Silben denkbar

(3) In der letzten Zeile der 2. Strophe passen das Metrum und die Satzmelodie nicht mehr perfekt zusammen:
Zitat:
Er frisst nicht nur das Lachen. Er frisst uns.
In dieser Zeile finden sich zwei Sätze, die beide jeweils mit der Phrase "Er frisst ..." beginnen.
Dem Metrum nach müsste das Pronomen „Er“ hier am Anfang der Zeile unbetont gesprochen werden. Andererseits fordert die Sonettstrophe allerdings eindeutig, die Zeile mit einer männlichen Kadenz zu beenden. Somit haben wir zwei unterschiedliche Betonungsverhältnisse:
Er frisst nicht … ... Er frisst uns.
Das Pronomen "Er" bezieht sich grammatikalisch auf das Substantiv "Krieg". Semantisch mit so einem kräftigen Kontext aufgeladen, fällt es mir schwer, auch dieses "Er" in dieser Zeile unbetont (und "frisst" betont) zu lesen. Vielleicht aber beschwert sich hier nur allein mein hypertrophes Sprachgefühl.
Aber es gibt noch einen weiteren Effekt, der darauf hinwirken könnte, „Er“ betont zu lesen. Die Phrase "Er frisst" erscheint zwei mal in dieser Zeile. Man möchte hier eine Anapher erkennen. Doch passen die Betonungen nicht zusammen.
Ich will einen kurzen Blick auf das werfen, was beim Lesen innerlich in uns passiert. Wenn ich mir einen Text zu Gemüte führe, dann erfasse, deute und interpretiere ich den Text schon einige Zeit (es mögen ca. 2 sec sein), bevor ich ihn zu artikulieren beginne. Ich lese sozusagen schon mal ein oder zwei Zeilen innerlich probeweise voraus. So kann das Wissen, wie dieses zweite "Er" betont wird, schon auf das erste "Er frisst" einwirken und analog zum zweiten Satz auf das betonte Lesen des Wortes "Er“ im ersten Satz drängen.
Letztlich werden viele Lesern, so nehme ich an, wiederum zu dem bekannten Kompromiss greifen und den beiden ersten Wörtern wieder eine gemeinsame schwebende Betonung geben.

(4) Schauen wir auf einen weiteren strukturbildenden Faktor des Sonetts: auf die besondere Anordnung der Reime. Walther entsagt nämlich einem Teil der traditionellen typischen Reimformen. Er verliert oder er verlässt diese heiligen Stützen des Sonetts.
Zwar finden sich in den beiden ersten Strophen in den beiden mittleren Zeilen derselbe Reim und beide Paare enden auf einer weiblichen Kadenz. Doch da, wo umarmende Reime zu erwarten wären, finden sich keine mehr:
abbc dbbe – so das Reimschema der beiden Quartette.


(5) Ich komme zu den beiden Terzetten und bleibe beim Thema Reim. Auch hier verlässt Walther den Halt und den sicheren Rahmen eines Sonetts.
Die Reimfolge der Terzette lautet:
fgf hfh !
In die 2 Z des ersten Terzetts findet sich auf das Wort "grau" kein Partner. Das „grau“ muss auf Gesellschaft und Verbindung umsonst warten.

Wieder zu dem Tanz der Betonungen, zum Metrum. Ich habe immer noch die gleiche Zeile im Blick.
Analog der 3 Z in der zweiten Strophe würde ich diese Zeile mit einer schwebenden Betonung der ersten beiden Silben lesen:
Zitat:
Trübt sich die Sonne ein,// wird Blaues grau.
Auch tendiere ich dazu, eine Zäsur nach dem Komma zu setzen. Sie findet sich in dem Satzgefüge, das die gesamte Zeile einnimmt, zwischen dem Neben- und dem Hauptsatz.

(6) In der 3 Z der dritten Strophe wird eine kräftige Zäsur auffällig:
Zitat:
Denn einer hat ihn umgelegt, // den Hebel,
Auf inhaltlicher Ebene folgt nach einem Aussagesatz eine Klärung, eine nähere Bestimmung, wer oder was mit dem Pronomen "ihn" eigentlich gemeint ist. Es ist der „Hebel", so der Text.
Zudem macht sich hier auch eine Prise schwarzen Humors
bemerkbar:
Zitat:
"... einer hat ihn umgelegt - den Hebel".
Menschen werden „umgelegt“. „Er“ aber hat den Hebel umgelegt, aber keinen Menschen, betont das lyrische Ich. Aber warum fühlte es sich dazu aufgefordert, überhaupt darauf hinzuweisen. Weil jeder, gerade in Kriegszeiten beim Wort „umlegen“ an Mord, Totschlag und gewaltsames Sterben denkt.

Zum ersten mal in diesem Gedicht steht eine Aussage, die nach dem Dafürhalten des lyrischen Ichs nicht vollständig in einem Satz gefasst wurde. Also hängt das lyrische Ich an diesen Satz, der das Gemeinte offensichtlich nur unzureichend zu fassen vermochte, noch ein Nachwurf.


(7) In den bisher betrachteten drei Strophen zeigt sich eine anwachsende Veränderung, teilweise ein Verlust in den Strukturen, die ansonsten typisch für ein Sonett sind. Weg vom Ideal, ein Teil der strengen Regeln lösen sich auf.
Die Analyse des Sprachrhythmus spürte Zäsuren auf, erst kleine Pausen, später dann Stockungen, die stärkere Zäsuren im Redefluss markierten.
Das Stockende, das sich über das Metrum legte, die Kompromisse im Metrum, die Notwendigkeit, auf semantischer Ebene Inhalte noch nachzureichen, zeigen, wie die gewohnte soliden Strukturen ihre stützenden Charakter verlieren. Das Sonett zeigt sich in einem angefassten Zustand.

(8) In der letzten, der vierten Strophe nun fällt die Grammatik in eine einfache Struktur. Zudem entfalten ausdrucksstarke Begriffe ihre Wirkung, indem sie Bilder schrecklichen Leids hervorrufen.
Zitat:
Hat Frieden abgeschaltet. Glücklichsein
Hat er zermahlen. Zu Betongerebel
Zermalmt, was Heimstatt war. Für Groß und Klein.
Die Wörter in dieser Strophe können nur mühsam und unvollständig in ihrer syntaktischen Ordnung gehalten werden:
Z 1 der letzten Strophe beginnt mit einem grammatikalisch unvollständigen Satz. Das Subjekt des Satzes findet sich in der vorherigen Strophe: "Einer". Der nächste Satz reicht bis in die nächste Zeile (Enjambement): "Glücklichsein hat er ..."
Es folgt ein unvollständiger Satz mit Enjambement: "Zu Betongerebel Zermalmt..."
Ebenso unvollständig der letzte Satz: "Für Groß und Klein."
Kurze Sätze, einige ohne Subjekt. Sie wirken fast wie Ausrufe, wie Zeichen von Fassungslosigkeit.

Ein Blick noch auf die Bilder.
Zermalmt“, „zermahlen“ deuten auf das unmenschlich große Ausmaß an Vernichtung und Auslöschung. Sie lassen die Intensität der eigenen Ohmacht ahnen.
Die altertümelnde Vokabel der "Heimstatt" zeigt die tiefe Sehnsucht nach Heimat, nach Wärme und Geborgenheit und nach der Nähe zu geliebten Menschen.
Und was bedeutet:"Betongerebel"?
Ich gebe zu, dass ich zwar "gerebelten Parmesan" kannte, aber "Betongerebel" rief in mir keine Resonanz, keine Gefühlsqualität hervor. Was sollte dieser Begriff im Kontxt eines Krieges?
Ich habe gegoogelt und fand das frühneuhochdeutsche Wort "gereb", das "die oberen Eingeweide, Herz, Lunge, Leber, Milz des geschlachteten Tieres" bezeichnete.
Mit diesem neuen Wissen änderte sich in einem eminenten Maße mein Empfinden, wenn ich an diesen Begriff dachte oder ihn hörte. Der Begriff wurde in meinem Verständnis zu einer überaus kräftigen und lebendigen Metapher, die ganz handfest, sinnlich und direkt auf einen schrecklichen Krieg verweist.

Die syntaktischen Deformationen und die kräftige Bildsprache in der 4. Strophe spiegeln das Empfinden, dass ein grundlegende Sicherheitsgefühl verloren gegangen ist. Das lyrische Ich steht unter größter Anspannung und befindet sich im Schockzustand.

___________________________


Das Sonett bietet auch in diesem Gedicht die Möglichkeit, dem Schrecken angemessen in einer passenden Form darzulegen und inhaltlich erfahrbar zu machen. Es ermöglicht sozusagen dem Schrecken und dem Leid eine stimmige Ausdrucksmöglichkeit.
Das Reimschema, die Zeilen- und die Strophenanzahl mögen angegriffen und nicht "perfekt" sein, aber sie helfen immer noch als konstituierende Faktoren, das Sonett zu gestalten. Und auch das Metrum folgt im wesentlichen, auch wenn es durchsetzt von kräftigen Zäsuren ist, dem klassischen Vorbild. Es bleibt im Takt!

Walther sprengt m.E. nicht den strengen Rahmen eines Sonetts, aber er testet seine Belastbarkeit. Gerade in der letzten Strophe klopfen heftige Bilder und zerrupfte Syntax an die Formgrenzen, sowie eingesperrte Ratten in einem Käfig toben und nur mit Mühe am Ausbruch gehindert werden können.
Oder wie Walther es selbst sagt:
Zitat:
das reimschema ist zerbrochen worden. das metrum habe ich bewahrt, es aber in den beiden terzetten unter starken stress gesetzt.
Grüße Flocke


__________________________________________________ _______

PS
Jetzt habe ich einen ganzen Sermon geschrieben. Ich verstehe aber immer noch nicht den Eingangssatz des Gedichtes:
Zitat:
„Das Rauschen der Entlüftung knüpft den Teppich.“
Es tut mir leid, mir fehlen zu diesem Satz sinnstiftende Assoziationen, Bilder oder vielleicht auch nur das richtige Wissen. Und so fand ich keinen leichten, antrengungslosen Einstieg in diese Welt des Gedichtes. Was verstehe ich an dieser Stelle nicht?

Geändert von Flocke (12.03.2022 um 21:34 Uhr)
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.03.2022, 18:41   #9
männlich Walther
 
Benutzerbild von Walther
 
Dabei seit: 03/2013
Beiträge: 1.874

Hi Flocke,

ganz superherzl. dank! man kann als autor schlecht selbst erklären, warum man was wie gemacht hat. das käme sehr oberlehrerhaft daher und würde interpretationsräume einschränken. ich werde zu deinem kommentar noch ausführlicher stellung nehmen.

zum ps:
Zitat:
Jetzt habe ich einen ganzen Sermon geschrieben. Ich verstehe aber immer noch nicht den Eingangssatz des Gedichtes:
Zitat:
„Das Rauschen der Entlüftung knüpft den Teppich.“
Es tut mir leid, mir fehlen zu diesem Satz sinnstiftende Assoziationen, Bilder oder vielleicht auch nur das richtige Wissen. Und so fand ich keinen leichten, antrengungslosen Einstieg in diese Welt des Gedichtes. Was verstehe ich an dieser Stelle nicht
stelle dir vor, du säßest in einem gewerbegebiet an einem offenen bürofenster, und neben deinem gebäude steht die halle eines lackierers. das reale leben ist an profanität nicht zu überbieten. man traut es sich autor und leser aber fast gar nicht, diese gegensätze auch nur zu denken. man muss sie erleben. der autor hat das gedicht genau an dieser örtlichkeit geschrieben.

lg W.
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