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Alt 27.02.2010, 21:15   #1
männlich Kurt
 
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Standard Ein wirklich opulentes Frühstück.

(Eine wahre Geschichte)

Als ich an diesem Morgen beim Frühstück saß, stellte sich heraus, dass ich meiner Schätzung nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der einzige Übernachtungsgast in dem Gasthaus war.
Am Vortage waren meine Begleiterin und ich nach unserem Tages-Radtouren-Pensum noch spät am Abend auf Herbergs-Suche durch Ortschaften gezogen, was sich als recht stressig erwies, da sie schier unerfüllbare Forderungen an die Unterkunft stellte.
Wie in der Bibel beschrieben klapperten wir wie Maria und Josef Herberge für Herberge ab; und Mitternacht rückte immer näher.
Einigermaßen genervt von der Abklapperei sagte ich schließlich bei einem einfachen, jedoch einen recht ordentlichen Eindruck machenden Gasthaus zu, obwohl auch dieses Gasthaus nicht den Zuspruch meiner Begleiterin fand. Es war gegen halb acht und das Zimmer sollte, da es noch nicht fertig war, immerhin um 20 Uhr fertig sein. Zeit genug also, meine Mitradlerin noch etwas auf ihrer weiteren Suche zu begleiten, wobei ich mir vornahm, nicht stur um 20 Uhr bei meiner Unterkunft einzutreffen, sondern eine halbe Stunde zuzugeben. Meine Kalkulation ging dahin, dass nach dieser weiteren Zeitzugabe das Zimmer bestimmt fertig sein müsse, was sich jedoch als Fehlkalkulation erwies.
So wurde mir bei meiner Ankunft bedeutet, bis zur Fertigstellung des Zimmers doch ein Abendessen einzunehmen, was ich dann auch befolgte. Ich stellte also mein Fahrradgepäck an einer von mir einsehbaren Ecke ab und aß, verschwitzt wie ich war, zu Abend, was ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten war.
Zu der von mir angesagten Zeit erschien ich am nächsten Morgen zum Frühstück, wobei sich dann die schon anfangs bemerkte Tatsache herausstellte.
Der diensthabende Angestellte hatte meinen Platz schon hergerichtet. Er mochte so etwa 40 Jahre alt sein und hatte ein "versoffenes" und "verrauchtes" Gesicht. Es war aber der leibhaftige Chef, wie sich später noch herausstellen sollte.
Wie schon erwähnt, war mein Frühstücksplatz hergerichtet: Tasse, Besteck, Serviette, Brotkorb mit Brot, Brötchen, Brezeln und noch vieles mehr. Als ich Platz genommen hatte, trug er mit schier unglaublicher Geschwindigkeit noch alles herbei, was man sonst bei einem Selbstbedienungs-Frühstücksbüffet noch alles findet: Käse, Wurst, Marmelade, Honig, Cornflakes, Eier, Schinken, Gürkchen, Säfte, Müsli, Quark, Tomaten, Knäckebrot, Joghurt und was weiß ich noch alles. Mein ganzer Frühstückstisch war voll beladen.
Ich saß also alleine an diesem Frühstückstisch und er saß auch alleine an einem Tisch, scheinbar mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt. Er saß rechts von mir, etwas nach hinten versetzt, wobei er mich voll in der Blickrichtung hatte. Ich hätte, um zu ihm zu sehen, mich um über 90 Grad, schätzungsweise 105 Grad, nach rechts drehen müssen.
Mein nicht unbegründeter Verdacht war, dass er mich beobachten wollte. Was würde ich wohl mit dem voll beladenen Tisch anfangen? Würde ich sinn- und planlos nach diesem und nach jenem greifen? Wäre meine Zusammenstellung chaotisch, unappetitlich und nicht zusammenpassend, wie man das oft bei vielen Frühstückern in einem Hotel beobachten kann? Würde ich eine Tomate, dann Marmelade und dann etwas Schinkenbrot essen? Vielleicht ein Ei, dann Honig und anschließend Gürkchen? Würde ich ein Käsebrötchen, dann anschließend eines mit Honig und dann noch ein Müsli zu mir nehmen? Würde ich mich ob all der Sachen hinreißen lassen und mich vollstopfen, so dass ich an diesem Tage keine weitere Mahlzeit mehr benötigte? Würde mir danach eventuell sogar schlecht werden und ich müßte mich übergeben? Würde ich vielleicht sogar mal Zucker mit Salz verwechseln? Wie lange würde sich mein Frühstück überhaupt hinziehen?
Ungeachtet seiner Inszenierung hatte ich ihm jedoch das Spektakel dahingehend verdorben, dass ich meine normale Hotel-Frühstücksration zu mir nahm, die aus zweieinhalb Tassen Kaffee, zwei Brötchen mit Butter und Marmelade und einem kleinen Glas Orangensaft bestand.
Dass er der leibhaftige Boss war, stellte sich übrigens bei der Begleichung des Übernachtungs-Honorars heraus.
Auf meine übliche Mitnahme einer kleinen Wegzehrung, die bei Radtouren normalerweise aus einem einzigen Wurst- oder Käsebrötchen besteht, musste ich allerdings wegen der Beobachtungs-Inszenierung leider verzichten.
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