Neunzig-plus

[Ilka-Maria]

Hundert Jahre Lebenszeit,
die hätten wir gern voll;
schaffen wir es nicht so weit;
sind neunzig Mindestsoll.

Teuer kommt uns jedes Jahr,
doch zahlen wir den Preis,
nüchtern ahnend: Sonnenklar,
das ist für nichts Beweis.

Tag um Tag derselbe Kampf
um nackte Existenz,
Pillen, Sport und Saunadampf
und Speiseabstinenz.

Tapfer gehen wir den Weg
zum ersten Herzinfarkt,
selbst der ärztliche Beleg
auf Krebs hält uns noch stark.

Endlich schlägt uns die Demenz,
die, wie ein jeder weiß,
uns Alte trifft mit Vehemenz,
und sie diktiert den Preis.

28. Februar 2010
© by Ilka-M.

[Rena]

Liebe Ilka,

wenn der einzige Inhalt des Tages der Kampf um die Existenz ist, dann möchte ich niemals so alt werden.
Denn das ist doch kein Leben mehr, das lebenswert ist.

Liebe Grüße von Rena

[Ilka-Maria]

wenn der einzige Inhalt des Tages der Kampf um die Existenz ist, dann möchte ich niemals so alt werden.

Liebe Rena,

das ist es für die Menschen aber immer gewesen - auch ohne Krankheit.

Im Augenblick bin ich durch die Frau meine Bosses mit dem Thema Demenz beschräftigt. Es hat sie in einem relativ jungen Alter erwischt: Alzheimer, einhergehend mit Parkinson. Ist bei ihr genetisch bedingt, ihr Vater hatte es auch.

Ob ihr Leben noch lebenswert ist, hängt alleine vom Wohlstand ab. Mein Boss kann es sich leisten, seine Frau rund um die Uhr von zwei Pflegekräften betreuen zu lassen. Sie genießt mehr Aufmerksamkeit als je zuvor in ihrem Leben, ist sich über ihren Zustand nicht im klaren und vollauf zufrieden, die Vergangenheit ist sowieso weggewischt.

Auch wenn es manche Romantiker nicht wahrhaben wollen: Geld macht eben doch glücklich. Ohne dem käme nur ein Heim in Frage, und wie es da zugeht, ist hinreichend bekannt.

LG
Ilka-M.

[Rena]

Liebe Ilka,

ich wollte eigentlich ausdrücken, dass gelebte Tage mehr als nur ein Kampf sein sollten.
Glück, Genuss, Freude, Lachen, positive Empfindungen z. B. gehören doch auch zum Erleben eines Tages dazu.

Natürlich ist gerade in der heutigen Zeit für sehr viele Menschen der Kampf um die Existenz vorrangig - und da denke ich jetzt an deinen Satz: Geld macht glücklich - und stimme dir zu.
Mit ein wenig mehr Geld zum Leben würde auch wieder Freude am Leben aufkommen können.

Und dass der alte und sehr kranke Mensch heutzutage viel Geld braucht, um noch lebenswert seinen Lebensabend zu verbringen (egal, ob er es bewusst miterlebt), ist leider eine bittere Tatsache.

Liebe Grüße von Rena