Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Düstere Welten und Abgründiges

Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 09.08.2013, 01:22   #1
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Standard 1916

Im Westen? Nichts Neues. Nur Trichter im Land,
geborstene Granaten.
In Ästen die Därme, am Weg eine Hand
zerrissener Soldaten.

Was fragst du? Man stirbt. Wie sinnlos ist das.
Oft Hunderte die Stunde.
Und denen, die rückkehren werden vom Gas,
erstarb das Wort im Munde.
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.08.2013, 07:35   #2
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard Lieber gummibaum -

Das ist ebenso schaurig wie gut gesetzt.


Herzlichen Morgengruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.08.2013, 10:24   #3
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hallo, gummibaum,

du erinnerst hier an den erstmaligen Einsatz von chemischen Kampfstoffen im ersten Weltkrieg, der sich immer weiter hochschaukelte.
Von deutscher Seite aus: erster grausamer mengenmäßiger "Höhepunkt": Januar 1916 (Reims) - 500 Tonnen Chlor. Später wurde Phosgen beigefügt und an der Westfront gegen französische Soldaten eingesetzt. (Mai 1916)

Wie du das machst, in so wenigen Worten, aber Schlüsselworten, (mit Trichtern sind sicher die Grannateneinschusslöcher gemeint) find ich ganz stark.
Das ist Ver-dichtung, Herausarbeiten einer Kernaussage mit Worten, die noch genug Platz für Assoziationen lassen.

Kompliment! Grausam, wie gut!

lieben Gruß,
simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.08.2013, 11:26   #4
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Ja,
und auch an den aufwühlenden Kurzroman von E. Kramer (Remarque) erinnernd.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 07:22   #5
männlich Phönix-GEZ-frei
 
Benutzerbild von Phönix-GEZ-frei
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Erstwohnsitz: Der Himmel, ein Schneeweißes Wolkenbett
Alter: 63
Beiträge: 1.722

Still ist mein Herz,
nur noch weinen
ob all der Mütter
ihre Kinderfrucht
im Leibe trugen

Treu sie standen
Herzens-bluten
jener Stunde
jenem Orte
wo des Mensch
seins - fort


Es erschlägt mich!

Ich schenke alle Liebe die ich noch in mir finde, aus Trotz, zum TÖTEN!
Phönix-GEZ-frei ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 09:53   #6
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo simba,

gut, dass du Historisches nachgefüttert hast. Schon der wissenschaftliche Ergeiz in der Kampfgasforschung war so verwerflich. Man wusste, welche Qualen man anrichtet und war sich nicht zu schade, noch Ehrungen anzunehmen.


Hallo Thing,

Remarque hat es beschrieben. Auch der dritte Vers zitiert den Roman fast wörtlich.


Hallo Phönix-GEZ-frei,

viele Soldaten waren ja noch ahnungslose Kinder und die Mütterhände plötzlich unvorstellbar leer.



LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 10:01   #7
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen

Remarque hat es beschrieben. Auch der dritte Vers zitiert den Roman fast wörtlich.




LG gummibaum
Ja, ich weiß.
Es war eines der ersten "Erwachsenenbücher", das ich las. Kam bei rororo heraus.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 10:59   #8
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Nicht schlecht so. Es sitzt das Grauen tiefer und macht auch für Schönes empfänglicher.
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 11:06   #9
männlich Phönix-GEZ-frei
 
Benutzerbild von Phönix-GEZ-frei
 
Dabei seit: 06/2012
Ort: Erstwohnsitz: Der Himmel, ein Schneeweißes Wolkenbett
Alter: 63
Beiträge: 1.722

Ich gehe in meinen Gedanken weiter und sehe die Gaskammern des Zweiten
Vernichtungskrieges gegen alle Menschlichkeit. Dort wo sie Experimentierten
um am Ende Massenhaft Individuen, Empfindungs volles Leben vernichteten
für ihren Verbrecherischen Größenwahn der in jedem Land auf diesem Planeten zu finden ist.


Selbst hier Herrscht der Wahnsinn! Schaue genau, es ist nur einer unter vielen, im anderem Mantel. Ich nenne ihn Uli. R.

LG Phönix
Phönix-GEZ-frei ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 16:44   #10
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.087

Die erste Strophe ist reißerisch ("Gedärme in den Ästen"?) und mir trotzdem nicht drastisch genug. Der verstümmelte Tote am Boden ist für mich bedrückender als zerstreute Leichenteile, von denen ich nicht weiß, wem sie gehörten. Ein Toter ist dagegen immer noch als Mensch wahrnehmbar, mit oder ohne Eingeweide.

Aber die zweite Strophe geht unter die Haut. Da kommen Menschen zurück, körperlich und geistig bis zum Tode gezeichnet. Die sind noch da, aber fertig ... und das hast Du auf den Punkt gebracht.

LG
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 19:56   #11
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo Ilka,

"Gedärme in den Ästen" steht im Roman. Aber du hast recht, das Leiden der noch Lebenden wirkt stärker. Ich will das Gedicht im Moment nicht ändern, dich aber gern mit dem folgenden Ausschnitt bestätigen. LG gummibaum

“Wir sehen Menschen leben, denen der Schädel fehlt; wir sehen Soldaten laufen, denen beide Füße weggefetzt sind; sie stolpern auf den splitternden Stümpfen bis zum nächsten Loch; ein Gefreiter kriecht zwei Kilometer weit auf den Händen und schleppt die zerschmetterten Knie hinter sich her; ein anderer geht zur Verbandstelle, und über seine festhaltenden Hände quellen die Därme, wir sehen Leute ohne Mund, ohne Unterkiefer, ohne Gesicht….”

(Im Westen nichts Neues)
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 21:40   #12
männlich Ex Chip
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2013
Beiträge: 101

Und denen, die rückkehren werden vom Gas,
erstarb das Wort im Munde.

Damit hab ich irgendwie Probleme
Im ersten Vers steht das etwas nach der Rückkehr passieren wird, im zweiten Vers steht das Zukünftige Geschehen aber schon in der Vergangenheit.
Kann mir das einer erklären bitte?
Ex Chip ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 21:46   #13
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Ganz simpel:

Das Gas zerstörte die Lungen.
Wessen Lunge zerfressen ist, kann nicht mehr viel an Lauten von sich geben,
wer aus dem Grauen zurückkam, war auch ohne Gasvergiftung oft stumm geworden.

Der Unterschied zwischen WKI und WKII darf nicht übersehen werden.
Die "Heimat" war im WKI nicht auf das gefaßt, was an der Front (der erste Stellungskrieg) geschah.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2013, 21:53   #14
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Ich glaube, es ging Chip um die Zeitenfolge, Thing. Ansonsten sind die Erklärungen natürlich gut.

Imperfekt vertritt hier das wenig poetisch klingende Futur II: wird das Wort im Munde erstorben sein.

LG g
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für 1916




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.