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Alt 30.07.2017, 17:11   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Unter der Wittelsbacher Brücke: Verzauberte Nacht (Teil 11)

Unter der Wittelsbacher Brücke – Verzauberte Nacht, Teil II – Tina sucht die Liebe, Teil 11

„Dann kann man ja gespannt sein. Kurt hat ganz schön viel drauf.“
Nach dieser lapidaren Bemerkung verfiel Hendrik in Schweigen, und auch Tina sagte erst einmal nichts mehr, bis sie am Flussufer unter der Wittelsbacher Brücke angekommen waren. Hier waren noch mehrere Leute unterwegs – händchenhaltende Liebespärchen, aber auch einzelne Spaziergänger, Jogger und Fahrradfahrer.
„Komm, wir setzen uns ein wenig hin“, schlug Hendrik vor, und sie setzten sich zusammen ins Gras, nicht weit vom Ufer entfernt. Hendrik merkte, dass ihn die Nähe des Mädchens nervös machte. Um dies zu überspielen, hob er einen Kieselstein auf und ließ ihn übers Wasser hüpfen, er sprang viermal auf, ehe er in der Isar versank. Tina lachte.
„Das mache ich auch gerne.“ Flugs hob sie ebenfalls einen Stein auf und ließ ihn übers Wasser hüpfen, aber dieser Stein setzte nur einmal auf, ehe er versank.
„Pech gehabt.“ Jetzt lachte Hendrik.
„Ja, du hast gewonnen. Dieses Mal.“
„Moment.“ Hendrik sah sich suchend nach einem besonders flachen Stein um und entdeckte ein schönes Exemplar einige Meter weit entfernt. Er rollte ein wenig herum, um den Stein zu greifen und bemerkte nicht, dass ihm bei dieser Bewegung sein schwarzes Notizbuch aus der Hosentasche fiel, wohl aber Tina. Sie griff danach und reicht es ihm.
„Ich glaube, das hast du gerade verloren.“
„Oh ….verdammte Scheiße …. äh, ich meine, danke.“
Hastig griff Hendrik nach dem schwarzen kleinen Buch und versenkte es in seiner Hosentasche.
„Gut, dass du das gemerkt hast. Das darf ich auf keinen Fall verlieren.“
„Was ist es denn?“
„Ein sehr wichtiges Notizbuch“, erwiderte Hendrik und ärgerte sich im gleichen Moment, dass er das überhaupt ausplauderte. Schließlich ging das niemanden etwas an und man wusste nie, wer was wie hintenrum erzählte. Diese bittere Erfahrung hatte er an seiner alten Schule bereits machen müssen, selbst bei Leuten, von denen er dachte, dass sie seine Freunde seien und er war nicht im geringsten scharf darauf, sie nochmals zu wiederholen. Ob er nun jemanden gut oder nur oberflächlich kannte wie diese Tina, er hatte sich vorgenommen, stets misstrauisch und auf der Hut zu sein.
„Für die Schule?“
„Jaja, was denn sonst.“
Hendriks Antwort war eindeutig als abwehrend einzustufen, aber Tinas Neugier war geweckt.
„War es das, weswegen du unbedingt nochmal ins Theater wolltest? Wenn es bloß für die Schule ist? Das hättest du auch morgen holen können, sowas klaut doch keiner.“
„Nee“, sagte Hendrik und beschloss, zum Angriff überzugehen. Er kannte diese Fragerei der Mädchen. Tina würde – genau wie alle anderen Mädchen in dieser Situation – nicht locker lassen und ihn gnadenlos ausfragen. Darauf hatte er keine Lust, aber auch nicht darauf, deswegen einen Streit anzufangen und die wunderschöne Nacht womöglich in einem kleinen Eklat enden zu lassen. Das galt es zu verhindern. Nun, wofür war er Schauspieler und liebte das Theaterspielen.
Vielleicht war es nicht fair, was er jetzt vorhatte, aber es erschien ihm als die einzige Möglichkeit, Tina von seinem Notizbuch abzulenken. Er stütze sich auf und sah ihr in die Augen.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wunderschöne Augen hast?“
Wäre Tina in diesen Dingen ein wenig erfahrener gewesen, hätte sie gewusst, das dies ein nicht gerade sehr origineller Spruch war, um sie anzumachen, und sich vielleicht nicht weiter beeindrucken lassen. So aber erzielte Hendrik die gewünschte Wirkung: Sie sah ihn ein wenig verwundert, aber geschmeichelt an und antwortete dann: „So direkt eigentlich nicht.“ Schon gar kein so gutaussehender Junge, fügte Tina für sich in Gedanken hinzu.
„Dann haben alle anderen Jungs keine Augen im Kopf.“ Hendrik lächelte. Das Notizbuch war offenbar vergessen.
Tina antwortete nicht. Dieser Moment war viel zu schön, um ihn mit nichtssagenden Worten kaputt zu machen. Sie wartete einfach ab, was Hendrik als Nächstes tun würde und musste nicht lange warten. Sachte nahm Hendrik eine Strähne ihrer langen braunen Haare in die rechte Hand und wickelte sie sich behutsam um den Finger.
„Oh meine schöne Julia“, flüsterte er leise, dann ließ er abrupt die Haarsträhne wieder los und setzte sich auf.
„Ich fände es toll, wenn wir beide Romeo und Julia spielen würden.“
„Ja, ich auch.“
In diesem Moment klingelte Tinas Handy, aber sie war viel zu vertieft in den Augenblick, um direkt zu reagieren, bis Hendrik nach dem vierten Klingeln fragte: „Willst du nicht dran gehen?“
„Doch, doch.“
Tina seufzte und kramte das Handy hervor. Ihre Mutter war dran.
„Sag mal, wo steckst du denn? Es ist schon ganz schön spät. Dein Vater und ich warten schon seit einer Stunde auf dich.“
„Ich war im Theater.“
„Solange? Ich hab ja deine Nachricht gelesen, aber so spät wird es doch sonst auch nicht.“
„Wir waren noch spazieren. Ich komm gleich heim.“
Tina legte auf und ärgerte sich. Mussten Eltern sich immer einmischen, wenn man es aber auch überhaupt nicht gebrauchen konnte?
„Das war meine Mutter, ich muss nach Hause.“
„Dachte ich mir schon. Dann komm, ich hab ja versprochen, dich nach Hause zu bringen, es ist auch wirklich spät.“
Sie standen auf und Hendrik brachte Tina wie versprochen vor ihre Haustür, hielt sich aber nicht mehr lange dort auf.
„Dann bis dann“, sagte er.
„Ja, bis morgen. Oder so. Tschau.“

Als Tina später im Bett lag und über den Abend nachdachte, merkte sie, dass sie jedes Mal ein seltsames Gefühl überkam, wenn sie an Hendrik dachte. Als ob er auf einmal der Mittelpunkt ihres Lebens wäre, dabei hatte sie ihn doch noch vor einer Woche überhaupt nicht gekannt! Den Fragen ihrer Eltern war sie, so gut es ging, ausgewichen, hatte behauptet, sie wäre noch mit Cassie und ein paar anderen spazierengegangen und hatte Hendrik überhaupt nicht erwähnt. Wie es wohl war, ihm jetzt wieder gegenüber zu treten?
„Oh meine schöne Julia....“ Hendriks Worte klangen ihr noch im Ohr, als sie tief und fest einschlief.

Hendrik beeilte sich, nach Hause zu kommen. Für diesen Tag hatte er Aufregungen genug gehabt und wenn er sich nicht sehr irrte, hatte er es jetzt auch noch geschafft, dass sich diese Tina in ihn verliebt hatte. Nun, darauf hatte er es ja auch eigentlich auch angelegt, oder nicht? Eine kleine mahnende Stimme in seinem Kopf tadelte ihn, dass er dies nur aus eigennützigen Beweggründen inszeniert hatte. Und wenn schon! Sie hatte sein Notizbuch vergessen und würde ihn danach nicht mehr fragen, das war das einzige, was zählte.
Aber er konnte nicht verhindern, dass ihn ein schlechtes Gewissen doch ein wenig quälte. Er hatte nicht vorgehabt, sich zu verlieben und auch nicht, ein Mädchen in sich verliebt zu machen. Er hatte doch mit ganz anderen Dämonen zu kämpfen.

- Fortsetzung folgt -






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DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 04.08.2017, 17:26   #2
wolfgang
 
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 223


Hallo Silbermöwe,

flüssig erzählt. Macht neugierig auf mehr. Fortsetzungen schreibe ich - noch keine - neige eher zu abgeschlossenen Geschichten. Derzeit schreibe ich viele Anekdoten, das liegt mir, weil ich so üben kann, auf den Punkt zu kommen.

Bis dann!

Wolfgang
wolfgang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.08.2017, 12:33   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687


Lieber wolfgang,

es freut mich, dass du meine Geschichte gelesen hast. Wenn du möchtest, kannst du ab Teil 1,"Tina sucht die Liebe" mit dem Lesen beginnen, das hier ist bereits Teil 11, leider passte der komplette Titel nicht in die Überschrift. Unter den anderen Teilen habe ich paarmal erzählt, wie es zu der Fortsetzungsgeschichte kam, da kann man es nachlesen. Es ist auch meine erste Fortsetzungsgeschichte.

Ich lese übrigens gerne kurze (oder auch längere) abgeschlossene Geschichten und freue mich, dass mit dir ein weiterer User hier ist, der Geschichten schreibt.

LG DieSilbermöwe
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