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Alt 13.03.2019, 13:32   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Jemand ganz anders

Ilse ist anders als ich. Ganz anders. Wir gingen zusammen in die Grundschule. Sie hatte zwar schlechtere Noten als ich, aber ein wesentlich größeres Selbstbewusstsein. Nie wäre ihr eingefallen, an sich zu zweifeln. Als wir beide in die Pubertät kamen, wurde ich groß und schlank, Ilse dagegen blieb klein und rundlich. Aber nicht nur äußerlich waren wir verschieden. Ich verliebte mich nie, sondern wartete ab, bis sich ein Junge mal in mich verliebte. Ilse dagegen war dauernd verliebt, aber sie fing es immer sehr ungeschickt an. Anstatt sich zu bemühen, den Jungs zu gefallen, erzählte sie erst einmal der ganzen Clique, dass sie sich verliebt hatte. Also wusste es jeder, vermutlich auch der betreffende Junge, und so wurde nie eine wirkliche Liebesgeschichte daraus. Aber Ilse schien mit diesen unerfüllten Lieben zufrieden zu sein. Heute denke ich, damals war sie eine von den Leuten, die unglückliche Liebe glücklicher macht als glückliche. Aber das legte sich irgendwann, spätestens dann, als Ilse ihre große Liebe, Klaus, kennenlernte. So ein verliebtes Paar hatten wir noch nicht gesehen. Es war unmöglich, einen von beiden alleine anzutreffen und falls doch, war jedes zweite Wort "Ilse", wenn Klaus sprach und "Klaus", wenn Ilse sprach.
Es haute mich regelrecht um, als dieses Traumpaar sich dann tatsächlich trennte. Warum, erfuhr ich nicht wirklich, damals war ich nur noch sehr locker mit Ilse befreundet.
Ein Jahr verging und ich traf Klaus irgendwann mal in der Kneipe. Eigentlich hatte ich gar keine Lust, lange mit ihm zu reden, unsichtbar stand da immer noch Ilse neben ihm und das machte ihn uninteressant. Doch er lud mich ein und es wäre wohl unhöflich gewesen, abzulehnen. So saß ich in der Kneipe neben ihm und hörte ihm höflich zu, denn ich selbst hatte nichts zu sagen und musste mir außerdem ständig Fragen nach Ilse verkneifen.
Ich weiß gar nicht mehr, was er alles erzählte. Jedenfalls fragte er mich, ob ich ihn noch einmal wiedersehen wolle. Ich wollte nicht unhöflich sein und sagte ja, obwohl ich keine Lust hätte. Ilse hätte sicher jemanden abblitzen lassen, auf den sie keine Lust hatte. Auch in diesem Fall war sie ganz anders als ich.
Dann traf ich Klaus noch ein paarmal, der ersten Einladung folgten weitere. Schließlich fand ich ihn gar nicht mehr so übel. Er sah ja recht passabel aus und da er ständig redete, musste ich nicht viel zur Unterhaltung beitragen. Das fand ich angenehm. Wir konnten ja schließlich Freunde sein. Und vielleicht irgendwann doch noch mehr.
Doch dann kam der Abend, an dem er mich küssen wollte. Wir waren spazieren gegangen und schauten auf den Fluss, der wieder einmal Hochwasser führte.
"Das letzte Mal war ich mit Ilse hier, als der Fluss Hochwasser hatte", bemerkte Klaus und ich verdrehte innerlich genervt die Augen. Ich wollte gerade etwas sagen, so etwas wie: "Vergiss Ilse doch endlich", doch da umarmte er mich und wollte mich küssen. Völlig verdutzt wich ich zurück. In dem Moment merkte ich, dass Liebe zwischen uns nicht funktionieren würde.
"Klaus, wenn du das willst, das wird nichts mit uns."
Er schwieg völlig verblüfft. Dann fragte er, warum ich denn solange mit ihm herumgezogen war. Wenn ich ihn doch gar nicht möge?
"So ist das ja nicht", beeilte ich mich zu versichern. (Ich bin halt so, ich will nie jemanden kränken.) "Ich mag dich ja. Aber..."
"Aber", äffte er mich nach, noch ehe ich den Satz zu Ende sprechen konnte. "Gib dir keine Mühe, ich habe schon verstanden. Steig ins Auto, ich bringe dich nach Hause. Und dann war es das mit uns."
Auf der Rückfahrt schwieg er beharrlich.
Als wir vor meiner Haustür angekommen waren, entließ er mich mit den Worten: "Ich dachte, ich hätte wieder jemanden wie Ilse gefunden. Aber du hast mich schwer enttäuscht."
Dann fuhr er mit aufheulendem Motor davon und ich wusste, dass ich es verbockt hatte.
Warum war ich denn auch nicht einfach so wie Ilse?
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2019, 14:19   #2
weiblich Ilka-Maria
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Gut erzählt, wenngleich die Geschichte zu banal ist, um wirklich zu fesseln. Das Ende ist mir unverständlich:

Zitat:
Dann fuhr er mit aufheulendem Motor davon und ich wusste, dass ich es verbockt hatte.
Wieso verbockt? Und was verbockt? Die Protagonistin hätte doch froh sein können, aus der Sache so schnell rausgekommen zu sein, wenn sie an Klaus nicht interessiert gewesen ist. Verstanden hätte ich, wenn sie sich unwohl gefühlt oder sogar ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, weil sie einen Menschen enttäuscht hat, denn es liegt nicht in ihrer Natur, jemanden zu verletzen. Letztendlich hatte sie jedoch von Anfang an keine andere Wahl.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2019, 17:03   #3
männlich Plutino
 
Dabei seit: 02/2019
Beiträge: 361


Verbockt, weil sie sich von Anfang an passiv verhält. Im Gegensatz zu Ilse. Anstatt zu versuchen, aktiver zu sein, denkt sie nur an die blöde Ilse. Und Klaus ist auch nicht viel besser. Vielleicht hätten die beiden gar nicht schlecht zusammen gepasst. Sie nimmt sich nicht wahr. Er nimmt sie nicht wahr. Damit haben sie eine Gemeinsamkeit. Die hätte die Basis für eine wunderbare Beziehung voller Sinnlosigkeit sein können, die einem in Sinnlosigkeit verbrachten Allein-Sein selbstverständlich vorzuziehen ist – wenn man glaubt, eine Pflicht zur Zweisamkeit erfüllen zu müssen, um glücklich sein zu dürfen. Und der letzte Satz deutet darauf hin, dass sie vorhat, es auch in Zukunft zu verbocken. Eine deprimierende, weil alltägliche Geschichte.
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Alt 13.03.2019, 17:57   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Plutino Beitrag anzeigen
Verbockt, weil sie sich von Anfang an passiv verhält. Im Gegensatz zu Ilse. Anstatt zu versuchen, aktiver zu sein, denkt sie nur an die blöde Ilse.
Überzeugt mich nicht. Wer sich passiv verhält, verbockt nichts, sondern versäumt allenfalls etwas. Das scheint hier jedoch nicht der Fall zu sein. Warum sollte die Protagonistin aktiver sein, wenn sie an diesem Klaus überhaupt nichts findet? Sie lässt sich doch nur aus Höflichkeit auf einen Treff mit ihm ein. Im Grunde war das nur Zeitverschwendung.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2019, 18:24   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.687


Interessante Kommentare, vor allen Dingen, da mir diese Interpretation gar nicht in den Sinn kam.

Das:
Zitat:
und ich wusste, dass ich es verbockt hatte.
Warum war ich denn auch nicht einfach so wie Ilse?
war ironisch gemeint. Vor allen Dingen dass die Protagonistin etwas "verbockt" hätte.

Hier ging es mehr darum, dass Menschen eben nicht alle gleich sind.

Ich freue mich über euer Feedback und staune einmal mehr darüber, wie verschieden Geschichten ankommen können.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2019, 18:39   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Das ...

... war ironisch gemeint. Vor allen Dingen dass die Protagonistin etwas "verbockt" hätte.
Die Ironie kommt nicht durch, sie hätte deutlicher gemacht werden müssen, z.B. so:
Zitat:
Dann fuhr er mit aufheulendem Motor davon, und ich grinste in mich hinein, weil ich es so herrlich verbockt hatte.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2019, 18:51   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
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Das ist wahr, das wäre stimmiger gewesen.
Auch damit, dass die Geschichte ein wenig zu banal ist, hast du recht. Ich werde mir das für die nächsten Geschichten merken.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
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