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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 18.01.2024, 15:30   #1
männlich Evren
 
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Standard Auf der Suche nach Farben

Worte sind frisch ,aufrichtig,voller Leben,
Worte wollen wissen, wollen bekannt werden.
Worte heilen Wunden,
Worte sind die Mordwaffe
Worte tragen unauslöschliche Fingerabdrücke.

Worte sind der Diamant,
Der das Leben zerschmettert,
Worte sind zerbrechlich
Und bunt wie ein gebrochenes Licht .
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Alt 18.01.2024, 21:06   #2
weiblich Ilka-Maria
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Nein, Worte sind nichts von alledem. Sie sind es hin und wieder, in Einzelfällen. Aber sind es nicht "per se"

Worte sind nicht immer frisch, sondern abgestanden,
nicht aufrichtig, sondern trügerisch,
nicht voller Leben, sondern dem Wissen des Todes verbunden,
Worte wissen nicht, sondern glauben zu wissen,
Worte wollen nicht bekannt werden, denn sie sind bekannt,
sonst wäre keine Kommunikation möglich, deren erster Sinn sie sind,
Worte können Wunden nicht heilen, aber lindern oder helfen,
Schmerzen zu ertragen, bis Heilung eingetreten ist.
Worte morden nicht, sondern Menschen morden, dazu genügt eine Faust.
Worte tragen keine Fingerabdrücke, diese Zeichnungen gibt es nur an Fingerkuppen, die individuell sind; deshalb sind Fingerkuppen für die Kripofahndung tauglich, Worte hingegen nicht, denn Worte sind allerweltlich und gehören jedem.

Worte sind keine Diamanten, denn sie entspringen keiner Materie. Sie zerschmettern kein Leben. Es sind die Menschen, die Worte manipulativ einsetzen, um Leben zu zerschmettern. Ohne den Geist und den Willen des Menschen sind Worte gar nichts, sie würden gar nicht existieren. Worte sind auch nicht zerbrechlich, das Gegenteil ist der Fall: Sie vermehren sich wie die Karnickel und rüsten die Wörterbücher immer mehr auf. Mit den Worten der Antike kämen wir in der modernen Welt nicht mehr aus. Wer es nicht glaubt, sollte versuchen, einem Römer in der Zeit des Augustus zu erklären was eine Desoxiribonukleinsäure ist, wie die Photosynthese funktioniert oder was schlicht und einfach ein Verbrennungsmotor ist.

Worte sind nicht bunt. Es gibt nur verschiedene Worte für verschiedene Farben. Worte sind nichts weiter als ein Verständigungscode, oder anders ausgedrückt: ein abstraktes Zeichensystem aus Lauten, das wir in ein abstraktes Zeichensystem aus Schriftzeichen übertragen haben.

Daran ist überhaupt nichts Romantisches. Hmm ... doch. Worte sind ein Werkzeug, die uns die Romantik erschlossen hat. Aber das ist ein anderes Feld. Denn Worte sind per se nichts. Es liegt am Menschen, wie und wozu er sie nutzt. Was sie bewirken, ist und bleibt das Werk des Menschen. Denn er allein verfügt über Worte. Der Mensch hat das Wort gemacht, und das Wort hat zurückgewirkt auf den Menschen. Aber noch immer hat der Mensch es in der Hand, wie er das Wort auf sich wirken lässt und wie er darauf reagiert. Umgekehrt funktioniert es nicht, denn dem Wort, diesem abstrakten, geistlosen Konstrukt, ist egal, was der Mensch mit ihm anstellt.

Lange Litanei, kurzer Abschluss: Noch nie hat ein Wort einen Menschen umgebracht. Mangelnde Anerkennung umso öfter. Mit Kain und Abel fing es an. Darüber sollte man nicht den Mund verziehen, denn das ist kein Schnee von gestern. Jede Arbeit muss gemacht werden, und deshalb muss jeder, der seine Arbeit tut, auch der Klobrillenputzer, von seiner Arbeit leben - nicht können, dürfen, sollen - sondern leben!

Ich könnte noch weiter in das Thema tauchen, doch ich lass es.
__________________

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Alt 18.01.2024, 23:01   #3
männlich Evren
 
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In diesem Gedicht geht es nicht darum, was Wörter sind und was nicht. In diesem Gedicht geht es nicht einmal um Worte. Dieses Gedicht ist die veränderte Form meiner Gefühle.
Ja, Poesie mag aus Wörtern und ihren Bedeutungen bestehen, aber Poesie ist viel mehr als die Summe von ihnen. Es ist eine Suche nach verschiedenen Versionen von sich selbst, indem man vor sich selbst flieht...
freundliche Grüße
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Alt 19.01.2024, 05:44   #4
weiblich Ilka-Maria
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Das steht nicht in dem Text. Dort steht: "Worte sind ...", "Worte wollen ...", "Worte heilen ...", "Worte sind ..." und nochmal "... sind".

Subjekt des Textes sind die Worte, nichts und niemand anderes. Der Text beschreibt nichts als ihre vermeintlich faktischen Eigenschaften. Von Gefühlen ist darin keine Spur, von denjenigen des Autors erst recht nicht, denn er sagt nicht "meine Worte", sondern verallgemeinert. Der Text reiht Behauptungen aneinander, was Worten allgemein innewohnt, die jedoch aus der Luft gegriffen sind, ohne Beweis auf Richtigkeit oder Erklärung für die subjektive Wahrnehmung eines Ich. Das macht diese Behauptungen - eine schlichte Aufzählung - angreifbar und widerlegbar.
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Alt 19.01.2024, 10:35   #5
kofski
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Also, mich stört die kreative Interpunktion mehr. Was irgendwer über Worte denkt und was sie ihm/ihr bedeuten, ist natürlich streitbar.
Worte sind mehr als Symbole in einem Zeichensystem, würde ich sagen, denn sie können töten, verletzen und auch trösten, Kriege auslösen und Liebe entfachen. Sie sind magisch und darum geht es im Gedicht. Die Farbe symbolisiert die Magie, so interpretiere ich das.
(Das ist bestimmt in so einem "Kreatives Schreiben"-Workshop entstanden. Freie Assoziation.)
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Alt 19.01.2024, 15:51   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von kofski Beitrag anzeigen
sie können töten, verletzen und auch trösten, Kriege auslösen und Liebe entfachen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Menschen sich schon umgebracht und Stammeskriege geführt haben, als sie noch nicht der Worte mächtig waren. Genau das lässt sich bei Schimpansen in freier Wildbahn beobachten. Zum Töten bedarf es keiner Worte, sondern eines unausgesprochenen Motivs, und das läuft immer auf das Recht des Stärkeren hinaus. Der Schwächere flieht oder stirbt, der Stärkere pflanzt sich fort. In der Tierwelt funktioniert das ohne Worte.
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Alt 20.01.2024, 20:28   #7
kofski
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Menschen sich schon umgebracht und Stammeskriege geführt haben, als sie noch nicht der Worte mächtig waren.
Da waren es noch keine Menschen. Mensch = Aufrechter Gang, großes Gehirn, Sprachgebrauch.
Dass es Kriege auch ohne Worte oder Missverständisse, Streitigkeiten oder Geldsummen geben könnte, bezweifle ich. Ohne Worte hätten wir auch keine Heiligen Bücher, über die wir uns streiten und töten können.
Am Anfang war das Wort.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Genau das lässt sich bei Schimpansen in freier Wildbahn beobachten. Zum Töten bedarf es keiner Worte, sondern eines unausgesprochenen Motivs, und das läuft immer auf das Recht des Stärkeren hinaus. Der Schwächere flieht oder stirbt, der Stärkere pflanzt sich fort. In der Tierwelt funktioniert das ohne Worte.
Die Schimpansen haben auch ein Kommunikationssystem, das es ihnen ermöglicht, im Rudel zu jagen. Auch Wölfe haben das. Darum kommen Menschen mit Hunden so gut aus. Dabei geht es um Territorien, Nahrung, Fortpflanzungschancen, nicht eines Volkes, sondern einer Großfamilie. Die bequatschen das vorher, wir verstehen es nur nicht. Wenn die bis 500 Worte gesprochenes Englisch lernen können, dann haben die eine Art Sprache, sonst wären die nicht so clever. Die haben doch kein Blinddarmgehirn.
LG
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