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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 02.04.2016, 22:45   #1
weiblich Zaubersee
 
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Standard Auftakt und Erfrorenes Land

auftakt

dort wo die luft zum lieben
im keller wohnt
wo der mund zum sprechen
im garten vergraben liegt
dort wo das heute mein licht
für das morgen frisst
dort strömt es schon – lange wasser
alles zu überschwemmen
zu fluten – bis in die kleinsten winkel
um schließlich hinauszuschwimmen
überzulaufen mit all diesen dingen
die in meinen fingerspitzen wohnen sollten

noch sitze ich und staune
über meinen blick aus dem küchenfenster
hinaus in den verschneiten sommerbaum
an dem meine anderen augen hängen
geschlossen – wie futterringe für kohlmeisen
im winter – da höre ich
meine füsse rascheln und spüre
meine hände an meinen wangen
die erstaunt tränen
fortwischen und höre
gepoche eines verschwundenen - ein
wunder – fast wie verweht aus der ferne

damdam – damdam – damdam
das licht – mein herz- ist da



erfrorenes Land


eine feder schwebt und summt ins gras
„Ja also dann - machs gut - das wars...“
„Möchtest du - noch eine tasse kaffee?“
draußen fällt schnee
auf die jungen winterlinge
ich betrachte unsere Hände - unsere ringe
und die liebe tut so weh.

„Nein danke, ich trinke seit kurzem tee.“

C. Mara Krovecs / 2016
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Alt 17.05.2016, 00:09   #2
männlich Glasauge Bill
 
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Mara,

auftakt beschreibt mir eine tiefgreifende Leere und Fassungslosigkeit die anfangs durchaus kryptisch eine gewisse Verwirrung und Unordnung im lyrischem Ich verkörpert. Man fragt sich umgehend, wo dieser Ort ist, „dort wo die luft zum lieben (nurnoch?) im keller wohnt“; der Zuneigung / Zärtlichkeit die hier im Unterton der Liebe mitschwingt scheint jedenfalls sprichwörtlich die Luft ausgegangen zu sein. Dazu passen auch die anderen melancholischen Bilder. Geredet wird an diesem Ort schon lange nicht mehr („wo der mund zum sprechen im garten vergraben liegt“) und die Situation ist aufzehrend („dort wo das heute mein licht für das morgen frisst“). An dieser Stelle ist das Lyrich noch allein/einsam, jedenfalls gedanklich, aber man vermag unbedingt an ein Lyrdu zu denken, als Gegenpol oder zumindest Mitverantwortlichen der Situation. Die Metapher der „langen Wasser“ erschließt sich mir nicht völlig, aber in Verbinung mit den Verben „fluten“ und „überlaufen“ und den vorhergegangenen Versen scheint mir eine Art innerer Staudamm im Lyrich schlüssig wenn auch diese Interpretation ein wenig oberflächlich ist, speziell durch den folgenden Vers „mit all diesen dingen die in meinen fingerspitzen wohnen sollten“. Fingerspitzen verbinde ich mit dem Tastsinn, Hände die sich gegenseitig berühren, über weichen Stoff/weiche Haut fahren ect. Also grundsätzlich angenehmen Erfahrungen/Gefühlen. Das passt für mich zwar ins Gesamtbild, will sich aber an der speziellen Stelle nicht recht einfügen bzw. wirkt ehrlicher weise ein bisschen überkünstelt.
Die zweite Strophe bildet dann einen Bogen und wirkt weniger kryptisch, es erfolgt gewissermaßen das Aufwachen aus einem Tagtraum, das Realisieren, das Ordnen. Das tut dem Gedicht m.M. nach gut. Das Lyrische Ich begreift die eigene Fassungslosigkeit („noch sitze ich und staune“) und die Gedankenlosigkeit („über meinen blick aus dem küchenfenster“). Hier findet der tatsächliche „auftakt“ statt, der Auftakt des Begreifens. Der „verschneite Sommerbaum“ ist fast schon ein Oxymoron (wenn auch nicht im klassischem Sinne) und zeigt Kälte wo eigentlich Wärme sein sollte. Aber Schnee ist für mich hier noch mehr als Kälte, vielmehr etwas Bedeckendes. Das Lyrich scheint mir unfähig zu sein, die Situation vollends zu begreifen und das Handeln geschieht wie in Trance absolut passiv („da höre ich meine füsse rascheln und spüre meine hände an meinen wangen“). Die Tränen auf den Wangen erinnern an das Überlaufende Wasser und schließen den Bogen zur ersten Strophe.
Am Ende tritt das Lyrdu dann (endlich?) in Erscheinung. Ob das Klangbild („damdam – damdam – damdam“) dabei tatsächlich nötig ist, lässt sich bestimmt argumentieren. Das Licht (das jedoch am Anfang des Gedichtes „gefressen“ wird) zeigt zusammen mit der gefühlsmäßig äußerst starken Aussage „mein Herz“ eine tiefe, noch vorhandene (!) Liebe und im Unterton schwingt Hoffnung.

Der Titel des zweiten Teil lässt erahnen, dass diese Hoffnung vergebens ist. Eine Feder, das Symbol des Fliegens (hier davon fliegen?) leitet ein, was nach den melancholischen ersten Teil kommen musste. Das Land zwischen Lyrdu und Lyrich ist vollends erfroren. Die Konversation zeigt die Hilflosigkeit beider. Lyrich fällt nichts mehr ein außer auf das Lebwohl den letzten Strohhalm zu ergreifen und Lyrdu zum bleiben zu bewegen. Die Bindestriche sind interessant und ich hoffte beim Lesen beinahe, dass Lyrich nach dem „möchtest du“ etwas anderes sagt. Aber die absolute Einsicht kommt mit dem Anblick der Ringe, einhergehend mit dem Schmerz der Erkenntnis.
Der Abschließende Satz ist stellvertretend für die gesamte Situation. Hier haben sich zwei so sehr auseinander gelebt, dass sie nicht einmal mehr die Gewohnheiten des anderen kennen („Nein danke, ich trinke seit kurzem tee.“).
Interessant finde ich auch die beiden Überschriften, die man m.M. nach durchaus gegeneinander eintauschen können.

Gerne gelesen und drüber nachgedacht.

GlasaugeBill.
Glasauge Bill ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.05.2016, 00:46   #3
weiblich Zaubersee
 
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Hallo, GlasaugeBill,


wow, Du hast mich sehr überrascht, mit Deiner tollen Interpretation.
An fast allen Stellen warst Du damit ziemlich treffsicher und einfühlsam. Ich würde mir gerne etwas Zeit lassen, um mit meiner Antwort Deiner Interpretation gerecht zu werden. Aber ich wollte Dir in jedem Fall gleich schreiben, um mich für so viel Auseinandersetzung umgehend zu bedanken. Was ich hiermit gerne getan habe.

Morgen mehr dazu;

Nachtgrüße, schwarz und herzlich

Mara
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Alt 18.05.2016, 01:00   #4
weiblich Zaubersee
 
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Glasauge Bill, ich grüße Dich erneut,


und möchte direkt zu der Stelle kommen, an der Du unsicher bezüglich der Interpretation warst.

Zitat:
Die Metapher der „langen Wasser“ erschließt sich mir nicht völlig, aber in Verbinung mit den Verben „fluten“ und „überlaufen“ und den vorhergegangenen Versen scheint mir eine Art innerer Staudamm im Lyrich schlüssig wenn auch diese Interpretation ein wenig oberflächlich ist, speziell durch den folgenden Vers „mit all diesen dingen die in meinen fingerspitzen wohnen sollten“. Fingerspitzen verbinde ich mit dem Tastsinn, Hände die sich gegenseitig berühren, über weichen Stoff/weiche Haut fahren ect. Also grundsätzlich angenehmen Erfahrungen/Gefühlen. Das passt für mich zwar ins Gesamtbild, will sich aber an der speziellen Stelle nicht recht einfügen bzw. wirkt ehrlicher weise ein bisschen überkünstelt.

die langen Wasser:
Zitat:
scheint mir eine Art innerer Staudamm
ja, so war es gemeint. Lyrich hat dieses Problem lange Zeit beiseite geschoben, eventuell in der Hoffnung, dass sich alles doch noch zum Besseren wenden werde. Der folgende Vers:
Zitat:
mit all diesen dingen die in meinen fingerspitzen wohnen sollten“.
hadert Lyrich mit sich selbst, weil es die ganze Zeit schon hätte handeln sollen, begreifen sollen, das alles Hoffen nichts mehr nützt, erspüren müssen, das Handeln jetzt angebracht wäre und nichts mehr auf die lange Bank zu schieben …. die Fingerspitzen symbolisieren das feine Gespür für die Situation und den Übergang zur Hand, die Handeln kann/soll. Aber Lyrich wartet ab, bis alles überflutet wird ob dieser Unerträglichkeit der Zweisamkeit.


Zitat:
Ob das Klangbild („damdam – damdam – damdam“) dabei tatsächlich nötig ist, lässt sich bestimmt argumentieren
Es ist der Moment des sich wieder Spürens für Lyrich, als ob das Herz plötzlich wieder eingeschaltet wird, nachdem es so lange Zeit, bis zur Überflutung nicht wirklich spürbar war. Das Klangbild soll diese Erkenntnis akustisch - lebendig unterstützen.

Heute, beim nochmaligen Lesen Deiner Interpretation sind mir noch viele sehr feine Nuancen Deiner Gedanken aufgefallen. z.B. dieses hier:

Zitat:
Das Lyrich scheint mir unfähig zu sein, die Situation vollends zu begreifen und das Handeln geschieht wie in Trance absolut passiv („da höre ich meine füsse rascheln und spüre meine hände an meinen wangen“). Die Tränen auf den Wangen erinnern an das Überlaufende Wasser und schließen den Bogen zur ersten Strophe.
finde ich absolut treffend und sehr filigran überlegt. Danke an dieser Stelle noch einmal .



Nachtgrüße von Irgendwo - weit weit im Norden

Mara
Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2016, 11:30   #5
männlich Glasauge Bill
 
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Mara,

Danke fuer deine weiteren Erklaerungen. Die Metapher der langen Wasser ist nun greifbarer. Und auch die Fingerspitzen, obwohl ich hier schon eine wage Idee hatte.

Viele Gruesse von Irgendwo - noch weiter im Norden

Glasauge Bill
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Alt 18.05.2016, 11:44   #6
männlich dr.Frankenstein
 
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Passt ganz zu meiner Theorie vom Wasserhahn im Baum.
Klingt nach ausufernd melancholischen Zuständen des Wartens auf den Einfall der Grenze.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2016, 21:51   #7
weiblich Zaubersee
 
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Glasauge Bill,


Zitat:
Viele Gruesse von Irgendwo - noch weiter im Norden
… bist Du Dir da so sicher? Dann müsstest Du in Norwegen, Schweden oder Finnland sitzen, oder in Alaska, ich bin in Norddänemark, bei Skarge in Löntrup.

Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2016, 21:59   #8
weiblich Zaubersee
 
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Zitat:
Theorie vom Wasserhahn im Baum.
… die Letten machen das ja jedes Jahr im April/Mai. Sie stoßen einen Stock in eine Birke und stellen anschließend einen Eimer darunter. Dem frischen Birkensaft werden allerhand Heilweisen zugesprochen. Am Ende verschließt ein Pfropf das Loch wieder.

Aber fast glaube ich, Du hast eine ganz eigene Theorie


Zitat:
Klingt nach ausufernd melancholischen Zuständen des Wartens auf den Einfall der Grenze.
Interessant ausgedrückt, aber so könnte man es betrachten: Die Grenze fällt ein …für das Lyrich

Skargerager Grüße

Mara
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Alt 18.05.2016, 22:30   #9
männlich Glasauge Bill
 
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Zitat:
Zitat von Zaubersee Beitrag anzeigen
Glasauge Bill,

… bist Du Dir da so sicher? Dann müsstest Du in Norwegen, Schweden oder Finnland sitzen, oder in Alaska, ich bin in Norddänemark, bei Skarge in Löntrup.

Stockholm.
Glasauge Bill ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2016, 22:57   #10
weiblich Zaubersee
 
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…gewonnen
Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2016, 09:00   #11
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

Standard Liebe Mara

diese Zeilen gehen nicht nur "nördlich wohnenden Menschen" tief unter die Haut, sie beeinflussen auch solche "Südmenschen" wie mich ... nicht nur die Zeilen selbst, auch die Kommentare und Interpretationen dazu.

Alle Liebe in deinen (wenn auch nördlichen) Frühlingstag
schickt
Dein
Lichtsohn
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2016, 12:34   #12
weiblich Zaubersee
 
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Zitat:
Passt ganz zu meiner Theorie vom Wasserhahn im Baum.

…. jetzt ….. hab ich es verstanden … muss mich nur mal da hinein denken, ob es hier wirklich passt.

Da siehst Du mal, wie unterschiedlich man "Wasserhahn" deuten kann, ist ja in diesem speziellen Falle auch ein "Teekesselchen": Wasserhahn und nicht nur "Hahn" so, wie man es kennt
Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2016, 21:14   #13
weiblich Zaubersee
 
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Lieber Lichtsohn,

vielen Dank, für Dein südliches Verständnis - meines nördlichen Textes

Zitat:
Alle Liebe in deinen (wenn auch nördlichen) Frühlingstag
… die nördlichen Frühlingstage haben ihre ganz eigene Magie … manchmal sieht das Licht über den Gärten wie in Glasmosaiken aus, wenn die Sonne gerade aufgeht und wie mit altem, weichrötlich schimmernden Glas übergossen, wenn die Sonne untergeht ….


hier spielen auch noch die Huschnapure bis in die ersten Frühlingstage …

Ja.

Herzliche Nordzauberseengrüße

Mara
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