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Alt 09.12.2020, 02:43   #1
männlich INFP
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 1

Standard Ein innerer Dialog

Eine recht alte Kurzgeschichte, stammend aus meiner Schulzeit. Somit einer der nostalgischsten Texte für mich.




„Hat es sich denn gelohnt?“, fragte ein greiser, doch geistig besinnter Mann, als er nach dem sonst so lautem Kind schaute.

„Kurzzeitig. Es fühlte sich kurz so viel besser an“, antwortete ihm das sitzende, sonst so verspielte Kind.

„Dein Ziel?“ fragte ihn der Mann, als schon bald beide merkten, wie sehr sie einander begegnen mussten. Sofort begann ein Gespräch, das so tiefgründig wie unerwartet war.

Kind: „Erleichterung.“

Mann: „Wie lange?“

Kind: „Nur kurz.“

Mann: „Denke vorausschauender. Du legst dir Steine in deinen Weg.“

Kind: „Wer nannte es einen Weg?“

Mann: „Deine Erfahrungen sprechen. Auch die Leute, von denen du weißt.“

Kind: „Nichts fühlt sich lebendiger an als die Gegenwart. Auch Zukunft wird mal Gegenwart und sie bleibt ewig unantastbar.“

Mann: „Schau auf deine Vergangenheit und die Gegenwart anderer.“

Kind: „Bin nicht da um mir weh zu tun.“

Mann: „Tust du schon bald, so schickst du es voraus.“

Kind: „Du kannst die Zukunft ebenso wenig abschätzen.“

Mann: „Stimmt, ich kann aber Prognosen stellen.“

Kind: „Ich auch.“

Mann: „Das tust du gerade nicht.“

Kind: „Ich bin da solange die Hoffnung bleibt...“

Mann: „...bis du daran zerbrichst. Was dann?“

Kind: „Bis dahin geht’s mir besser. Meine Erwartung an die Zukunft, auch ich weiß von ihr.“

Mann: „Wer garantiert dir so eine Zukunft?“

Kind: „Meine Hoffnung.“

Mann: „Hat sie dich noch nie enttäuscht?“

Kind: „Meistens sogar. Ohne sie wäre das Gute nicht zustande gekommen.“

Mann: „Doch, wäre es.“

Kind: „Du verstehst mich falsch, ich hätte das wenige Gute nicht als solches erkennen können.“

Mann: „Du wärst sogar überrascht gewesen, ohne eine Erwartungshaltung.“

Kind: „Die Zeit bis dahin wäre schrecklich, Vorfreude ist auch eine Freude. Ich finde mehr Gutes als es zu finden gibt, ein wahres Talent.“

Mann: „Möchtest du dich selbst belügen? Nennst du das Glück?“

Kind: „Das wahre Glück kam ohne dich intensiver. Es war leidenschaftlich.“

Mann: „Es war nur eine Erlösung. Du hast dich nur bis zum Ursprungspunkt wieder gesammelt.“

Kind: „Kratzt du nicht an Mückenstichen? Oder kannst du sie verhindern?“

Mann: „Ich rate nicht dazu.“

Kind: „Ich beschwöre meine Mückenstiche nicht, aber Kratzen bedeutet nun mal Leichtigkeit.“

Mann: „Ich baue mir ein Haus voller Leichtigkeiten. Bis mein Kopf bei Regen trocken bleibt.“

Kind: „Ich baue mir eine Hütte und mein Kopf wird früher trocken sein...“

Mann: „...bis der Sturm kommt und du schutzlos bist. Ein stabiles Dach braucht über kurz oder lang Fundament.“

Kind: „Wenn der Sturm kommt, wird dir ein unfertiges Haus nicht helfen.“

Mann: „Wenn es fertig ist, dann wird es. Was hast du dann vor?“

Kind: „Was machst du, wenn es uns jetzt beide wegfegt? Wer war schlauer?“

Mann: „Ich. Ich hatte es versucht.“

Kind: „ICH habe es versucht! Das meiste Wasser aus dem Brunnen holst du mit dem größten Eimer. Ich nutzte diesen sofort.“

Mann: „Das meiste Wasser holst du wenn du einen zweiten Brunnen baust.“

Kind: „Wer sieht denn schneller seine Erfolge?“

Mann: „Du. Und ich gehe davon aus, dass meine später größer werden.“

Kind: „Ich gehe auch von etwas aus, nämlich, dass mir ein Brunnen reicht und sich durch ein Wunder ein zweiter gräbt. Wir beide hoffen. Jeweils am anderen Ende einer Zeitspanne.“

Mann: „Ein Loch im trockenen Grund. Fall bloß nicht rein.“

Kind: „Auch du schließt es nicht aus, dass wir beide im Recht sein könnten. Wenn wir beide erfolgreich werden, war ich der erfolgreichere. Ich habe nämlich die Vergangenheit gefüllt, eine Lücke die du nie mehr füllst. Dein Erfolg wird letztlich eher der Größere sein. Auf einen riesigen hast du die Chance nicht. Vergangenheit UND Zukunft können nur mir gehören.“

Mann: „Wer riskiert Großes für Riesiges? Das Große ist zum Greifen nah.“

Kind: „Du bist hier der Ungeduldige. Du suchst das Nahe statt das Ferne. Was ist größer dein Blickfeld oder der gesamte Horizont?“

Mann: „Wenn ich dich frage, was besser sei, das Blickfeld oder das Nichts, drehen wir uns im Kreis.“

Kind: „Das Nichts ist unsicher, so auch deine Aussage.“

Mann: „Du weißt, dass ich Recht habe...“

Kind: „und du weißt, dass ich Recht habe.“

Mann: „Wir beide haben Recht und bekämpfen uns.“

Kind: „Wir betrachten einen Gegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln. Jeder hat Recht mit seiner Beschreibung. Jeder sieht Sachen, die der Andere nicht in der Lage ist zu sehen. Wir akzeptieren uns so selten. Zum Frieden braucht so viel und so wenig.“

Mann: „Zeit. Sie brachte Krieg und Frieden. Immer hat sie uns zusammengeführt für bestimmte Zeiten und sorgte stellenweise Gutes. Nur so waren wir im Reinen. Wir brauchen uns ständig, selten sehen wir es ein.“

Kind: „Wahr, im Krieg hat Empathie keinen Platz. Gerade dauert er.“

Mann: „Solange er andauert, sind wir zwei Teile eines Ganzen. Zwei Gegensätze die sich aufzulösen suchen. Wir befinden uns an zwei verschiedenen Orten, physisch und psychisch. Wir haben das selbe Grundbedürfnis, die Einigkeit, die wir manchmal kennen lernten. Bisher zu selten. Wir werden uns bekriegen und wir werden uns lieben. Wie oft und wie lang jeweils, wissen wir nicht. Wir schätzen und hassen das Miteinander und schätzen und hassen das Gegeneinander. Ein hügeliger Weg, ein langer aber nicht ein Endloser.“

Kind: „Klarer Sieger kann nicht einer von uns sein. Also bleiben wir ungetrennt getrennt, nun lass uns abwarten.“

Nebeneinander sitzen sie, ein kindliches Herz und ein reifer Verstand.
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