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Sprüche und Kurzgedanken Prosatexte, die einen Sachverhalt möglichst kurz und knapp schildern.

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Alt 12.01.2024, 11:48   #1
männlich Wolle
 
Dabei seit: 02/2020
Ort: Niederrhein
Alter: 66
Beiträge: 28

Standard Wenn ich Rentner bin

„Endlich Urlaub, mach´s gut, alte Straßenbahn. Wir sehen uns in drei Wochen wieder.“
Fiete hat Urlaub. Die Fabrik muss nun eine Zeit lang ohne ihn auskommen aber das wird sie irgendwann sowieso müssen. Fiete ist dreiundsechzig und freut sich schon auf den Ruhestand.
„Zwei Jahre noch“, hatte er zu seinem Kollegen Heinz gesagt, „zwei Jahre, dann habe ich Zeit für meine Hobbys.“
Fiete ist leidenschaftlicher Angler und hat auch schon manch kapitalen Fisch an Land befördert. Auch sammelt er leidenschaftlich gern Pilze. Er hat im Alter von zwanzig Jahren damit begonnen, die Lehre von den Pilzen zu studieren und eines Tages auch die Prüfung zum Pilzsachverständigen abgelegt. Oft sieht man ihn durch die Wälder streifen. Was manchem Nachbarn oder Bekannten seltsam vorkommt ist, dass Fiete zu fast jeder Jahreszeit irgendwelche Pilze mit nach Hause bringt.
„Pilze wachsen nicht nur im Herbst.“, sagt er dann.
„Der versierte Pilzsammler kennt nun mal mehr leckere Hütchen als diese Sonntagssammler.“
Auf dem Heimweg kommt er an einer Trinkhalle vorbei. Drei junge Männer, jeder von ihnen hat eine Flasche Bier in der Hand, grölen „Altes, deutsches Liedgut."
„Na Opa, die Lieder kennste doch auch noch, oder? Dann sing mal mit."
Fiete geht weiter.
„Hey, Alter, hörste nicht? Ich hab gesagt, du sollst mitsingen.“ Einer der Typen zerrt an Fietes Mantel und gibt ihm einen Schlag vor die Stirn. Fiete stößt ihn zurück.
„Verschwindet, ihr Rotznasen und lasst mich nach Hause gehen. Ich habe den ganzen Tag schwer malocht.“
„Fass unseren Kumpel nicht an, du Missgeburt“, hörte er noch, dann sank er zu Boden. Einer der Jugendlichen hat ihm eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Sie treten noch einige Male auf den armen Kerl ein, verschwinden aber ganz schnell, als sie den Trinkhallenbesitzer, mit dem Handy am Ohr, an der Türe stehen sehen.
Vierzehn Tage liegt Fiete im Krankenhaus. Mehrere Rippenbrüche, Prellungen und Platzwunden sind verheilt aber durch die Gehirnprellung kommt es zu einem bleibenden Ausfall. Riechen und hören kann Fiete nicht mehr gut, Geruchs- und Hörnerv sind betroffen. Die schweren motorischen Störungen werden durch Rehabilitationsmaßnahmen wohl besser werden, glauben die Ärzte.

Fiete ist jetzt Rentner, er vermisst seinen Job und seine Kollegen. In gewissen Abständen sieht er sich Filme an, die über Angelerlebnisse berichten. Manchmal blättert er in seinem Pilzfotoalbum und manchmal, sieht man ein Tränchen über seine Wangen rollen.
Wolle ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2024, 13:05   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.716

Hallo Wolle,

eine traurige Geschichte, gut geschrieben, mich hat sie sehr berührt.

Du hast sie - wahrscheinlich aus Versehen - unter „Sprüche und Kurzgedanken" eingestellt. Sie gehört unter „Geschichten, Märchen und Legenden."

Schöne Grüße
DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2024, 14:28   #3
männlich dunkler Traum
 
Benutzerbild von dunkler Traum
 
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.615

Standard Hallo Wolle

... gut geschrieben, leider auch schon so oder ähnlich passiert, seit über hundert Jahren.

wsT
dT
dunkler Traum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2024, 10:44   #4
männlich Windhauch
 
Dabei seit: 11/2023
Beiträge: 53

Hallo Wolle,
diese kleine Geschichte kommt so unscheinbar daher,
ich möchte glauben, der Autor versteckt hier bewußt tiefe Weisheiten.
z.B. Verschiebe Deine Träume und Wünsche nicht in die Zukunft,
denn nichts von dem, was Du Dir für später vorbereitest, ist Dir wirklich sicher.
Viele Grüße Andreas
Windhauch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2024, 21:50   #5
kofski
abgemeldet
 
Dabei seit: 01/2024
Beiträge: 378

"„Fass unseren Kumpel nicht an, du Missgeburt“, hörte er noch, dann sank er zu Boden."

Da wechselt es plötzlich in die Vergangenheit. Und dann wird auch wieder ganz schnell zuende erzählt, als sei es ein Zeitungsbericht oder TRUE CRIME.
Das ist zu journalistisch.
Der Moment des Gewaltausbruchs aus der Perspektive des alten Mannes ist das, was interessiert. Den Abschnitt würde ich ausbauen. Die Vorgeschichte muss nicht so detailliert, es sei denn, man ginge ganz in die Subjektive.

Tolle Figuren, tolle Idee, Struktur stimmt irgendwie nicht. Außerdem ist es ein bisschen vorhersehbar und einen Ticken zu überkonstruiert.
Emotional war ich dabei, Spannungsführung auch ok.
kofski ist offline   Mit Zitat antworten
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