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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln.

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Alt 10.07.2023, 22:27   #1
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 394

Standard Das Schwert des Damokles

Zu König Dionysios schlich
schon mancher Speichellecker sich,
ihm Honig um den Bart zu streichen
und einen Vorteil zu erreichen.
Auch Damokles ist ganz geblendet,
wie der Despot sein Gold verschwendet.
Nun darf er mit zu Tische liegen,
glaubt sich in Sicherheit zu wiegen.
Man feiert in intimem Rahmen -
nur hundert enge Freunde kamen -,
schmaust Spatzenhirn und Pfauenzungen.
Zur Leier wird ein Lied gesungen.

Man sieht den Gast am Becher nippen,
dann spricht er mit benetzten Lippen:
"Mein König, nimm für Speis und Trank
hier meines Herzens warmen Dank.
Der Braten und dies Mandelmus
sind einzig in ganz Syrakus.
Welch ein Gesang und welcher Wein!
Du musst der Götter Liebling sein.
Wie würde es mein Herz berauschen,
nur einen Tag mit dir zu tauschen!
Doch für ein Menschenkind, das sterblich,
wär solche Wonne wohl verderblich."

Gelassen spricht der Wüterich:
"Mein Freund, dann sieh mal über dich!"
Der blickt empor, erschrickt und taumelt:
An einem dünnen Rosshaar baumelt
ein Schwert just über seinem Scheitel.
"Du siehst wohl, es ist alles eitel.
Sollt' dieses Schwert jetzt niederstürzen
und dir die Nasenhaare kürzen,
dann wärs noch glimpflich ausgegangen.
Genauso muss ich stündlich bangen,
dass mich durch Dolch, Intrige, Gift
der Neider schnöde Rache trifft.
Mich ihrer Ränke zu erwehren,
muss ich sie stets das Fürchten lehren.
Jetzt weißt du, wie die Krone drückt,
die mich, Siziliens König, schmückt."

Der Gast entgegnet drauf mit Bangen:
"Die Lehre hab ich wohl empfangen.
Noch eben hab ich dich beneidet,
nun ist das Schwelgen mir verleidet.
Schwebt über mir ein solches Schwert,
ist aller Glanz mir wenig wert.
Gewähre mir noch eine Bitte
und lass mich gehn aus eurer Mitte."
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.07.2023, 12:22   #2
männlich Erhard Gratz
 
Benutzerbild von Erhard Gratz
 
Dabei seit: 11/2022
Ort: Lüneburger Heide
Alter: 90
Beiträge: 160

Hallo Cornelius, wie Du in Deinem Gedicht Schillers "Bürgschaft" mit dem "Ring des Polykrates" verrührst und dabei auch Ciceros Deutung der Damokles-Legende noch unterbringst, das hat schon etwas ganz Besonderes. - Chapeau!!
Und das dann auch noch mit so leichtfüßigen Versen, einfach gekonnt. Dein Damoklesschwert kommt sofort zu meinen Favoriten.

Gruß, Erhard
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.07.2023, 16:13   #3
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 394

Lieber Erhard, möchte dir sehr herzlich für deine lobenden Worte danken. Freut mich, dass mein kleiner Cocktail dir gemundet hat.

Nach Ablauf der Frist ist mir aufgefallen, dass der erste Vers der letzten Strophe mit dem Reimwort "Bangen" endet, das in der vorangegangenen Strophe bereits vorkam. Deshalb würde ich Strophe 4 Zeile 1 und 2 gerne wie folgt ändern:

Der Gast entgegnet drauf beklommen:
"Die Lehre hab ich wohl vernommen."


Gruß ins Blaue hinein: Liebe Ilka-Maria, falls du hier vorbeischaust, kannst du das bitte entsprechend ändern?

Liebe Grüße
Cornelius
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.07.2023, 19:33   #4
männlich DonErwin
 
Benutzerbild von DonErwin
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Angermünde
Beiträge: 125

Standard Ein gigantisches Werk!

Hallo Cornelius,

Ein gigantisches, aber auch pädagogisches wertvolles Werk! Vieles von dem, was mir in der Schule unglaublich auf den Keks gegangen ist, lese ich hier mit Vergnügen.

Bis dann
DonErwin
DonErwin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2023, 23:11   #5
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Kürzung der Nasenhaare...

Sollt' dieses Schwert jetzt niederstürzen
und dir die Nasenhaare kürzen,
dann wärs noch glimpflich ausgegangen.


Hab sehr gelacht... Schöne Verse, ironisch-runder Ton, gern gelesen...

VG Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
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