Leichenreich bei Poetry.de

Gram · 18.05.2010, 11:55

Triste Trauer tropft in tausend Tränen,
trau mich kaum die Toten zu erwähnen.
Tinte tröpfelt lau in blauen Flecken,
helfen mir, die Trauer zu verstecken.

Tod und Teufel treffen treu zusammen,
tanzen theatralisch in den Flammen,
treiben tiefe Wunden in die Herzen
derer, die schon lange nicht mehr scherzen.

Todestaumel steuert meine Schritte.
Trostlos trommeln meine letzten Tritte
trocken gegen diesen morschen Boden.
Bröckelnd bricht der Boden über Toten.

21.10.2005

Rosenblüte · 18.05.2010, 18:37

hallo gram,

mit dumpfen vokalen und vielen alliterationen gelingt es dir, eine monotone grabesstimmung zu verbreiten. dem leser fällt es nicht schwer, in diese düstere welt einzutauchen und sich überwältigen zu lassen.

ein außergewöhnliches gedicht!

nur der schluss gefällt mir nicht so.

Zitat:

Überwindung fordert die Verbindung
zum Leichenreich mit seinem Seelenteich.

er erscheint mir zu weich. da der gesamte text wuchtig ist, müsste am schluss noch eine steigerung erfolgen.

gramgebeugten gruß
rosenblüte

Ex-Abendstern · 18.05.2010, 18:57

Ich möchte mich einfach nur anschließen an den Kommentar von Rosenblüte. Das ist der bisher beste Text, den ich von dir gelesen habe. Selten, dass jemand Stilmittel und Inhalt so gekonnt zusammenbringt, wie hier.

LG
Abendstern

Tiffy · 18.05.2010, 19:52

Das Gedicht liest sich schweinemäßig gut,
wenn ich das mal so formulieren darf.

Gruß

Ilka-Maria · 18.05.2010, 20:35

Ich finde, Rosenblüte hat das richtig im Gefühl: Die beiden letzten Verse geben dem Gedicht nichts mehr. Meiner Meinung nach stören sie sogar, denn die dritte Strophe enthält genügend Steigerung und ist aussagekräftig. Hier sollte man einen Punkt setzen, statt den Leser mit zwei überflüssigen Versen zu irritieren. Dann ist es ein richtig starkes Gedicht, das sich wohltuend hervorhebt.

Es spricht mich aber auch ganz persönlich an, denn kurze Zeit, nachdem Dein Gedicht hier eingestellt war und ich es zum erstenmal gelesen hatte, bekam ich die Nachricht vom Tod eines nahen Verwandten.

Schönen Gruß
Ilka-M.

Rosenblüte · 18.05.2010, 21:14

stimmt. die letzten beiden zeilen könnte man weg lassen, dann wäre das gedicht noch aussagekräftig genug.

aber ich vermute, es ist dir wichtig, auf den übergang zum totenreich hinzuweisen.

Zitat:

Überwindung fordert die Verbindung
zum Leichenreich mit seinem Seelenteich.

vielleicht könntest du in der letzten zeile schreiben:
"vom Leichenreich zum Seelenteich."

aber bezüglich "überwindung fordert die verbindung" habe ich noch keine bessere idee.

lieben gruß
rosenblüte

Ilka-Maria · 18.05.2010, 21:34

Mir dem Seelenteich haut es nicht hin, in der Mythologie ist es nämlich immer ein Fluß, den die Toten zu überqueren haben. Der Fährmann bringt sie zum anderen Ufer, und dabei spielt es keine Rolle, welche Taten die toten Helden vollbracht haben. Ein Held ist in der Regel eine tragische und von fremden, oft dunklen Mächten bestimmte Figur.

Der Teich oder Tümpel gehört eher in die Märchenwelt, von dort lauert dem Helden Gefahr. Aber im Gegensatz zur Mythologie oder Sage gehen Märchen für den Helden gut aus. Nichts ist vorbestimmt, der Märchenheld ist immer handlungsfähig oder sorgt dafür, daß er seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnt.

Ein Wortkonstrukt aus "Seele" und "Teich" ist deshalb problematisch, weil hier verschiedene Welten aufeinander treffen, die nicht zusammenpassen. Ich würde die beiden letzten Verse streichen, sie sind nur irritierend.

Gram · 19.05.2010, 12:19

Hallo meine lieben Kollegen,
natürlich hab ich vor Jahren schon selbst daran gedacht, den letzten Minivers zu streichen und Ihr habt mich nun vollends davon überzeugt. Aichi wird es für mich streichen.
Tausend Dank übrigens, mit so einer Resonanz hätte ich niemals gerechnet bei diesem Gedicht. Man schätzt doch immer wieder seine Leser vollkommen falsch ein. Man lernt nie aus. Ich danke Euch dafür!
@Ilka-Maria:
Den Seelenteich beziehe ich hier nicht auf den Styx oder Ähnliches aus der Mythologie, sondern ich hatte eher an dieses "Seelenlager" oder die Quelle aller Seelen gedacht, die in einer bestimmten Religion, die mir gerade nicht einfällt, Bestandteil des Glaubens ist. Das Reich, wo eben alle Seelen verweilen, die gerade körperlos sind. Die in neugeborene Babies fahren, oder gerade aus einem Verstorbenen entfleucht sind und auf einen neuen Körper warten. Etwas, das sich eben nur eine Religion oder Gram einfallen lassen kann.

Viele liebe Grüße,
das Gram!

hendrik · 19.05.2010, 13:17

Hallo Gram,

eigentlich wurde alles zu deinem Gedicht geschrieben.
Trotzdem möchte ich mich meinen Vorschreibern anschließen.
Ein rundum gelungenes Werk.

Liebe Grüße
Hendrik

Wüstensand · 19.05.2010, 16:24

Hallo Gram,

na, da darf ich doch nicht fehlen bei dem Lobandrang, zumal ich mich langsam
zu einem Fan deiner Texte entwickele

Habe sie alle gelesen - leider nicht immer so viel Zeit zur Kommentierung,
wie ich gern hätte.

Deswegen ein Chapeau auch hier.
Ich finde es gut, dass du die letzten Zeilen streichen lassen willst - das hätte ich dir auch vorgeschlagen.
Die braucht es wirklich nicht.

LG
Wüste

Gram · 22.05.2010, 16:29

Danke wüste Sandy,

die letzten 2 Zeilen hat Aichi netterweise bereits enfernt. Vielen Dank ihr und Dir!

Greetz, Gram!

18.05.2010, 11:55	#1
Gram Dabei seit: 02/2010 Ort: Oettingen Alter: 44 Beiträge: 494 Meine Gedichte	Leichenreich Triste Trauer tropft in tausend Tränen, trau mich kaum die Toten zu erwähnen. Tinte tröpfelt lau in blauen Flecken, helfen mir, die Trauer zu verstecken. Tod und Teufel treffen treu zusammen, tanzen theatralisch in den Flammen, treiben tiefe Wunden in die Herzen derer, die schon lange nicht mehr scherzen. Todestaumel steuert meine Schritte. Trostlos trommeln meine letzten Tritte trocken gegen diesen morschen Boden. Bröckelnd bricht der Boden über Toten. 21.10.2005 Geändert von René (19.05.2010 um 18:08 Uhr) Grund: beide letzten Zeilen auf Wunsch entfernt

18.05.2010, 18:57	#3
Ex-Abendstern abgemeldet Dabei seit: 08/2006 Beiträge: 581 Meine Gedichte	Ich möchte mich einfach nur anschließen an den Kommentar von Rosenblüte. Das ist der bisher beste Text, den ich von dir gelesen habe. Selten, dass jemand Stilmittel und Inhalt so gekonnt zusammenbringt, wie hier. LG Abendstern

18.05.2010, 19:52	#4
Tiffy Dabei seit: 03/2010 Ort: Reutlingen Alter: 38 Beiträge: 350 Meine Gedichte	Das Gedicht liest sich schweinemäßig gut, wenn ich das mal so formulieren darf. Gruß

18.05.2010, 20:35	#5
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.111 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ich finde, Rosenblüte hat das richtig im Gefühl: Die beiden letzten Verse geben dem Gedicht nichts mehr. Meiner Meinung nach stören sie sogar, denn die dritte Strophe enthält genügend Steigerung und ist aussagekräftig. Hier sollte man einen Punkt setzen, statt den Leser mit zwei überflüssigen Versen zu irritieren. Dann ist es ein richtig starkes Gedicht, das sich wohltuend hervorhebt. Es spricht mich aber auch ganz persönlich an, denn kurze Zeit, nachdem Dein Gedicht hier eingestellt war und ich es zum erstenmal gelesen hatte, bekam ich die Nachricht vom Tod eines nahen Verwandten. Schönen Gruß Ilka-M.

18.05.2010, 21:34	#7
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.111 Meine Gedichte Meine Favoriten	Mir dem Seelenteich haut es nicht hin, in der Mythologie ist es nämlich immer ein Fluß, den die Toten zu überqueren haben. Der Fährmann bringt sie zum anderen Ufer, und dabei spielt es keine Rolle, welche Taten die toten Helden vollbracht haben. Ein Held ist in der Regel eine tragische und von fremden, oft dunklen Mächten bestimmte Figur. Der Teich oder Tümpel gehört eher in die Märchenwelt, von dort lauert dem Helden Gefahr. Aber im Gegensatz zur Mythologie oder Sage gehen Märchen für den Helden gut aus. Nichts ist vorbestimmt, der Märchenheld ist immer handlungsfähig oder sorgt dafür, daß er seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnt. Ein Wortkonstrukt aus "Seele" und "Teich" ist deshalb problematisch, weil hier verschiedene Welten aufeinander treffen, die nicht zusammenpassen. Ich würde die beiden letzten Verse streichen, sie sind nur irritierend.

19.05.2010, 12:19	#8
Gram Dabei seit: 02/2010 Ort: Oettingen Alter: 44 Beiträge: 494 Meine Gedichte	Hallo meine lieben Kollegen, natürlich hab ich vor Jahren schon selbst daran gedacht, den letzten Minivers zu streichen und Ihr habt mich nun vollends davon überzeugt. Aichi wird es für mich streichen. Tausend Dank übrigens, mit so einer Resonanz hätte ich niemals gerechnet bei diesem Gedicht. Man schätzt doch immer wieder seine Leser vollkommen falsch ein. Man lernt nie aus. Ich danke Euch dafür! @Ilka-Maria: Den Seelenteich beziehe ich hier nicht auf den Styx oder Ähnliches aus der Mythologie, sondern ich hatte eher an dieses "Seelenlager" oder die Quelle aller Seelen gedacht, die in einer bestimmten Religion, die mir gerade nicht einfällt, Bestandteil des Glaubens ist. Das Reich, wo eben alle Seelen verweilen, die gerade körperlos sind. Die in neugeborene Babies fahren, oder gerade aus einem Verstorbenen entfleucht sind und auf einen neuen Körper warten. Etwas, das sich eben nur eine Religion oder Gram einfallen lassen kann. Viele liebe Grüße, das Gram!

19.05.2010, 13:17	#9
hendrik Dabei seit: 05/2010 Ort: Kraichtal Alter: 53 Beiträge: 54 Meine Gedichte	Hallo Gram, eigentlich wurde alles zu deinem Gedicht geschrieben. Trotzdem möchte ich mich meinen Vorschreibern anschließen. Ein rundum gelungenes Werk. Liebe Grüße Hendrik

19.05.2010, 16:24	#10
Wüstensand Dabei seit: 04/2010 Alter: 46 Beiträge: 121 Meine Gedichte	Hallo Gram, na, da darf ich doch nicht fehlen bei dem Lobandrang, zumal ich mich langsam zu einem Fan deiner Texte entwickele Habe sie alle gelesen - leider nicht immer so viel Zeit zur Kommentierung, wie ich gern hätte. Deswegen ein Chapeau auch hier. Ich finde es gut, dass du die letzten Zeilen streichen lassen willst - das hätte ich dir auch vorgeschlagen. Die braucht es wirklich nicht. LG Wüste

22.05.2010, 16:29	#11
Gram Dabei seit: 02/2010 Ort: Oettingen Alter: 44 Beiträge: 494 Meine Gedichte	Danke wüste Sandy, die letzten 2 Zeilen hat Aichi netterweise bereits enfernt. Vielen Dank ihr und Dir! Greetz, Gram!