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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 30.03.2012, 16:08   #1
männlich Desperado
 
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Standard Schildkrötenturm II

Warum eigentlich nicht, die Figur des "Fanda" erklär ich bei Gelegenheit.

Fanda ist meinem Hut entschlüpft und hat sich an die Fersen der winzigen Schildkröte geheftet, die ihm ausgesprochen gut zu gefallen scheint, nicht nur seine Neugierde geweckt hat und deren drolliger Lauf meinen grünschillernden Knirps zu kleinen Begeisterungssprüngen hinreißt. Die todernste Traurigkeit, die bleischwer über der ganzen Zeremonie zu spüren ist, bekommt er natürlich mal wieder nicht mit, derlei Unfug und Zeitverschwendung sind seiner heiteren Frohnatur vollkommen fremd.
...

Düstere Gedanken begleiten mich auf meinem Ritt, während Fanda unter dem Hut auf und ab hopsend darauf besteht, auf der Stelle sofort schon gestern eine kleine Schildkröte haben zu müssen, um noch einen einzigen weiteren Tag seines irdischen Exils ertragen zu können. Des irdischen Exils zerbrechlicher Traumwelten, trügerischer Scheinwelten, bedrohter Kinderwelten, verschwommener Zwischenwelten, verwüsteter Anderswelten, verlorener Unterwelten, was-weiß-ich-was-für Welten.

Mir kommt es wohl nicht nur so vor, als könnte ich Vieles nicht mehr verstehen von alledem, was irgendwo hinterm Horizont der Wüstengebirge vonstatten geht in den Köpfen und Herzen der Leute, die mir fremder geworden sind als mein grüner Wicht aus einer fernen Galaxie es jemals werden könnte. Wer eine Verabredung hat mit dem Tod, der sollte allein sein, wenn er sie denn unbedingt einhalten will, was hat ein Zweiter oder Dritter dabei verloren und wem soll damit geholfen sein, im Sterben ist der Mensch allein.

Das kleine Ichbinich spielt im Sand des Niemandslandes zwischen den Fronten von Eigenliebe und Selbstsucht, es folgt dem Ticken seiner Lebensuhr, ihr Pendel schlägt mal in diese mal in die andere Richtung aus je nach Tageszeit und Stunde. Doch wenn das eigene Selbst sich völlig aufgelöst hat, sowohl die Liebe als auch die Sucht ohne Bezugspunkt durch die Finsternis eines verwirrten Geistes irren, dann mag sich meinetwegen einer berufen fühlen, dem irrenden Nichts für Dinge oder Taten, die ihm in diesem Zustand –was für ein inhaltsloses Wort- widerfahren oder entglitten sind, zu unterstellen, dass dieses Ausdruck sei von Ichbezogenheit. Doch mag er mir dann bitte auch erklären, wer sich nun hier auf wen bezogen hat um was denn auszudrücken, wenn da doch nichts mehr ist als nichts von nichts, erklär er’s mir, ich bin’s zufrieden.

Wer nicht mehr kann, der kann nicht mehr, es ändert sich auch nichts daran, ob ihm im letzten Augenblick geholfen wird oder die Hilfe fern bleibt von seiner Not, doch will es mir nicht ums Verrecken in den müden Kopf, was denn nun Selbstsucht sein soll an der traurigen Wirklichkeit, dass einer einfach nicht mehr kann. Zuviele sah ich vergehen auf vielfältige Weise, weil kein Funke Lebenskraft mehr glühte in ihnen, die Asche ihrer Hoffnung erkaltet war, doch keiner von all denen schien mir aus bloßem Eigennutz zu sterben, nicht einer davon, wenn ich das mal so verwegen festhalten darf.

Doch wen kümmern schon die düsteren Gedanken eines alten Desperado auf seinem einsamen Ritt durch die Wüste?
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