Rache - weiblich

[Heinz]

Du hast daraus getrunken,
vertrautest mir - und ich des Schierlings Kraft,
bist langsam umgesunken,
den Weg zum Bett hast du nicht mehr geschafft.
Du hättst im Tod dich, ach, so gern mit mir vereinigt -
ich pfeif dir was und hab den Becher schön gereinigt;
den letzten Dienst tat ich dir gern -
du warst doch mal mein hellster Stern.

Du bist hinauf geklettert,
auf meinen Kirschbaum mit dem starken Ast.
Damit 's dich nicht zerschmettert,
verkürzte ich des Seiles Länge fast
um zwanzig Zoll, damit dir deine Beine
nicht brechen, wenn der Ruck der straffen Leine
dein Arschgewicht genau bezeugt -
ich lös den Knoten - gramgebeugt.

Ich lausche beiden Schüssen
und seh im Geist, wie der Revolver raucht.
Ich lass mich weiter küssen
vom Liebsten - einen hätte der gebraucht,
um meinen größten Wunsch rasch zu erfüllen:
In schwarze Seide möchte ich mich hüllen;
vergönn es mir und sieh es ein:
Ich möcht so gern dein Witib sein.

[Thing]

Hallo, Heinz,

wie, noch kein Kommentar zu dieser Moritat?
Wo bleiben die (weiblichen) Fans, die sich ins Herz eingeschmeichelt haben? Verschnupft?
Es wird nicht dargetan, wofür sich die Frau rächen muß - also ein veritabler Fehler von ihm muß es gewesen sein.
(Es ist leicht irritierend, einen Text zu lesen mit weiblichem LI, wenn man weiß, daß der Dichter ein gestandener Mann ist.)
Nach all den Bemühungen m u ß er ja endlich tot sein - sonst wärs keine Moritat - und sie darf am Grab die traurige Witib mimen.
Die zwei Schüsse bringen aber ein andres Element ins Spiel:
Zwei Schüsse lassen nicht auf einen Selbstmörder aschließen.
Wer löst das Rätsel?
Ich vielleicht, aber heute gewiß nicht mehr.

Das ist wirklich eine düstere Geschichte, die nach Illustrationen von Ronald Searle schreit.
Ich habe sie mit unangebrachtem Genuß gelesen.

Freundlichen Gruß
von
Thing

[Heinz]

Hallo, Thing
ich glaube, bei dieser Moritat war ich ein wenig nachlässig. Eigentlich handelt es sich um ein "Protokoll" abgehörter Damengespräche (deren drei), die noch nicht zur Tat geschritten waren, sich aber fantasiebegabt ausmalten, wie sie ihren Angetrauten um die Ecke bringen könnten.
Die erste: Den bring ich um; Schierling wächst in unserem Garten.
Die zweite: Strangulieren!
Die dritte: Den mach ich so verrückt, dass er sich selbst erschießt.
Wieso zwei Schüsse? Weil der offenbar zu blöd ist, mit dem ersten richtig zu treffen. Deswegen der Seufzer, dass der (Liebhaber) nur einen gebraucht hätte.
Natürlich ist beim Lesen solch erschröcklicher Vorgänge keine Freude angebracht - aber Du hättest die drei bei ihrer Unterhaltung mal sehen sollen!
Danke fürs Reinschauen,
Heinz