Lass mich los!

[Ilka-Maria]

Warum betest du zum Tod?
Hast du um Termin gefragt,
hat er sich gleich angesagt?
Und das alles ohne Not?

Warum weckst du einen Hund,
der gekettet träge döst?
Wärst du wahrlich Leids erlöst,
schlösse er mit dir den Bund?

Warum dieses Sterbens Hast?
Zeit läuft nicht nach Todes Plan,
weiter nagt sie an dem Zahn,
neun Jahrzehnte nicht verpasst.

Aber Kind, ich will nicht mehr,
all mein Leben ist gelebt
und ins Totenkleid gewebt,
schwach für jede Gegenwehr.

Lass mich los, ich bitte dich!
Lass mich einfach nur allein.
Ich will nichts als bei mir sein
und nichts haben außer mich.

Mich allein. Ein einzig Mal.
Niemand redet diesmal drein.
Gottseidank bin ich allein
bei Freund Heines letztem Mahl.

08.01.2024

[dunkler Traum]

... ja, irgendwann hat man keine Lust mehr und fragt sich, warum andere sich nicht einfühlen können.
Ich finde dies hier gut dargestellt.

beaux rêves
dT

[Ilka-Maria]

Zitat von dunkler Traum

... ja, irgendwann hat man keine Lust mehr und fragt sich, warum andere sich nicht einfühlen können.

Oh, ich kann das gut, dunkler Traum. Meinem Gedicht liegt durchaus ein persönliches Erlebnis zugrunde. Nur: Ich kann nicht helfen. Es ist hart, wenn an mich der Wunsch herangetragen wird, etwas zu besorgen, um ein bis zum Rand sattes Leben zu erlösen, das nichts anderes mehr hat, als auf den Tod zu warten. Und wenn ich antworten muss: Das darf ich nicht, es ist gegen das Gesetz.

Vor mir habe ich eine Puppe, die medizinisch versorgt, gewindelt und gesäubert wird und um die sich die Pfleger noch aufopfernd kümmern, die aber längst von den Ärzten, Physiotherapeuten und sonstigen Versorgern aufgegeben wurde. Gemacht wird nur noch das, was ethisch verlangt wird. Jeden Tag das gleiche, alles Routine.

Weißt du, wie es ist, wenn du einen geliebten Menschen besuchst und unter Tränen empfangen wirst mit den Worten: Hol mich hier raus, Mädel, hol mich raus! Und die Resignation in dem alten Gesicht zu sehen, wenn du zur Antwort geben musst: Wohin denn? Das kann ich doch gar nicht.

Dann die Gegenantwort: Ich will doch nicht, dass du wegen mir Schwierigkeiten bekommst. Ich bin sowieso nur noch für jeden eine Last.

So sieht mein Leben seit fünf Jahren aus. Was soll ich machen? Da muss man durch.

[dunkler Traum]

... ja, stimmt, das ist hart und beide Seiten haben damit ihre Probleme.

Mein Schwiegervater wirft einerseits seiner Tochter vor, sie hätte ihn doch sterben lassen können und kurz danach, dass sie sein Erbe verprasse. Ich wüsste auch nicht, wie meine Gedanken an 7 Tagen je 24 h im Bett kreisen würden.

beaux rêves