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Sonstiges Gedichte und Experimentelles Diverse Gedichte mit unklarem Thema sowie Experimentelles.

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Alt 24.09.2018, 15:28   #1
männlich klaatu
 
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Beiträge: 3.353

Standard Der Alte schräg gegenüber

Der Alte sitzt mir schräg gegenüber
und seine buschigen, weißen Augenbrauen
sehen aus wie wildwuchernder Schimmel.

Die aderdurchzogene Nase gleicht
einer radioaktiv verseuchten Frucht
- die daraus sprießenden Nasenhaare
sind nur mit viel Fantasie
von seinem gelblichen Oberlippenbart abzugrenzen.

Er sieht aus,
als wäre er bereits vor Tagen gestorben
und niemand hatte es für nötig gehalten,
ihn davon zu unterrichten.
Als würde ihm der Leichensaft schon
aus sämtlichen Körperöffnungen sickern...

Ich kann ihn sogar riechen:
So muss der Keller gerochen haben,
in dem Josef Fritzl seine Tochter
jahrelang gefangen hielt.

Jetzt blickt er zu mir rüber
und seine Augen sehen aus
wie zwei Sterbende,
die langsam in einem Sumpf versinken.

Sein Mund öffnet sich
und entblößt
einen vergilbten, windschiefen Lattenzaun
von einem Gebiss.

Sein Atem riecht nach einem ganzen Gelege
aus tausendjährigen Eiern.

"Ihnen ist schon bewusst, dass Sie das jetzt alles laut gesagt haben?!"

Nein... Nein, das ist es mir nicht...
klaatu ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2018, 22:15   #2
männlich Vers-Auen
 
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Standard Als ich mal dem Schöpfer begegnete.

@ Klaatu, deine tolle Geschichte erinnerte mich an eine Astralreise.


Als ich mal dem Schöpfer begegnete.

Während ich wieder einmal auf Astralreise war, erblickte ich im Universum
über mir, ein mit Grünspan-Patina überzogenes, glockenähnliches Objekt.

Dachte zuerst an Himmels oder Höllenglocken, da es auf eine Art
Stützbeinen schwebte, kam mir auch ein uraltes Ufo in den Sinn.

Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass es dürre menschliche
Gebeine waren. Ich befand mich also unter einem alten Glockenrock.

Neben zahllosen Spinnweben hing bloß ein lang behaarter Sack herunter,
ein dazugehöriges Glied konnte ich nicht erkennen, vermutlich hat
es sich im Laufe der Jahre in den Unterleib zurückgezogen?

Weil es unter der Dunstglocke penetrant nach Fischmarkt und
Käseladen roch, verlies ich rasch diesen unwirtlichen Ort.

Oben schräg gegenüber, erblickte ich einen uralten Methusalem.
Er rührte mit einer Schöpfkelle in einem Kessel ein graubraunes
und übelriechendes Gemisch, denke es war eine Art Ursuppe?

Er war von Falten und Warzen überwuchert und auf seinem
Haupt hatte er nur noch drei mickrig graue Härchen.

Viel imposanter war sein Schnauzbart, er sah aus
wie der vom Horst Lichter, aber bei genauerer
Betrachtung waren es sehr lange Nasenhaare.

Beachtlich war auch sein langer und gelbgrauer
Kinnbart, der lässig bis zu seinen Knien reichte.
Seine wildbuschigen Augenbrauen sahen aus
wie zwei alt gebrauchte Reisstrohbesen.

Als ich ihn ansprach, erhielt ich keine Rückantwort,
entweder war er schwerhörig, oder es lag an seinen dichten
Ohrenhaaren, die an Ohrenwärmer aus Schaffell erinnerten?

Offensichtlich konnte er mich auch nicht sehen, seine
Äugelein waren grau trübe und irgendwie, wie leblos.
Erschreckend war auch seine bleichfahle Hautfarbe
die mit zahlreichen Totenflecken gezeichnet war.

Da in seinem saftlosen Körper „außer dem rührenden Arm“
sich nichts bewegte und auch kein Blut pulsierte, dachte
ich, der muss schon seit Urzeiten schon verstorben sein.

Aber warum zum Teufel, hat es niemand für
nötig gehalten, ihn davon zu unterrichten?
Vers-Auen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2018, 11:04   #3
männlich klaatu
 
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Dabei seit: 12/2015
Beiträge: 3.353

Von diesem Trip hättest du einen Doku-Film drehen sollen! Im Stile von James Camerons Ausflug zum Wrack der Titanic!
klaatu ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.10.2018, 19:21   #4
männlich Vers-Auen
 
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Ort: Jenseits von Eden
Beiträge: 2.196

Standard Rechtsdrehende Ursuppe?

@ klaatu, es freut mich außerordentlich, dass Du meine Geschichte so rührend findest.

Denke im Nachhinein, dass ich einer uralten Mumie begegnet bin und das sich
sein Arm nur deswegen bewegte, weil es eine rechtsdrehende Ursuppe war!?
Vers-Auen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2018, 10:25   #5
männlich klaatu
 
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Beiträge: 3.353

Wo ist denn da der Unterschied?
klaatu ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2021, 02:29   #6
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin Klaatu,

was soll ich sagen? Ich mag Deine Texte einfach. Und ich freu mich eigentlich schon während des Lesens auf die Pointe, denn die kommt eigentlich immer auf unheimlich trockene Art und Weise. Habe einfach mal in die Mottenkiste gegriffen und einen älteren Text genommen. Hat sich gelohnt.

Gruß

Pennywise
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Alt 12.11.2021, 14:50   #7
Ex-Fourwaystreet
Gast
 
Beiträge: n/a

Hallo pennywise und Danke, dass Du diesen Schatz hervorgeholt hast.

Ich habe mir gerade die Kurzbiografie dieses Verbrechens durchgelesen.
Es ist unglaublich, dass sowas geschehen kann.

Wie pervers, machtversessen und sich im richtigen Tun wähnend,
muss ein Mann sein, um seine eigene Tochter wie eine Leibeigene zu halten, sie zu schwängern und noch unglaubliche Lügengebäude aufzubauen.

Wie blauäugig die Frau, die das alles nicht mitbekommt, die im Inzest gezeugten Kinder ihres eigenen Mannes als Pflegekinder aufnimmt.

Klaatuu, Dein Gedicht treibt für mich das Ganze auf die Spitze,
indem er in einem ganz einfachen männlichen Gegenüber, wie sie sich zu Hunderttausenden auf Dtld.s und der Welt Straßen herumtreiben,
einen solchen Täter wittert.

Wenn mann sich anschaut, wie sexbesessen und völlig in der eigenen Geilheit eingesponnen 92,7 Prozent / na gut, vllt., sinds nur 87,4 Prozent / der Männer sind, stimme ich Dir sehr zu.

Nicht jeder hat die kriminelle Energie und Perversion eines Frizzl, aber Frauen in Gefängnisse stecken und seien es nur die der eigenen Gedanken, die aus ihnen eine willfährige Sexsklavin und Untergeordnete des kleinen oder vergrößerten P.s macht, das tun sicherlich sehr viele.

Gänsehautfeeling
und nun los mit der Prügelstrafe.
Ich zieh aber keinen Kopf ein.

FWS
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Alt 12.11.2021, 15:33   #8
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin FWS,

ich glaube, Du interpretierst das ganze etwas anders als ich. Fritzl's Keller dient hier nur als Metapher, als krasses Beispiel, das die laut ausgesprochenen Gedanken noch etwas extremer darstellen soll. So schätze ich Klaatu zumindest ein. Es geht denke ich bei der Person nicht um Fritzl.
Das Verbrechen war natürlich schlimm, hat aber glaube ich hiermit nix zu tun.Die prozentual sehr hoch gehaltene Verallgemeinerung halte ich für Quatsch. Hat aber auch nichts mit dem Text hier zu tun.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2021, 15:40   #9
Ex-Fourwaystreet
Gast
 
Beiträge: n/a

Hi pennywise,

hm ja, das ist nun mal das Wesen von Kunst, dass jeder reininterpretieren kann, was er darinnen sieht. Ich bin nun kein so guter klaatuu-Kenner, dass ich wüßte, was er meint - sehe aber nunmal meine Sicht der Dinge in diesem Gedicht. Vielleicht müssen wir beide warten, bis der Reclam-Verlag ein kleines Heftchen herausgibt mit "Materialien zu Klaatuu-Gedichten"

Die überzogene Prozentzahl ist vllt. wirklich ein bißchen hoch gegriffen. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass eine große Anzahl der Männer weibliche Wesen als Dienstleisterinnen ansieht, die dazu da sind, ihre Sexualität zu befriedigen bzw. zu befrieden.

Vergewaltigung in der Ehe bspw. war bis weit ins Ende des letzten Jahrhunderts hinein kein Straftatbestand - warum wohl?
Was Mißbrauch von Kindern anbelangt tun sich immer größere Abgründe auf - warum wohl?
usw. usf.

Beste Grüße
4WS
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