Krösus

[Cornelius]

Wanderer, kommst du nach Delphi,
knipst du ganz gewiss ein Selfie
und entfernst dich wieder eilig.
Einstmals, dem Apollo heilig,

prophezeite ein Orakel
die Triumphe und Debakel -
was die Zukunft bringen sollte,
jedem, der es fragen wollte.

An der hohen Eingangspforte
finden sich die weisen Worte
"Gnothi se autón" graviert,
griechisch und mit Stuck verziert.

Eines Tages kommt ein müder
Pilger aus dem Reich der Lyder:
Krösus, der an fernem Strande
König ist in jenem Lande.

Reiche Opfergaben schleppt er.
Angetan mit Kron und Zepter
röstet er zwei Zentner Gyros
vor dem Feldzug gegen Kyros.

"Pythia, verkünde mir,
denn deswegen bin ich hier:
Soll ich Persien überfallen?"
Aus dem Qualm ertönt ein Lallen:

Wenn du rasch von hinnen reitest
und den Halys überschreitest,
wirst ein Großreich du zerstören."
- "Danke sehr, das wollt ich hören."

Von des Tempels Marmorstufen
eilt der Gast auf schnellen Hufen,
lässt sein Heer voll Kriegsgelüsten
sich zum Siegeszuge rüsten.

Wochen später sitzt er schon
wieder auf dem Heimatthron,
festgezurrt und abgemagert.
Kyros hat die Stadt belagert,

eingenommen und ihm diesen
Ehrensessel angewiesen.
Ringsum brennt ein Scheiterhaufen.
Was ist hier bloß falsch gelaufen?

Wie ein Blitz vom Himmel trifft
ihn der Sinn der weisen Schrift.
Die Gedächtnisglocke läutet.
"Gnothi se autón" bedeutet:

"Soll ich dir dein Schicksal nennen,
musst du dich erst selbst erkennen."