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Alt 16.01.2013, 18:53   #1
männlich Desperado
 
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Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Standard Alter Kämpfer

Der hoffnungslose Kämpfer ist bei seinen Gegnern als der unberechenbarste und gefährlichste gefürchtet, und das völlig zu Recht.

Niemand kann so genau sagen, für oder gegen was er eigentlich kämpft und mit wem gegen wen, mal wirft er sich tollkühn und leidenschaftlich in die Bresche, mal schaut er ebenso teilnahmslos zu, er streitet ganz nach Lust und Laune wie es scheinen mag- ohne jemals Anhänger hinter sich zu scharen oder sich auch nur um Verbündete zu bemühen.

Nie kannst du vorhersagen, wo er auftaucht und was er sich diesmal wieder hat einfallen lassen an Finten und Hinterhalten, Scheinangriffen und Täuschungsmanövern, weil du immer das Gefühl hast, dass er das vorher selbst nicht weiß und nicht einmal im Laufe einer Kampfhandlung bewusst tut, sondern eher intuitiv und nicht nachvollziehbar. Er tut einfach, was er tut, seine unheimliche Gelassenheit hindert ihn mitnichten an vernichtenden Schlägen, sein brodelnder Zorn nicht am gleichzeitigen Gähnen und Lachen, er fürchtet nicht Tod und Teufel und wer weiß, vielleicht nicht einmal den Allmächtigen.

Da ist keine Wand in seinem Rücken und keine Enge, in die er sich treiben lässt, weil ihm beides gleich gleichgültig ist, Sieg oder Niederlage, Erfolg oder Pleite, Vernichtung oder Überleben, was auch immer für ihn rauskommt bei der Sache, er kann nur noch gewinnen, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Er kämpft, weil er kämpfen muss, dazu genötigt aber nimmt er sich die Freiheit, den Kampf nach seinen Vorstellungen und Launen zu gestalten. Immer.

Und wenn er nicht kämpfen will, wirst du ihn nicht finden und aufstöbern können, auch diese Freiheit nimmt er sich, er einzig und ganz allein weiß, wofür er kämpft und er tut es ohne jede Hoffnung.

Drum leg dich lieber nicht mit ihm an, du kannst ihn vierteilen und wirst keine Freude daran finden, weil ihn das zweischneidige Schwert der Wahrheit längst zweigeteilt hat vom Scheitel bis zur Sohle und er seine Zeche bis auf den letzten Heller bezahlt.

Du aber wirst draufzahlen, so oder so.
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Alt 16.01.2013, 19:14   #2
männlich Ex-Bane
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Beiträge: 366

Zitat:
Zitat von Desperado Beitrag anzeigen
Der hoffnungslose Kämpfer ist bei seinen Gegnern als der unberechenbarste und gefährlichste gefürchtet, und das völlig zu Recht.
Nein, Desperado, da täuschst Du Dich. Ein hoffnungsloser Kämpfer ist kein Kämpfer mehr. Er ist nur noch ein Hoffnungsloser. Und seinen Gegnern jagt er auch keine Angst mehr ein. Im Gegenteil. Die gehen davon aus, dass sie es waren, die dem einst gefürchteten Kämpfer alle Hoffnungen nahmen.
Vom Hoffnungslosen ist es nicht mehr weit bis zum Gebrochenen.

Bane
Ex-Bane ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2013, 08:30   #3
männlich Desperado
 
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Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Zitat:
Zitat von Bane Beitrag anzeigen
Vom Hoffnungslosen ist es nicht mehr weit bis zum Gebrochenen.
Klar Bane,

ich würde diese spontane Zeilenskizze auch nicht überbewerten.

Die Frage, wie groß der Unterschied zwischen einem "Ich kämpfe bis zuletzt" und einem "Ich kämpfe nie mehr wieder" ist, beschäftigte mich in den letzten Tagen -übrigens unabhängig von vergleichsweise bedeutungslosen Vorgängen im Forum, sondern infolge der persönlichen Aufarbeitung meines Federhut "Romanes"- kontinuierlich, ich denke, die Grenze von "bis zum Tod" zum "ich bin schon tot" ist fließend, manchen Verzweifelten macht sogar erst die Hoffnungslosigkeit zum Kämpfer, der aussichtslose Kampf ist nicht selten unvergleichlich erbittert...

eher in diese Richtung gehend ist obiger Eintrag zu verstehen. In einem Land wie dem unsrigen ist der Mensch nicht vor derlei existenzielle Entscheidungen gestellt, höchstens im übertragenen Sinn, der trotz allem Fluchtwege und Nischen offen lässt.

Es ist nicht selten der Fall, dass mein zweiter Eintrag des selben Tages nichts mit einem vorherigen Austausch zu einem ersten zu tun hat, ich hake da gründlich ab und wende mich -in diesem Falle vertiefend inspiriert- wieder Dingen zu, die mich davor schon beschäftigten, dabei übersehe ich oft, dass es anderen vielleicht nicht so geht und sie einen direkten Bezug zum Vorhergegangenen herstellen, in unmittelbarer Verknüpfung mit der Diskussion zum kompromisslosen "Intelligenzverlust" zum Beispiel hast Du natürlich vollkommen recht mit dem, was Du sagst. Weshalb ich Dir bezüglich etwa der berechtigten Auseinandersetzungen im Forum auch nicht widerspreche.

Der Titel "Alter Kämpfer" ist zusätzlich irreführend, ich hab ihn nur deshalb von Nitribitto aufgegriffen, weil er gut zu meinen Überlegungen der letzten Tage passte. Aber eigentlich geht's hier im Grunde genommen um den hoffnungslosen Widerstand der Indianervölker, um Geronimo und dergleichen Gestalten, in die hineinzuversetzen ich mich nach wie vor versuch(t)e. Sie hatten nicht die Freiheit, ihre Angreifer und Feinde einfach zu ignorieren und waren zudem von Verrat umzingelt...

Tja, aus mir schlau zu werden ist wohl nicht so ganz einfach, ich hab's längst aufgegeben.

In diesem Sinne: Unverdrossen weitermachen!
Desperado
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Alt 17.01.2013, 21:56   #4
männlich DEAD MAN
 
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Ort: Wüste
Alter: 47
Beiträge: 74

Hallo Desperado,

hab vor Kurzem wahrscheinlich so einen "ALTEN KÄMPFER" hier draußen getroffen. Es war so gegen Mittag. Laß es um die 40 Grad gehabt haben. Wie auch immer, er sah nach nichts aus der Typ und da stand ich nun vor ihm und wollte gerade fragen, was er denn ..., naja, und wie durch Geisterhand gezogen sprang er auf, preschte auf mich zu und frug im selben Atemzug und eine Handbreit entfernt von meinem Gesicht, Aug in Aug, weshalb ich ihm den Weg versperre.

"Bitte? Meilenweit nichts als Wüste und ich steh dir im Weg?" "Was fehlt dir", wollte ich wissen. Da lachte er mich aus. Verstehst du, er lachte, so habe ich noch nie einen Menschen lachen gehört. Ich hatte Angst er verschlingt mich um mich dann unzermahlen in den Staub zu spucken.

Stattdessen wurde es nur dunkel.

Als ich wieder zu mir kam, die Sonne war bereits um einiges weiter, zumindest so weit, daß von ihr nichts mehr zu sehen war, saß er wieder und immer noch an genau derselben Stelle, wo ich ihn bereits Stunden zuvor antraf.

"Hoffnung", flüsterte er kaum aber dennoch wahrnehmbar zu mir herüber. Er sah mich dabei nicht an, er flüsterte nur: "Hoffnung, dasselbe wir Dir." Ich rieb mir die Augen und was soll ich Dir sagen, der Typ war auf einmal verschwunden.

Ich bin aus ihm nicht schlau geworden und entschied mich, die Nacht auch nicht mehr weiter zu gehen. Ich legte mich wieder hin, schaute in die Sterne, versank in meinen Gedanken und murmelte mir etwas in den Bart, ich weiß selbst nicht warum, es war plötzlich da, von "einer Rebellion der Seelen toter Himmelsträume, einem längst der Zeit verlorenem Kodex folgend, von einer Behauptung im tosenden Tribut der Stürme, vom Bluten in der Dämmerung, bis die Wüste der Dämonen mit einem Stoß zum Beben gebracht wird" oder irgendwie so faseliges Zeug.

Wie dem auch sei, was mich dann eigentlich geärgert hat, war dieser andere Typ,der aussah aus wie der Schatten seiner selbst und mir am nächsten Morgen den Weg versperrte. Keine Ahnung wo der nun vorgekrochen kam, er kuckte nur blöd und stammelte irgendein wirres Zeug. Naja, ich hab nur laut gelacht und bin dann weiter.

Staubige Grüße

Dead Man
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Alt 21.01.2013, 08:53   #5
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Nicht ärgern, DEAD MAN, lohnt sich nicht.

Schon gar nicht über Schatten, die einem die Wüstenglut vorgaukelt. Ich hab schon völlig harmlose Mexicanos für gefährliche Bandidos gehalten, nur weil die über die Hitze geflucht haben. Mancher Gebirgspfad ist noch dazu so eng, dass man sich nicht ausweichen kann, so dass jeder meint, der andere würde ihm den Weg versperren, nur weil der brummt: Auch das noch! Und im Nu kommt es zur Keilerei, dass die Schweißtropfen nur so fliegen. Warum und weswegen, das weiß in dem Moment keiner der beiden.

Was des Nachts so an Schatten rumgeistert und Selbstgespräche führt, passt auf keine Büffelhaut. Auch ich denke gerne laut nach in der Dunkelheit, um mich wach zu halten, und es ist mir schon des öfteren passiert, dass ein ebensolcher Nachtwanderer da was auf sich bezogen und in den falschen Hals bekommen hat, ohne dass ich ihn überhaupt wahrgenommen hab.

Wenn ich etwa drüber lästere, dass in den Cities der kleinste heftige Wortwechsel schon als Krieg deklariert wird. Was für ein Hohn! Die Kriegsheimkehrer müssen bis zuletzt mit dem Bewusstsein leben, Menschen getötet zu haben, das ist mal eine Sache, über die den Kopf sich zu zermartern immerhin nachvollziehbar ist, aber wenn einer den andern einen Hornochsen nennt, hab zumindest ich das am nächsten Tag schon wieder vergessen. Nachtragende Leute sind mir zuwider, vor allem dann, wenn sie es sind, die unablässig über einen herzuziehen sich bemüßigt fühlen und sich hinterher endlos beklagen, dass der irgendwann entsprechend rausgegeben hat. Lächerliche Lackaffen das!

Naja, Du hast ja ohnehin das einzig Richtige gemacht: Gelacht. Auch wenn's manchmal zum Weinen ist.

Vogelfreie Grüße
Desperado
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