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Alt 28.02.2019, 15:16   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Mary und Robert (Short Story/Kurzprosa)

Die große Liebe begann in der ersten Klasse. Zumindest von Roberts Seite aus. Mary bemerkte schon damals, wie seine Blicke zu ihr wanderten und manchmal lächelte er sie schüchtern an. Ebenso merkte Mary schon recht früh, dass sie sich nicht viel aus Robert machte, doch sie hielt es nicht für angebracht, ihm das offen zu sagen. Schließlich wusste man nie, wozu man ihn noch brauchen konnte.
Als beide in die Pubertät kamen, spürte Mary, dass Roberts Zuneigung noch intensiver wurde und gleichzeitig entdeckte sie, wie viel Spaß es ihr machte, mit seinen Gefühlen zu spielen. Wenn sie ihn scharf zurechtwies, weil er ihrer Meinung nach zum Beispiel Unsinn im Unterricht erzählt hatte ("Wie kommst du nur auf so etwas? Du musst doch wissen, dass das ganz anders ist als du erklärt hast. Geht das nicht in deinen Kopf rein?"), ließ Robert den Kopf hängen und Mary freute sich diebisch darüber, dass sie die Macht hatte, ihn zu verletzen.
Als beide das Abitur in der Tasche hatten, war es immer noch nicht zu einem Austausch von Zärtlichkeiten zwischen beiden gekommen. Doch Mary hatte bereits ihre Entjungferung mit einem anderen Jungen hinter sich, aus dem sie sich zwar genauso wenig wie aus Robert machte, den sie aber einfach hübsch fand. Doch die ganze Sache war ernüchternd und enttäuschend gewesen. Der Junge hatte keine Ahnung gehabt und das ganze erste Mal war einfach nur von Schmerz und Blut begleitet. Danach hatte Mary von Sex die Nase voll und konzentrierte sich wieder darauf, Robert zu piesacken, mit dem sie gewiss nie Sex haben würde.

Beide fingen an zu studieren, rein zufällig in derselben Stadt. Und da lag es auf der Hand, eine gemeinsame Wohnung zu suchen, um Geld zu sparen. Insgesamt wohnten sie fünf Jahre in dieser Wohnung und auch in dieser Zeit änderte sich ihr Verhältnis zueinander nicht. Robert liebte Mary und sie liebte ihn nicht. Und es kam noch nicht einmal zu einem Kuss zwischen ihnen.
Beide fanden in der gleichen Stadt, in der sie studiert hatten, eine Arbeitsstelle und entschieden sich dafür, weiterhin zusammen zu wohnen.
Als Robert fragte, ob sie ihn heiraten wollte, lachte Mary. "Ich will aber keinen Sex", sagte sie.
"Das ist mir egal. Ich habe bis jetzt ohne Sex mit dir gelebt und kann es weiterhin."
Mary sagte ja.
"Warum hast du ihn geheiratet?" fragte eine Freundin Mary auf der Hochzeit. "Du liebst ihn doch gar nicht."
"Ich habe mich an ihn gewöhnt", antwortete Mary.
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