nur ein halbes leben bei Poetry.de

Nauthiz · 19.02.2007, 11:27

Nach Abwesenheit mal wieder etwas neues von mir...

nur ein halbes leben

weiße wände, neonröhren
leises kichern in der nacht
stille ist wie lärm zu hören
stille, die mich rasend macht

eddingsprüche auf den wänden
mittag – und kein sonnenlicht
dreizehn schnitte in den händen
doch entkommen kann ich nicht

bittersüße zungen sprechen
worte ohne sinngewalt
irgendwo hör glas ich brechen
schritte kommen – mir wird kalt

grob gepackt und rasch gebunden
kabelbinder surrend schnürt
enger sich in klingenwunden
wut wird nun von schmerz geschürt

hilflos suchen bloße füße
halt auf nassem fliesenflur
mich umfängt des blutes süße
ich verstehe diesen schwur

leises klicken… schweig nun, stille!
blut gefriert im kapillar
letztes sehnen, blasser wille
wut erlischt… es ist… es war…

so, und nun könnt ihr mich in der Luft zerreissen *g*

Soul Whisper · 21.02.2007, 16:17

Und damit den Peinigern mit den feinen Nadeln und den künstlichen Träumen zu Hilfe kommen?

Das Wörtchen "Wut" kommt mir wie ein kleiner emotionaler Ausrutscher in dem Szenario der Hilf- und Hoffnungslosigkeit vor.

Nauthiz · 21.02.2007, 16:44

Hö? Das musst du mir näher erklären?
die Wut zieht sich eigentlich durch gesamgte Gedicht "stille, die mach rasend macht" - "wut wird nun von schmerz geschürt" - "wut erlischt..."
Sollte es eigentlich...
Oder interpretiere ich deinen Kommentar jetzt falsch?

Danke übrigens für den Kommentar. Tut gut, mal wieder eine Kritik zu lesen.

LG:nauthiz

tribesant · 21.02.2007, 16:53

Nauthiz,
das ist ein irres Ding. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wahnsinns gute Gefühlsbeschreibung.

dead_poet · 21.02.2007, 17:34

schöne Stimmung, ja. was mir nicht gefällt:
- in der ersten Strophe ist es "nacht", in der zweiten "mittag".
- der plötzliche Umschwung durch II/3, auch die mystische "dreizehn" passt hier nicht, wie ich meine.
- "irgendwo hör glas ich brechen" - schreckliche Inversion! überleg dir doch mal eine Alternative, das geht bestimmt auch anders.
- gleiches in IV/2+3
- "des blutes süße" - buäh, zu schwulstig.
- "schwur"? nein, nicht gut, passt nicht.
- die Punkte in der letzten Strophe, einfache Punkte täten es m.E. auch/besser.

lieben Gruß, dead.

Soul Whisper · 21.02.2007, 17:43

ok- ich versuch mich zu erklären.
Ich war wohl etwas sparsam... Sorry

Das Bild, das du da malst, zeigt dem Betrachter keine offensichtliche Wut.
Niemanden, der wütet,
sondern jemanden, der in sich zusammengesunken ist.

Scheinbar ohnmächtig und hilflos- von außen betrachtet.

Dass es Wut ist, die er sich in seine Hände ritzt (keine Angst, kein Kummer...), Stille, die unerträglich ist... sieht man von außen nicht.
Das macht den 'Wumms' in dem ganzen aus.
Weil die Wut nicht rauskommt, sich nicht wehrt, sich binden und wegspritzen läßt...
Weil ihr ganzer Aus-Druck ein paar blutige Schnitte sind,
nur der innere Schmerz sie zügelt (?).

Somit war meine Kritik eigentliches ein dickes Lob. Ich hab schon viel schlaues über SVV gelesen, selten hat es jemand mit einem derart eindrücklichen Bild so auf den Punkt gebracht.

Nauthiz · 22.02.2007, 08:24

Moin!

@tribesant: dankeschön! Balsam für meine Schreiberseele
@dead:

Zitat:

- in der ersten Strophe ist es "nacht", in der zweiten "mittag".

Ist auf die gesamte Situation bezogen, nicht auf den Moment

Zitat:

- der plötzliche Umschwung durch II/3, auch die mystische "dreizehn" passt hier nicht, wie ich meine.

ok, über die 13 kann man streiten, ich fand sie hier passend. Was den "Umschwung" angeht(falls ich dich richtig verstehe) - irgendwann muss man ja zur Sache kommen

Zitat:

- "irgendwo hör glas ich brechen" - schreckliche Inversion! überleg dir doch mal eine Alternative, das geht bestimmt auch anders.
- gleiches in IV/2+3
- "des blutes süße" - buäh, zu schwulstig.
- "schwur"? nein, nicht gut, passt nicht.

bis auf IV/2+3 und schwur(irgendwie gefällt mir das) seh ichs ein, hab aber auch lange darüber gegrübelt und keine Alternativen gefunden. Vorschläge?

Zitat:

- die Punkte in der letzten Strophe, einfache Punkte täten es m.E. auch/besser.

Geschmackssache: Ich finde es als Moment der Hinrichtung durchaus passend.

@Soul: Die Wut ist auch keinesfalls als Wut gedacht, die das lyrIch auslebt/ausleben kann sondern mehr als "Begleiterscheinung" als inneres Gefühl. Wo die Schnitte tatsächlich herkommen lass ich offen, jedoch war das von mir ursprünglich nicht als Metapher gedacht sondern als Bild "Gefangenschaft-Misshandlung-Wahn-Hinrichtung". Diese andere Interpretationsmöglichkeit gefällt mich jedoch auch ganz gut (auch wenn der Schluss dann etwas brachial ist) und ist durchaus anwendbar und willkommen.

Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, sich hinzusetzen und mir eine Kritik zu schreiben!

LG:nauthiz

Soul Whisper · 22.02.2007, 11:05

Jeder interpretiert nach seinem Hintergrund...
Auf die Todesspritze wär ich nie gekommen, Danke für's Horizonterweitern.

Nauthiz · 22.02.2007, 11:10

Zitat:

Original von Soul Whisper
Jeder interpretiert nach seinem Hintergrund...

Und das ist das interessante daran!

dead_poet · 22.02.2007, 15:48

"höre glasgedanken brechen" wäre eine Möglichkeit.

Nauthiz · 22.02.2007, 15:52

ganz ehrlich?
das würde den sinn total verschieben.
aber ich mach mir schon ständig gedanken, wie man es ändern könnte... vielleicht fällt mir noch was ein...

19.02.2007, 11:27	#1
Nauthiz Dabei seit: 11/2006 Beiträge: 74 Meine Gedichte	nur ein halbes leben Nach Abwesenheit mal wieder etwas neues von mir... nur ein halbes leben weiße wände, neonröhren leises kichern in der nacht stille ist wie lärm zu hören stille, die mich rasend macht eddingsprüche auf den wänden mittag – und kein sonnenlicht dreizehn schnitte in den händen doch entkommen kann ich nicht bittersüße zungen sprechen worte ohne sinngewalt irgendwo hör glas ich brechen schritte kommen – mir wird kalt grob gepackt und rasch gebunden kabelbinder surrend schnürt enger sich in klingenwunden wut wird nun von schmerz geschürt hilflos suchen bloße füße halt auf nassem fliesenflur mich umfängt des blutes süße ich verstehe diesen schwur leises klicken… schweig nun, stille! blut gefriert im kapillar letztes sehnen, blasser wille wut erlischt… es ist… es war… so, und nun könnt ihr mich in der Luft zerreissen g

21.02.2007, 16:17	#2
Soul Whisper Dabei seit: 02/2007 Beiträge: 31 Meine Gedichte	Und damit den Peinigern mit den feinen Nadeln und den künstlichen Träumen zu Hilfe kommen? Das Wörtchen "Wut" kommt mir wie ein kleiner emotionaler Ausrutscher in dem Szenario der Hilf- und Hoffnungslosigkeit vor.

21.02.2007, 16:44	#3
Nauthiz Dabei seit: 11/2006 Beiträge: 74 Meine Gedichte	Hö? Das musst du mir näher erklären? die Wut zieht sich eigentlich durch gesamgte Gedicht "stille, die mach rasend macht" - "wut wird nun von schmerz geschürt" - "wut erlischt..." Sollte es eigentlich... Oder interpretiere ich deinen Kommentar jetzt falsch? Danke übrigens für den Kommentar. Tut gut, mal wieder eine Kritik zu lesen. LG:nauthiz

21.02.2007, 16:53	#4
tribesant Dabei seit: 07/2006 Beiträge: 158 Meine Gedichte	Nauthiz, das ist ein irres Ding. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wahnsinns gute Gefühlsbeschreibung.

21.02.2007, 17:34	#5
dead_poet Dabei seit: 03/2006 Beiträge: 624 Meine Gedichte	schöne Stimmung, ja. was mir nicht gefällt: - in der ersten Strophe ist es "nacht", in der zweiten "mittag". - der plötzliche Umschwung durch II/3, auch die mystische "dreizehn" passt hier nicht, wie ich meine. - "irgendwo hör glas ich brechen" - schreckliche Inversion! überleg dir doch mal eine Alternative, das geht bestimmt auch anders. - gleiches in IV/2+3 - "des blutes süße" - buäh, zu schwulstig. - "schwur"? nein, nicht gut, passt nicht. - die Punkte in der letzten Strophe, einfache Punkte täten es m.E. auch/besser. lieben Gruß, dead.

21.02.2007, 17:43	#6
Soul Whisper Dabei seit: 02/2007 Beiträge: 31 Meine Gedichte	ok- ich versuch mich zu erklären. Ich war wohl etwas sparsam... Sorry Das Bild, das du da malst, zeigt dem Betrachter keine offensichtliche Wut. Niemanden, der wütet, sondern jemanden, der in sich zusammengesunken ist. Scheinbar ohnmächtig und hilflos- von außen betrachtet. Dass es Wut ist, die er sich in seine Hände ritzt (keine Angst, kein Kummer...), Stille, die unerträglich ist... sieht man von außen nicht. Das macht den 'Wumms' in dem ganzen aus. Weil die Wut nicht rauskommt, sich nicht wehrt, sich binden und wegspritzen läßt... Weil ihr ganzer Aus-Druck ein paar blutige Schnitte sind, nur der innere Schmerz sie zügelt (?). Somit war meine Kritik eigentliches ein dickes Lob. Ich hab schon viel schlaues über SVV gelesen, selten hat es jemand mit einem derart eindrücklichen Bild so auf den Punkt gebracht.

22.02.2007, 11:05	#8
Soul Whisper Dabei seit: 02/2007 Beiträge: 31 Meine Gedichte	Jeder interpretiert nach seinem Hintergrund... Auf die Todesspritze wär ich nie gekommen, Danke für's Horizonterweitern.

22.02.2007, 15:48	#10
dead_poet Dabei seit: 03/2006 Beiträge: 624 Meine Gedichte	"höre glasgedanken brechen" wäre eine Möglichkeit.

22.02.2007, 15:52	#11
Nauthiz Dabei seit: 11/2006 Beiträge: 74 Meine Gedichte	ganz ehrlich? das würde den sinn total verschieben. aber ich mach mir schon ständig gedanken, wie man es ändern könnte... vielleicht fällt mir noch was ein...