Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 14.09.2006, 13:24   #1
Roter Löwe
 
Dabei seit: 09/2006
Beiträge: 108


Standard Sperrfeuer - Eine Nacht in Newropa Prime

Sperrfeuer - Eine Nacht in Newropa Prime

22. Februar 2473


Das Geschütz entlud mit einem sanften Klicken eine korbitummantelte Hülse aus der dunklen Kammer des mannhohen Turmrohres und wurde von einer Automatik in das Depot unter dem Feuerleitstand befördert. Ein Projektil nahm seine kurze Reise auf und schlug in die gewaltigen Mauern des Verteidigungswalls, der die 3. der 7 Primes von Earth umgab, ein. Es war bei seinem erderschütternden Auftreffen nicht alleine, an diesem Tag sollte es regnen. Der Himmel war erfüllt und verdunkelt von Kriegsschiffen des neuen Konzils, der Anspruch auf die Toralinmine unter den Krypten des Riesenkomplexes erhob.
Nach dem 5. Weltkrieg war die Oberfläche des Planeten unbrauchbar geworden, und die Bevölkerung auf eine Milliarde geschrumpft. Erdenbürger zu sein bedeutete ein Fluch, und genau dies ließen sich die Menschen eineander niemals vergessen. Die letzten Ressourcen lagen unter der Oberfläche, und dorthin zog es die Menschen nun, wer Leben wollte, wer Überleben wollte, stieg nach unten, unter die Katakomben der gewaltigen Megaplex-Städte, der letzten Bollwerke der Menschheit.

Die Automatikgeschütze der Prime-City erwiederten von den hundert Schritt hohen Metallmauern das Feuer auf die Antigrav-Fregatten und Enterfähren. Seit 150 Jahren wurde jeder Citizen an der aktuellen Bewaffnung geschult, und so verbarrikadierten sich nun neunzig Millionen bewaffneter Newropeans hinter den trotzenden Mauern und waren bereit, ihr Erz nicht kampflos aufzugeben. Einer von ihnen war Myron.

Myron saß mit dem Rücken zur Wand in einem Truppentransporter, der auf den großen Central-Plaza vor dem Regierungsgebäude zuhielt. In seinen Händen hielt er ein Gewehr, in seinem Kopf einen Monolog mit sich selbst. Joy hatte geweint, als sie ihren Geliebten durch die Bunkertür hatte gehen sehn, zusammen mit den hundertausenden von Milizionären, die ebenfalls nur eine durchschnittliche Überlebensrate von 23% hatten. Das Sperrfeuer der Artillerie und die verseuchte Atmosphäre ließen nicht viel Widerstand durch Soldaten zu, doch an vielen Stellen der gewaltigen Stadt wurden Attentats- und Selbstmordkommandos von Legionen schwerbefaffneter Eliteeinheiten auf wichtige strategische Ziele geführt. Umso weniger Menschen es gab, umso weniger waren sie auch wert. Auf der Erde, und auch auf den anderen besiedelten Planeten führten die Menschen erbitterte Kriege um die Vorherrschaft. Und viel Material war entbehrlich geworden, seit dem die Welt wertlos geworden war, und der Tod allgegenwärtig war.
Die Pulszelle seiner Waffe war fertig aufgeladen und das Rumpeln der Einschläge von Aussen kaum hörbar. Jodie lächelte ihrem Kameraden zu, doch Myron spürte nur das Kribbeln und Brennen in den Augen, als er die Tränen runterschluckte. Die äußeren Luftzufuhrschächte sollten bewacht werden, es wurden Anschläge vermutet. Ihre blauen Augen erinnerten ihn an Joy, seine Verlobte hatte ihm einen Talisman mitgegeben, der ihn daran erinnern sollte, dass es für ihn mehr als nur einen Grund gab, lebend zurückzukehren. Er bettelte in seinem Kopf darum, sie wiedersehen zu dürfen, doch wusste er nicht einmal selbst, wer ihn denn erhören sollte. Der Milizionär wickelte das Lederband mit dem baumelnden Ankh um seine rechte Hand, und hielt sich an seinem Gewehr fest. Aus den Fenstern erblickte er den grauen Himmel und die Dutzenden von anderen Hovertanks, die mit ihnen über Wohnpfeiler und die Strukturen der Stadt preschten. Ein rasches Absinken kündigte ihre Ankunft an, ein Ruck bestätigte die Landung. Jeder trug jetzt seine Atemschutzmaske mit einem Vorrat für 45 Ticks, wer so lange überlebte, wurde von der Front durch einen anderen Soldaten ersetzt.

Die Angriffsluken öffneten sich und der giftige Staub wehte den Truppen zur Umarmung entgegen, als der Hagel begann. Railgeschosse durchlöcherten die Leiber und den Stahl der Transporter. Zu hunderten wurden Schneisen in das Material aus Mensch und Maschine getrieben. Unbekannte Gegner in schwarzen Uniformen, unsäglicher Lärm und roter Sand vermischten sich zu einem brüllenden Ungeheuer, das Vernichtung über die Gegner brachte. Ein Stoß brachte ihn zu Fall, Jodie hatte ihn zu Boden geworfen und lag nun neben ihm in Feuerhaltung und entlud die tödliche Fracht des Pulsgewehrs in die Männer und Frauen, die ihnen das Leben streitig machen wollten. Ein Büchel Haare lugte unter ihrem Helm hervor und zitterte im Wind. Myron wachte auf, als brennende Projektile vor ihm in den Boden peitschten, er schlug mit der Rechten auf den Schnellfeuer-Schalter seiner Waffe und erwiederte den Tod. Sie rückten langsam vor, der Gegner zurück. Vorne kniete die erste Reiihe der Stadtverteidiger, dahinter stand die zweite und bildete einen sterbenden aber standhaften Wall aus Eroberern. Geschmolzenes Metall spritze bei den Einschlägen durch die Luft und selbst durch den Atemschutz konnten sie das verbrannte Fleisch riechen.

Diese Position war gesichert, gab der Force-Commander durch. Der Lethal-Surveillance-Count, der automatisch upgedated wurde, ergab einen Truppenverlust von 41%. Die Mission war erfolgreich. Der gewaltige Luftansaugschacht mit der länge von einem ganzen Häuserblock sollte gesichert werden, dazu wurden nun Barrikaden errichtet, die Umgebung schien sicher zu sein. Während die Hovertanks mit ihren Geschützen einen Wall bildeten, verschanzten sich die Truppen hinter den von den Panzern abgekoppelten Metallbarrieren. Der Himmel glühte von ankommenden Projektilen, die von den Raumschiffen des neuen Konzils abgefeuert wurden. Es sah so friedlich aus, und ließ Tausende verbrennen.
Der Kommandant brüllte Befehle, Hazardeure mit schweren Geschützen eröffneten das Feuer auf die Myrons Stellung, sie wurden überrascht. Er hörte das dumpfe Gehämmer und scharfe Geklirre der rasselnden Waffen, die Verteidigungswälle schmolzen im Sperrfeuer der Geschosse und die Faust einer Artillerie donnerte vor ihm in den Boden. Eine Druckwelle fegte ihn durch die Luft und ließ ihn trudelnd gegen eine Mauer prallen. Er schrie hinter seiner Maske als seine Schulter auskugelte und seine Knochen brachen. Mit dem Gesicht landete er auf dem Boden, durch das Visier wirkte all dies trotzdem so weit weg. Der Schmerz war überall inseiner Welt und wollte ihn wegziehen, in den Schlaf. Doch er spürte trotzdem noch das kleine Lederbändchen, das ihn lebend sehen wollte. Myron versuchte sich mit dem verbliebenen Arm aufzurichten und sah einen seiner Kameraden im ätzenden Staub vor sich liegen. Ein verbogenes Stück Stahl ragte aus seinem Bauch und er wandt sich vor Schmerzen. Der Verteidiger war durch ein Stück Baugerüst regelrecht gepfählt worden. Myron biss nun die Zähne mit aller Gewalt aufeinander und versuchte seine zitternden und wankenden Knie zur Leistung anzutreiben um seinem Kameraden zu helfen.

Er wollte die Eisenstange aus dem Bauch des Soldaten ziehen, und ihn zum Sanitäter bringen. Das musste doch gehen. Seine funktionierende Hand klammerte sich um das Metall, er zog mit all seiner Kraft, er zog mit allem was sein paralysierter schmerzender Körper zu bieten hatte, doch es wurde ihm kalt, als er den Soldat durch das Visier ansah.

Es war Jodie.
Die Bewegungen des zuckenden Körpers waren am verstummen, langsam legte sich der Wind, der Sand wurde zu Boden getragen. Aus der Ferne kam die Langsamkeit über das Land. Er beobachtete dass sich die Pupillen der Frau weiteten, er sah ihr beim Sterben zu. Die Tränen verschleiderten seinen Blick und er pressten seine Augen zusammen, damit er wieder klarer wurde. Er wimmerte und wiederholte immer wieder ihren Namen. Er hielt ihre Hand. Er sah der Frau beim Sterben zu, er sah der Frau in diesem Krieg beim Sterben zu. Er sah seiner Schwester in diesem Moment beim sterben zu.

RL
Roter Löwe ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Sperrfeuer - Eine Nacht in Newropa Prime




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.