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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy.

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Alt 31.10.2013, 11:03   #1
männlich Desperado
 
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Standard Gehört jetzt Jesus

Gehört jetzt Jesus

Richte ihn aus und zerreiß dir das Maul, er hat dich aus'm Tritt gebracht,
weil er sich nichts mehr macht aus dem Plunder, ohne den du nicht leben kannst,
lach ihn aus hinter seinem Rücken, so wie's die andern tun,
hau ihm um die Ohren, was er mal war, wenn er dir vor die Nase tanzt.

Er gehört jetzt Jesus,
verspott ihn bis aufs Bein,
du hast ja was Besseres,
du hast ein Herz aus Stein.

Unterbrich dein Gespräch, wenn er des Weges kommt,
in der Hoffnung, dass er auf die Schnauze fällt, ach, wie wär das fein,
weil er sich von keinem Aberglauben ausplündern lässt,
unbestechlich ist und dir nichts abkauft von dem Zeug, dass du drückst ihm rein.

Er gehört jetzt Jesus,
verhöhn ihn bis aufs Gebein,
da hast ja schließlich was Besseres,
denn du hast ein Herz aus Stein.

Nenn ihn schwerhörig und einen Trottel,
wenn er nicht hüpft nach der Peitsche, die dich in die Reihe zwingt,
nenn ihn weltfremd, wenn du ihn reizen willst,
weil er dem König keinen Tribut zollt, dem du dich hast verdingt.

Er gehört jetzt Jesus,
verspott ihn bis aufs Bein,
du hast ja was Besseres,
du hast ein Herz aus Stein.

Nenn ihn Loser ohne Menschenverstand,
weil er seinen Wert nicht auf andrer Kosten oben hält,
keine Angst hat davor, Neues zu probiern und dir kein Lächeln schenkt,
nenn ihn stillos, weil er keinen Witz reißt und dir keine Märchen erzählt.

Er gehört jetzt Jesus,
verhöhn ihn bis aufs Gebein,
du hast ja schließlich was Besseres,
denn du hast ein Herz aus Stein.

Lach ruhig über Erlösung, zieh deine Olympiaden durch,
glaub ruhig, dass du zurückkehrst wo du herkommst, wenn endlich du gestorben,
doch du hast deine eigene Geschichte gemacht und dich verändert seit dem Mutterleib,
sag, wo ist dein wahres Ich abgeblieben, sag, wer hat dich so verdorben?

Er gehört jetzt Jesus,
verspott ihn bis aufs Bein,
du hast ja was Besseres,
du hast ein Herz aus Stein.


Frei nach:
Property Of Jesus
Bob Dylan 1981
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.10.2013, 19:03   #2
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hallo, Desperado,

mir hat deine freie Übersetzung des Dylan Songs gefallen.
Du hältst dich im Aufbau an die Vorlage, (jeweils 4 Langzeilen und die Kurzzeilen im Refrain und schaffst es sogar, in den Strophen jeweils die 2. und die 4. Zeile zu reimen, wenn auch manchmal mit unschönen Inversionen,. Trotzdem alle Achtung!

Was mir aber am meisten gefällt, ist deine Sprache. Sie ist um einiges drastischer, umgangssprachlicher (zerreiß dir das Maul statt "talk about him", Plunder statt "things", 2. Zeile, hau ihm um die Ohren statt "remind him of what he used to be, dass er auf die Schnauze fällt statt "hope he falls upon himself" usw.
Dadurch bekommt es einen anderen Klang, wird dem Gefühl hinter diesen Zeilen aber, meiner Meinung nach, durchaus gererecht.

Hab mich gern damit beschäftigt, bin ein Dylan-Fan,

lieben Gruß, simba

l
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.10.2013, 20:23   #3
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Ah, da schau her, eine Dylanologin...

Das erste, was mir beim freien Übersetzen aufgefallen ist, simba, und warum ich den Song wohl hervorgekramt habe, ist die verblüffende Tatsache, dass er auf die Stimmung der letzten Tage hier im Forum passt wie die Faust aufs Auge. Dann hab ich mir, wie Du sehr richtig festgestellt hast, die Freiheit genommen, einzelne Formulierungen dahingehend zu "verschärfen", wie sie beim Hören des Liedes rüberkommen- mit diesem zornigen, fast hämischen Unterton, der aus den bloßen Worten allein nicht herauszulesen ist.

Durch die Medien geisterte ja damals die Mär, Dylan habe den Song auf Jagger gemünzt, weil sich der in einem Interview abfällig über seine "Bekehrung" geäußert hat... aber das sind so die Fantastereien, die sich Leute aus den Fingern saugen, die keine Ahnung haben von der Lebenswirklichkeit eines Musikers, vielleicht liegt's auch einfach an der Formulierung Heart of Stone und der Assoziation zum gleichnamigen Stones-Song, no matter.

Wollte man auf jeden abfälligen Quatsch, den Jagger in Interviews so von sich gab(?) mit einem Song antworten, hätte allen voran Bandkollege und Schulfreund Keith Richards ganze Platten voll machen können damit. Tatsache ist, dass Jagger und Dylan gerade in den Achtzigern und Neunzigern des Öfteren und insbesondere bei großen Medien-"Events" im Gesangsduett auf der Bühne zu bestaunen waren, wo von einer Spannung aber nun so gar nichts zu spüren war. Die Stones hatten seinerzeit Like A Rolling Stone als feste Größe in ihrer Set List, Dylan auf der andern Seite bis hinüber ins neue Jahrtausend Not Fade Away, später auch Brown Sugar.

Mit dem Ex-Stone Mick Taylor spielte er die LP Infides ein und engagierte ihn als Lead Gitarristen für die anschließende Reunion Sundown Tournee, Richards und Wood wankten ihm beim Live Aid Auftritt bei, Wood rockte Seven Days nicht nur beim 50th Anniversary Spektakel... nur die wichtigsten Beispiele für die fruchtbaren und freundschaftlichen Connections zwischen Dylan ´n´Stones.

Tom Petty & The Heartbreakers spielten einige seiner Gospelsongs in den zwei gemeinsamen Tourneen, Grateful Dead ebenso, alles tiefgläubige, fromme und asketische Leute... Musiker sind diesbezüglich sehr viel kulanter und toleranter als so manch andere Künstler, ähem. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sie in ihrem knallharten und mitnichten erstrebenswerten Musikerleben Tod und Teufel oft genug ins Gesicht geschaut haben, um keine Probleme damit zu haben, wenn da einer rechtzeitig die Notbremse und einen Schlussstrich zieht, ich weiß es nicht. Sind eben Musiker, das verbindende Element derselben wiegt alle Unterschiedlichkeiten problemlos auf.

Jetzt ist es ein Roman geworden, tja, beim Thema Dylan bin ich da gefährdet.

Danke für Deine Zuschrift, hat mich aufrichtig gefreut!
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2013, 18:42   #4
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hey, Desperado,

danke für die vielen "Insider-Infos". Ein Fan, in dem Sinne, wie das Wort oft verstanden wird, bin ich nicht. Mag aber viele seiner Songs, wir sind ja praktisch mit ihm erwachsen geworden. Ich hab mich auch sehr darüber gefreut, dass er, ich glaub 2008, einen Literaturpreis für seine lyrischen Kompositionen bekam.
Warum du diesen Song gerade jetzt ausgepackt und auf deine Weise moduliert hast, ist mir natürlich klar. Ich kannte ihn nicht und fremdel ein bisschen mit der Formulierung "Property". Aber das spielt keine Rolle, ich bin froh, dass der Text hier steht. Dylan selbst wurde böse kritisiert von Fans und der Musikpresse.
Dass Musikerkollegen, wie du erzählst, damit anscheinend kein Problem hatten, hab ich gern gelesen.
Ich merke, ich habe Lust bekommen, mir noch mehr Texte von ihm genauer anzusehen.

lieben Gruß,
simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.11.2013, 08:24   #5
männlich Desperado
 
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Beiträge: 1.747

Zitat:
Zitat von simbaladung Beitrag anzeigen
danke für die vielen "Insider-Infos".
Dylan selbst wurde böse kritisiert von Fans und der Musikpresse.
Ich merke, ich habe Lust bekommen, mir noch mehr Texte von ihm genauer anzusehen.
Das freut mich ganz besonders, simba.

Die Leute machen sich nicht nur ihr Bildnis von Gott, dass sie dann nach Herzenslust missbrauchen oder bekämpfen können, sondern auch von ihren Idolen, sprich Mitmenschen. Dylan verkörperte für viele sogenannte Fans eine Symbolgestalt des freien Geistes, der sich gegen die Zwangsjacke der Religionen auflehnt oder wenigstens nicht drum kümmert... dass er ganz nebenbei ein freier Mensch ist, der sich nicht vor ihnen, sondern vor sich selbst zu verantworten hat, auf die Idee kamen -kommen- sie nicht. Dass nun ausgerechnet er plötzlich und noch dazu ausgerechnet Christ wird, also ein Spektrum betrat, das mit ihrem selbstgezimmerten Weltbild unvereinbar scheint, überforderte ihr eingleisiges Denken, namhafte Kritiker disqualifizierten sich selber, von der Boulevardpresse ganz zu schweigen.

Dylan selbst war's, der zwar allen Grund hatte, sauer zu sein auf derlei Borniertheit und voreingenommene Intoleranz, es zu Zeiten obigen Songs wohl auch und völlig zu Recht war, aber erstaunlich schnell zu einem "Obs euch nun passt oder nicht, es ist, wies ist, es muss euch nicht gefallen und nun lass uns über was andres reden" zurückfand und sich der "Welt" und seinen verwirrten Fans öffnete als der, der er deshalb immer noch und nach wie vor ist: Bob Dylan eben. Im Gegensatz zu manchen "Kritikern", die bis heute glauben, darüber nörgeln zu müssen, ist er nicht nachtragend. Und ein Heiliger ist er deshalb erst recht nicht geworden.

Er selbst kehrte den "engen" Freikirchen der sogenannten Wiedergeborenen schnell den Rücken und wurde schließlich -oh Schock!- Katholik, was er mit einem Konzert vor dem Papst, der nun ganz bestimmt nicht auf seiner Wellenlänge schwamm, vor aller Welt und ohne weiteren Kommentar zum Ausdruck brachte. "Ein großartiges Konzert, das ich überhaupt nicht bereue", das war's von seiner Seite. (Es ist nun mal so und ganz im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung: Als katholischer Laie -außerhalb kirchlicher Berufstätigkeit- kannst Du machen, was Du willst. Das Kirchengesetz interessiert hier schon lange niemanden mehr, vom Pfarrer bis zum Gelegenheitskirchgänger, der Gerhard Ludwig ist eine peinliche Lachnummer, nichts weiter.)

Wer weiß zum Beispiel, vielmehr regt sich drüber auf, dass der eben verstorbene Lou Reed in fernen Velvet Underground Tagen ein wunderschönes Lied Titels Jesus geschrieben und gesungen hat, ein vertontes Gebet genau genommen? Die Liste fantastischer und "unbeachteter" Gospelsongs ist lang, Janis Joplin, Eric Clapton, Vanilla Fudge, Led Zeppelin... um nur ein paar wenige allein der alten Garde zu nennen.

Nur der Bobby, der hätte das nicht tun dürfen sollen, nein, unser Bobby, der darf das nicht!...
Im Grunde ein beschämendes Armutszeugnis und nichts anderes.

Erfüllten Tag!
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.11.2013, 10:48   #6
männlich Sonnenwind
 
Benutzerbild von Sonnenwind
 
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Beiträge: 1.514

Das hat Format! Beeindruckt mich sowohl in Bezug auf den Text, als auch auf den Inhalt.

Kommentare eingeschlossen.

Wollt ich nur mal gesagt haben.

lg
Sonnenwind

Geändert von Sonnenwind (02.11.2013 um 13:45 Uhr)
Sonnenwind ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.11.2013, 21:55   #7
männlich Desperado
 
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Zitat:
Zitat von Sonnenwind Beitrag anzeigen
Das hat Format!
Der Song hat Format, Sonnenwind, keine Frage.

Meine Kommentare... wohl eher grob vereinfachend und stark gestrafft. Andrerseits gibt es genug Leute, die hundert Buchseiten über diese vergleichsweise kurzzeitige Phase in Dylans Schaffen und ihre nachhaltigen Folgen zustande bringen, ohne deshalb mehr zu sagen als das, was ich hier auf ein überschaubares Format zusammengefasst habe. So gesehen nehm' ich -für meinen Anteil- das Format gerne als Bestätigung an.

Geruhsamen Samstagabend!
Desperado
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