Gesucht: Messias

[Ottilie]

Es hat gestanden, glaubt es mir,
in dem Annoncenteile:
„Wir suchen den Messias zum
höchst allgemeinen Heile.

Bedingung nur: keine Partei.
Kein Draht zu Lobbyisten.
Keine bestimmte Religion
und keine sonst’gen Listen.

Natürlich auch: ganz unbefleckt
und unvoreingenommen.
Wer diese Eigenschaften hat,
wird von uns gern genommen.“

Wer sich bewerbe, sei so frei,
sich möglichst bald zu melden.
Man warte schon in Himmelsau,
dort suche man den Helden.

Ach, dachte ich, grad arbeitslos:
Man könnt‘ ja mal nachfragen.
Vielleicht verhilft mir dieser Job
zu unbeschwerten Tagen!?

Ich fuhr also nach Himmelsau,
ein Dörfchen in der Heide.
Es ging durch manchen dunklen Wald,
durch manche öde Weite.

Doch endlich lachte, licht und blau,
mein Ziel mir just entgegen.
Ich spürte große Hoffnung schon
auf Job und Geld und Segen.

Ich lief die Straße runter und
stand bald vor einer Klause.
Drin wars sehr still. So dachte ich:
Da macht man grade Pause.

Doch auch nach Stunden tat sich nichts.
Kein Laut drang aus den Mauern.
Auf diese Weise würde doch
die Suche unnütz dauern!

Ich klopfte schüchtern. Es blieb still.
Der Laden schien geschlossen.
Nun packte Grimm mich, ich schrie laut:
„Hier bin ich, schaut, Genossen!

Ich bin es, den ihr sucht und braucht,
ich kann den Job ausführen!
Ich kann Messias, glaubt mir das,
ihr werdet es bald spüren!“

Es tat sich nichts. Und ich schwieg still.
Und wandte mich, zu gehen.
Da ging die Tür auf und ich sah
ein Wesen vor mir stehen,

das war nicht groß, weiß Gott: ein Kind!
Ich starrte und mir gingen
die Augen über, denn, wer‘s glaubt:
Es trug ja Vogelschwingen!

Das Kind, es sprach, mit kratz‘ger Stimm‘:
„Die Stelle hat sich, leider.
Sie mögen ja geeignet sein,
doch suchen se mal weiter.

Wir haben kürzlich festgestellt:
Die Qualifikationen
für jene Stelle waren falsch.
So würd‘ es niemand lohnen.

Wer niemals nie parteilich war
und unbefleckt auch immer,
den will niemand, den braucht man nicht,
da wird nur alles schlimmer!

Wir werden nächste Woche gleich
den Job neu inserieren.
Sie könnens bei Bedarf noch mal,
wenns passt, mein Herr, probieren.“

So bin ich wieder heimgekehrt
laut schimpfend und unflätig.
Doch heute denk‘ ich: Schicksal, du!
Du meintest’s mit mir gnädig.

[Epilog]

so hat die unparteilichkeit
die suchenden verdrossen
wogegen doch ein wort anschreit:
ich hab das lied genossen

Trotz des Inhalts eine schöne Weihnachtszeit

wünscht Dir Epilog