Mein liebes Tagebuch

[Eisenvorhang]

(Hauptsache beim Titel direkt verschrieben, ich feiere! Ok, korrigiert.)

Mein liebes Tagebuch: Ich will „ach!“ schreiben und ich wünschte, du könntest mich streicheln oder ich dürfte mich auf deine Seiten niederlegen, um Ruhe finden zu können. Ich bin jeden Tag im Ort. Oft sind die Straßen sehr belebt. Es gibt Tage, wo nur wenige Menschen unterwegs sind. Das macht keinen Unterschied, denn ich muss die Strecke täglich hinter mich bringen. Ich frage mich, wie viele Jahre ich meine Zustände noch ertragen muss? Meine Straßen, die mich durch mein Leben führen, nehmen kein Ende und biegen immer wieder ab. Wird es je anders oder besser werden? So gesehen, biegen meine Straße einerseits immer ab und andererseits tun sie genau das, was sie tun: Sie bilden eine monotone Einöde.
Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte. Ich bin seit acht Jahren schwerbehindert, weil ich an einer schwachen Form des CES leide. Das bedeutet, dass mein Körper funktioniert und mein Geist auch; nur erschöpfe ich bei Stress sehr schnell und dann will mein Körper nicht mehr funktionieren. Arbeiten zu gehen ist nicht mehr möglich, was nicht weiter schlimm ist, da ich einige Hilfen erhalte. So beziehe ich beispielsweise zusätzlich zu den Leistungen aus dem Amt, noch Pflegegeld. Da ich keine Miete bezahlen muss, weil ich allein im zweiten Haus meines Vaters wohne, komme ich gut über die Runden. Große Sprünge kann ich nicht machen und weit springen möchte ich nicht mehr. Was geschieht aber, wenn mein Vater stirbt und für mich bei dem MDK nicht mehr unterschreiben kann? Dann fiele das Pflegegeld weg. Das Haus kann ich nicht erben, das würde nach dem Ableben meines Vaters wohl dem Staat gehören. Ich hoffe, er hat mir Wohnrecht in seinem Testament gewährt.

Der Ort, in dem ich wohne, ist sehr klein. Ich würde ihn mehr dörflich nennen als urban. Eigentlich will ich nicht klagen und mich beschweren. Es gibt Tage, die für mich sehr schwer sind. Tage, an denen ich aus dem Fenster schaue. Laub fliegt mit dem Wind irgendwohin bis er irgendwo landet oder Vögel, die ihr Nest neben dem Gewusel der Menschen bauen, die in ihrer Alltäglichkeit gefangen sind. So wie ich, nur eben anders. Lebendiger? Sie stehen mit beiden Beinen im Leben? Und was ist mit mir? Ich habe auch zwei Beine und stehe irgendwo…
Im Moment denke ich über einen neuen Freundeskreis nach. Wenige Kontakte pflege ich noch, jedoch spüre ich, dass diese mir nicht gut tun. Außerdem hätte ich gern eine Freundin. Aber ich weiß nicht, wie?
Tagebuch, bitte hilf mir! Wie kann mich jemand lieben? Ich bin für die Arbeit zu schwach und besitze keine Nähe zu engen Freunden. Ich wünsche mir eine Zukunft in Azur und das am besten ohne Wolken, so bliebe mir das Leben keine wiederkehrende Enttäuschung und würde auf dem Wege weniger zu einer elendigen Farce. Meine schlimmste Befürchtung: Das ich irgendwann stürbe und keiner würde es merken. Wie viele stünden dann an meinem Grab? Ist das dann überhaupt noch wichtig? Als Leiche fühlt man sich überall wohl.

Mich nerven Reaktionen von Menschen, die mit ihren Tipps mein Leben aufwerten wollen!
„Geh doch mal fort und lern neue Menschen kennen“ oder „Wieso reist du nicht mehr?“.
Jeder Ratschlag, der mir gegeben wird, hängt mit Geld zusammen und mit Kraft. Beides habe ich nicht. Ein kluger Ratschlag, wäre was! Ich wache zeitig auf, gehe Einkaufen und dann noch ein Stück spazieren und danach spüre ich, wie ich schwach werde. Sicher, würde ich gern mal vereisen, aber wer bezahlt mir das?
Manchmal denke ich, dass es anderen Menschen nicht viel besser geht. Die haben Arbeit und Kraft, verschwenden jedoch Kraft bei ihrer Arbeit und in ihren Beziehungen. So wie ein Bekannter von mir, der Michael, der seit 23 Jahren verheiratet ist und seine Frau nicht mehr liebt. Beide betrügen sich. Oder letztens, telefonierte ich mit Silvio. Er ist sehr erfolgreich und verdient gut 90000€ im Jahr. Er sagte mir, er sei neidisch auf mich. Weil ich so viel Zeit habe. Wieso bin ich nicht glücklich? Ich bin frei, kinderlos, kann mich ernähren und tun und lassen was ich will. Und trotzdem jammere ich.
Würde all das in mein Leben treten, wonach ich mich sehne, würde dies nicht zu meiner Zufriedenheit oder in das Glück führen. Dann hätte ich andere Probleme und würde mir vermutlich genau das wünschen, was ich jetzt habe.

[Silver]

Lieber Eisenvorhang,

ich habe diesen Hilferuf mit Interesse, Tränen in den Augen und krampfendem Herzen gelesen. Welch Schmerz und auch welche Wahrheiten liegen in diesem Text.

Ich weiß erst, wenn ich es verliere, was ich hatte. Die Wünsche kann ich gut nachvollziehen, geliebt zu werden und eine Familie zu haben. Das Miteinander ist nicht immer einfach, gerade nicht, wenn man allein ist.

Ich wünsche dem LI von Herzen, dass es diesen Mut, den es für diesen Tagebucheintrag aufgebracht hat, in sein Leben integrieren kann und es eine Frau gibt, die den besonderen und klugen Menschen sieht und zu schätzen weiß.

lG, Silver

[Eisenvorhang]

Na Silver,

der Text hat aber mit mir nix zu tun. Ich sehe schon, du hast deinen Beitrag geändert, wäre aber nicht nötig gewesen.

Da dich der Text aber irgendwie bewegen konnte, schätze ich, dass er um Längen besser als Henry ist.

Danke für den comment

Vlg

EV

[Silver]

ich war dermaßen emotional, dass ich das LI mit dem Autor gleichsetzte. Es tut mir leid. Ich sehe meinen Fehler ein und habe deshalb die erste Antwort korrigiert. Danke, dass Du mein gedankenloses übereiltes Handeln nachsiehst.
Der Tagebucheintrag hat mich wirklich zu tiefst berührt.

Silver

[Eisenvorhang]

Du, alles gut... Du hättest es auch stehen lassen können.
Stört mich nicht.

Nur für das nächste Mal: Erzähler ungleich Autor.

Hab einen schönen Tag...

vlg

EV

[Silver]

Weißt Du, wenn ich hier den Erzähler mit dem Autor gleichsetzte, ist das im Grunde für den Autor ein großes Kompliment, denn dann hat er mich erreicht und mitgenommen mit seiner Geschichte.

Ich wollte Vernunft walten lassen und habe meinen ersten Eintrag geändert, doch überrascht mich hier meine Verwechslung nicht. Es gibt sicher Menschen, wie sie hier beschrieben werden. Ob sie sich glücklich schätzen oder mich traurig stimmen sollten, kann ich gar nicht so genau sagen.

Herzlichst Silver

[Eisenvorhang]

Ich denke, alles was es in TV, Buch und Co gab, gab es auch in Wirklichkeit oder wird es in Wirklichkeit noch geben.

Interessant daher auch SciFI!
Mich interessieren Randphänomene und total abgedrehte Sachen.
Der Mainstream lässt mich völlig kalt.

Mein Ziel bei der Geschichte war es, die erhaltene Kritik umzusetzen und ich glaube, mir gelang das ganz gut. Leider habe ich die 4200 Zeichen überschritten (nur leicht).
Komischerweise komme ich an Henry nicht mehr so ran, wie ich will. Der ist abgelutscht.

Da wird sich Franka ärgern

[Ex-frankaaimy]

Das ist sehr viel besser! Lob, EV.
Und jetzt wende dich Henry zu.

Damit kannst du mich nicht ärgern!
Du schadest dir nur selbst.

[Eisenvorhang]

Danke!
Der Henry ist bereits fertig...
Ich lasse ihn aber liegen, und schaue in ein paar Tagen nochmal druff.
Keine Sorge, ich mach ihn fertig...

vlg

ev