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Alt 04.06.2012, 10:01   #1
gummibaum
 
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Alter: 70
Beiträge: 10.909


Standard Prinzipien zeigen

Technische Geräte dauernd zu warten, halte ich für äußerst kontraproduktiv. Jeder kann schließlich für sich selbst sorgen. Wenn man das einmal anfängt, diesen Geräten zu sehr entgegenzukommen, verlangen sie es nachher ständig.
So meine Waschmaschine! Sie hat ein Flusen-Sieb, aber, wer -wie sie- unbedingt so etwas haben will, soll es auch reinigen. Am Anfang habe ich es einmal für sie getan, sie war ja noch jung und unerfahren und so musste ich es ihr zeigen. Inzwischen aber verlange ich, dass sie die Pflicht übernimmt. Ich habe mich konsequent nicht mehr um dieses Sieb gekümmert.
Neulich hatte sie dann den zu erwartenden sinnlosen Trotzanfall. Ich kam in die Küche, wo sie steht und wusch und trat in eine riesige Pfütze frisch erbrochener Waschlauge. Wie ich sah, ließ sie ihren Inhalt aus der Abdeckung fließen, statt ihn durch den Schlauch zu pumpen. Ich sollte also merken, dass ihr Sieb verstopft ist, ihr Schlauch gar kein Wasser bekommt und mir noch Vorwürfe machen. Wie ein Baby war sie, das einem den Brei ins Gesicht spuckt, weil ihm gerade irgendetwas nicht passt. Nun, bei mir war sie damit an den Falschen geraten. „Das saugst du schön wieder ein!“, sagte ich nur und setzte mich abwartend vor die Küchentür, unter der das Wasser schon hervorlief, um jetzt auch im Flur zu stehen. „Aussitzen“, sagte ich ruhig vor mich hin.
Da klingelte es. Der Mann, der unter mir wohnt, sonst nie zu mir herauf kommt, stand plötzlich vor der Tür und berichtete wutzitternd und mit starker Stimme, von seiner Küchendecke tropfe das Wasser. Ob ich die Waschmaschine auslaufen ließe.
Ich hasse es, wenn Leute mich mitten im Erziehungsprogramm stören wollen. „Reden Sie doch bitte leiser!“, sagte ich als erstes, „es gibt hier jemand, der nicht unbedingt alles mithören muss!“ Es war mir klar, dass die Waschmaschine nur darauf wartete, dass ich von anderer Seite noch Druck bekomme. Der Hausbewohner hatte natürlich in seiner Einfalt geglaubt, ich eile zur Küche, komme aschfahl zurück, um gleich darauf demütig mit Scheuerlappen vor meiner Waschmaschine zu knien. Und nun musste er sich belehren lassen. Er wirkte sichtlich verwirrt. Und als ich mich nicht weiter rührte, sagte er geradezu hilflos: „Ich hole den Vermieter!“ und ging.
Es war in diesem Moment klar für mich, dass ich kein zweites Mal an die Tür gehe. Prinzipien durchzusetzen ist etwas, dass keine Unterbrechung duldet.
Und so blieb ich denn auf meinem Stuhl im Flur, als es kurz darauf Sturm klingelte. Ich räusperte mich lediglich unwillig und betrachtete, wie die Schaumblasen auf kleinen Strudeln Richtung Tür zum Treppenhaus trieben. Das Telefon klingelte nun mehrmals. Es war der sinnlose Versuch, mich irgendwie in die Zange zu nehmen.
Die Waschmaschine war zum Spülgang übergegangen. Ich sah, dass ihr der Schaum ausging, lediglich klares Wasser drang noch hervor. Und so war ich auf dem richtigen Wege. Fast schlug ich mich jetzt auf ihre Seite und freute mich schon auf den Schleudergang, weil ich wusste, dass ich die Unwucht der Schleuder nicht hatte beheben lassen. Nein, nein, dass meine Waschmaschine sich nicht darum kümmerte, endlich zu gesunden und fortfuhr, ohrenbetäubend in der Küche zu vibrieren. Das würde den Einfaltspinsel unter mir gleich noch einmal zwingen, einen gewissen Terror mannhaft wie ich, ja ruhevoll, auszuhalten.
Ich hörte draußen ein Martinshorn und wusste gleich, dass die Feuerwehr anrückte. Einen Augenblick lang fühlte ich mich wirklich in der Falle, stützte sorgenvoll das Kinn in die Hand. Doch da begann das Schleudern.
Es schleuderte so laut, dass ich verschiedene andere Geräusche nicht richtig deutete. Es gab zunächst ein hartes Klopfen, das ich für ein Anschlagen der Trommel ans Gehäuse hielt. Dann folgte ein knirschendes, dann knarrendes Geräusch, aber ich sah nicht nach der Tür, nur nach der Waschmaschine und bemerkte, wie der aufgeweichte Fußboden unter ihrem herrlichen Stampfen langsam nachgab und die Maschine plötzlich verschwand. Der Stecker riss aus der Dose, es funkte, der Schlauch, der ihr das Waser zugeführt hatte, riss auch, ein Wasserstrahl schoss auf mich zu.
In solchen Momenten geben die meisten Menschen sich geschlagen. Ich aber nicht. Ich stand auf, klatschnass, sah den Feuerwehrmännern, die durch die aufgebrochene Tür hereinstürzten, ungehalten entgegen: „Schön, dass Sie endlich, endlich kommen. Nur leider zu spät! Der Unmensch hat die Decke mit seine Handwerksarbeiten zum Einsturz gebracht. Meine Waschmaschine liegt unten und alles ist hier nass!“ Ich ging zum Wasserhahn und drehte ihn zu.
Als wir ins untere Stockwerk kamen, war dort in der Küche ein Chaos. Lehmbrocken, Backsteine und Seifenlauge waren das erste, unübersehbare Zeichen dafür. Dann fanden sie die geborstene Waschmaschine und darunter, erschlagen, zwei Menschen.
Es ist unklar, warum mein Vermieter noch einmal mit in diese Küche gekommen ist und warum die beiden gerade unter der Maschine standen, als die Decke einbrach. Jedenfalls hat man eine Bohrmaschine gefunden, die dieser Wohnungsbesitzer wohl nicht aus der Hand gelegt hatte, als ihn der Mann unter mir alarmierte. So war meine riskante Aussage über angebliche Handwerksarbeiten an der Decke völlig glaubhaft.
Die Haftpflichtversicherung dieses mir fast unbekannten Herrn, der nun nicht mehr unter mir wohnt, hat den Schadensfall sofort übernommen. Vom bezahlten Hotel aus beobachte ich die Instandsetzung meiner Wohnung. Und die Wohnung unter mir wird nun als Maisonette dazu gehören. Auch eine neue Waschmaschine bekomme ich natürlich.
Die alte aber bleibt zur Mahnung in der Küche! Wer seine Prinzipien hat, soll sie auch zeigen.
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.06.2012, 10:56   #2
weiblich Ex-Suzette
abgemeldet
 
Dabei seit: 04/2010
Beiträge: 603


Hallo gummibaun,
eine ziemlich lustige, haasträubende Satire!!!
Ich wollt, ich könnt lachen ...
Coolen Gruß von
Suzette
Ex-Suzette ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.06.2012, 16:14   #3
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Hallo, Suzette,

schön, dass du geantwortet hast. Ich habe den Text noch einmal etwas überarbeitet.

LG gummibaum



Prinzipien zeigen

Technische Geräte verlangen oft dauernde Wartung. Aber dieses Verlangen ist anerzogen. Natürlich, wenn man darauf eingeht, sie zu verwöhnen,
verlangen sie es dauernd und werden nie selbstständig.

Ein gutes Beispiel ist meine Waschmaschine. Sie hat ein Flusen-Sieb, glaubt aber, dass ich es ihr reinige. Ich habe es am Anfang getan, weil ich glaubte, dass sie noch jung sei und unerfahren und man es ihr erst einmal zeigen müsste. Aber inzwischen verlange ich, dass sie ihre Pflicht übernimmt und die Hygiene alleine herstellt. Ich habe mich also konsequent nicht mehr um dieses Sieb gekümmert. Aber sie eben auch nicht.

Und neulich hat sie dann den zu erwartenden Trotz-Anfall gehabt. Ich kam in die Küche, wo sie waschen sollte und trat in eine riesige Pfütze frisch erbrochener Waschlauge. Wie ich sah, ließ sie ihren Inhalt einfach aus der Abdeckung fließen, statt ihn durch den Schlauch zu pressen.

Ich sollte also merken, dass ihr Sieb verstopft ist, ihr Schlauch kein Wasser bekommt und sollte mir Vorwürfe machen, dass ich sie vernachlässige. Wie ein Baby gebärdete sie sich, das den Eltern den Brei entgegenspuckt, weil ihm gerade etwas nicht gefällt.

Aber sie war bei mir an den Falschen geraten. „Das saugst du schön wieder ein!“, sagte ich mit ruhigem Nachdruck und setzte mich abwartend vor die Küchentür, unter der das Wasser schon hervor lief, um auch im Flur zu stehen. „Aussitzen“, murmelte ich und tat es.

Da klingelte es. Der Mann, der unter mir wohnte, sonst nie zu mir herauf kam, stand plötzlich vor der Tür und berichtete, vor Wut zitternd und mit starker Stimme, von seiner Küchendecke tropfe heftig das Wasser.

Ich hasse es, wenn Leute mich bei Erziehungsübungen stören. „Reden Sie doch bitte leiser!“, sagte ich energisch, „es gibt hier jemand, der nicht unbedingt alles mithören muss!“ Es war mir klar, dass die Waschmaschine nur darauf wartete, dass ich von anderer Seite noch Druck bekomme.

Dieser Mann hatte sicher geglaubt, ich eile zur Küche und werde blass vor Schreck, werfe mich auf die Knie, um mit Scheuerlappen vor meiner Waschmaschine herum zu rutschen. Und auch diese hoffte es. Da ich mich aber nicht rührte, den Mann missbilligend ansah und vorwurfsvoll sprach, genügte das, ihn zu verwirren. Er wirkte hilflos: „Ich hole den Vermieter!“ sagte er und lief nach oben.

Der Vermieter unterbrach seine geräuschvollen Heimwerker-Tätigkeiten, wohl um an die Tür zu gehen. Für mich war klar, dass ich im Moment kein zweites Mal dorthin ginge. Prinzipien durchzusetzen ist etwas, das keine Unterbrechung duldet.

Darum blieb ich auf meinem Stuhl im Flur, als es kurz darauf Sturm klingelte. Ich räusperte mich lediglich unwillig und betrachtete mit einer gewissen Genugtuung, wie die Schaumblasen auf kleinen Strudeln Richtung Treppenhaus trieben. Kurz darauf ging das Telefon mehrmals. Es war der sinnlose Versuch, mich in die Zange zu nehmen. Aber ich sah ja nun, dass der Waschmaschine langsam der Schaum ausging. Sie schien sich abzufinden und mit klarem Wasser zu spülen.

Fast schlug ich mich jetzt auf ihre Seite und freute mich schon auf den Schleudergang, weil ich wusste, dass ich die Unwucht der Schleuder nicht hatte beheben lassen. Nein, nein, dass meine Waschmaschine sich nicht darum kümmerte, gesund zu werden und stattdessen immer ohrenbetäubender in der Küche vibrierte. Das würde diesen empfindlichen Einfaltspinsel unter mir gleich noch einmal zwingen, einen gewissen Terror auszuhalten.

Ich hörte draußen ein Martinshorn und wusste gleich, dass die Feuerwehr anrückte. Einen Augenblick lang fühlte ich mich wirklich in der Falle, stützte sorgenvoll das Kinn in die Hand. Doch da begann das Schleudern.

Es schepperte so laut, dass ich andere Geräusche nicht mehr zuordnen konnte. Etwa ein
Klopfen, das ich für ein Anschlagen der Trommel ans Gehäuse hielt und ein Knirschen und Poltern, das gut zu dem passte, was vor mir geschah. Darum sah ich nicht nach der Tür, nur nach der Waschmaschine, die stampfend herum sprang, sah, wie der aufgeweichte Fußboden unter ihrem herrlichen Stampfen langsam nachgab und die Maschine plötzlich verschwand. Der Stecker riss aus der Dose, es funkte, der Schlauch, der ihr das Wasser zugeführt hatte, riss auch, ein Wasserstrahl schoss auf mich zu.

In solchen Momenten geben die meisten Menschen sich geschlagen. Nicht ich. Ich stand auf, klatschnass, sah nun die Feuerwehrmänner, die durch die aufgebrochene Tür herein stürzten und sagte ungehalten: „Schön, dass Sie doch endlich kommen. Nur leider zu spät! Der Unmensch hat die Decke mit seine Handwerksarbeiten zum Einsturz gebracht. Meine Waschmaschine liegt unten und alles ist hier nass!“ Ich ging zum Wasserhahn und drehte ihn zu.

Als wir ins untere Stockwerk kamen, war dort in der Küche ein Chaos. Lehmbrocken, Backsteine und Seifenlauge waren das erste, unübersehbare Zeichen dafür. Dann fanden wie die geborstene Waschmaschine und darunter, erschlagen, zwei Menschen.

Es ist unklar, warum mein Vermieter noch einmal mit in diese Küche gekommen war und warum die beiden gerade unter der Maschine standen, als die Decke einbrach. Jedenfalls hat man eine Bohrmaschine gefunden, die der Vermieter nicht aus der Hand gelegt hatte, als ihn der Mann von unter mir alarmierte. So war meine riskante Aussage über angebliche Handwerksarbeiten an der Decke völlig glaubhaft.

Die Haftpflichtversicherung dieses mir fast unbekannten Herrn, der nun nicht mehr unter mir wohnt, hat den Schadensfall sofort übernommen. Vom bezahlten Hotel aus beobachte ich die Instandsetzung meiner Wohnung. Und die Wohnung unter mir wird nun als Maisonette dazu gehören. Auch eine neue Waschmaschine bekomme ich natürlich.
Die alte aber bleibt zur Mahnung in der Küche! Wer seine Prinzipien hat, soll sie auch zeigen.
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.06.2012, 16:54   #4
Thing
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Halli Hallo, gummibaum -


das ist allerfeinste Kusenberg-Manier!

Natürlich in dem Dir eigenen Stil.
Ich hab Tränen gelacht, vor allem bei der ersten Fassung.
Die zweite ist mir durch die vielen Absetzungen zu zerfleddert, zu häppchenhaft.

Lieben Gruß
von
Thing
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Alt 06.06.2012, 06:14   #5
gummibaum
 
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Hallo, Thing,

danke. Hab etwas gefleddert, um absatzweise zu jäten. Lässt sich auch wieder zusammenschieben.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2012, 08:32   #6
Thing
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Ja bitte!
Nicht jäten - der Text ist bis ins Feinste ausgefeilt.
Ich hab nur irgendwo ein n vermißt und das ist so was von marginal!!!
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2012, 22:26   #7
gummibaum
 
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Ich glaube, du hast Recht. Ich habe beide Versionen, nachdem du mich irritiert hattest, auch andere lesen lassen und alle fanden die erste Version wie du besser, die zweite blasser. Danke nochmals, Thing.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
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