Die Beziehungsleiche

[Issevi]

Sie schießen Wortprojektile
aufeinander
bis die Beziehung blutend auf
dem Boden liegt.

An den schweren Verletzungen
erlegen liegt
sie als sterblicher Überrest
auf den Fliesen.

Ihr Kadaver verwest binnen
vieler Jahre
bis zu der ultimativen
Unkenntlichkeit.

Kein Müllsack kann das bedecken
was in Jahren
immer mehr gewonnen hat
an Volumen.

So wird aus dem Wohnzimmer ein
Leichenschauhaus
der zu Tode geschändeten
Verbundenheit.

[C.Alvarez]

Hallo Issevi,

ich freue mich zu sehen, dass du auch anders kannst.
Nach der von mir zu Recht massiv aber sachlich kritisierten Betroffenheitslyrik nun ein ansprechender Text, der nachvollziehbar und anschaulich ist.
Gefällt mir sehr gut in seiner Direktheit und Härte.
Kompliment!

Corazon

[Thing]

zuvörderst möchte ich anmerken, daß Dir viele Stilarten und Ausdrucksmöglichkeiten zu Gebote stehen, wie an Deinen Gedichten leicht zu erkennen ist.

Im Gegensatz zu einem Dichter (nicht genannt werden soll sein Name), der außer über sein leierndes xXxXxXxX über keinerlei lyrische Mittel verfügt, schreibst Du sehr variabel.

Hier in freien Versen, was ich persönlich nicht so sehr mag.
Aber das Thema hast Du gut angepackt.
Lediglich der Müllsack stört mich wirklich.
Mir hätte der bekannte Teppich oder ein Laken(auch im Sinn von Leichentuch) besser gefallen.

Da ich mich wegen keiner massiven und völlig unsachlichen an Deinen Gedichten geübten Kritik bei Dir einschleimen muß, schreib ich lediglich:
Habs mit Interesse gelesen.

Lieben Gruß
von
Thing

[Ex-Lichtsohn]

Lieber Issevi,

Zeit mich über Dein Textblättlei hier zu beugen und ein bisserl für mich selbst zu schauen, was ich darin entdecken kann:

inhaltlich: es geht um das vielseitige "Ermorden" des - manchmal so arg überstrapazieren - Wörtleins Beziehung; schon im ersten Vers wird es von Wortprojektilen regelrecht zerfetzt und liegt am Boden, im zweiten Vers liegts diesmal auf den Fliesen (das hat mein Betrachterbild ein wenig irritiert) nachdem nun die Beschreibung viel viel exakter wird und man die Überreste erkennt, die schweren Verletzungen werden als Ursache benannt, das Verwesen wird nun in Kontext mit einem Zeitrahmen gesetzt (was uU Rückschlüsse auf die "Beziehungsdauer" offenlegen könnte), die Unkenntlichkeit wird als Stilmittel benutzt um den Verstümmelungsgrad der Beziehung noch einmal zu unterstreichen; Vers vier gibt den Blick auf die "Entsorgung" frei und erklärt das angewachsene Volumen des "Entsorgungsbehältnisses"); Vers fünf kehrt blitzartig zurück ins Wohnzimmer, das nun mit einem Leichenschauhaus der "zu Tode geschändeten" Verbundenheit gleichgesetzt wird, und genau da habe ich mein Problem mit Deinem Textblättlein: zuerst wurde die Beziehung erschossen, jetzt ist aber die Rede von "geschändet" das ist für mich ein Widerspruch, den ich nicht einfach überlesen kann.
Meine Art das ganze hier fast kriminalistisch aufzugliedern (was man natürlich nicht generell mit lyrischen Texten machen sollte), erschien mir als die einzig mögliche Art Dir mein kleines Problem mit Deinem Textblättlein aufzuzeigen, mein kleines inhaltliches Problem

technisch bietet dein Textblättlein durchaus Abwechslung und lässt keine Langeweile in meinem Lesefluss aufkommen.

Entschuldige bitte den "genauen Blick", das ist meine Art hinter die Fasade zu schauen und Texte für mich in verzehrbare Häppchen zu zerlegen, ist aber nicht bös´ gemeint, sondern dadurch versuche ich für mich selbst immer ein kleines Bisserl dazuzulernen.

Alles Liebe
Lichtsohn

[Issevi]

Zuerst möchte ich mich für das geäußerte Lob bedanken. Zu deinem Problem mit dem Müllsack Thing: Ein Leichentuch zum Beispiel wäre mir jetzt zu edel, zu wertvoll gewesen. Die empfundene Wertlosigkeit der Beziehung sehe ich persönlich mit dem Müllsack besser getroffen weil es eben nicht würdevoll ist sondern zeigt das mit der Beziehung wie Abfall umgegangen wird und das sie auch so entsorgt wird. Zu deinem absolut richtig aufgedeckten Widerspruch Lichtsohn: Das war tatsächlich Absicht. In der Ursprungsversion war auch zusätzlich noch eine Strophe in der von "erdrosselt" die Rede war was ich dann aber weg gelassen habe. Dieser Widerspruch soll einfach zeigen, dass man nicht wirklich weiß was die Beziehung getötet hat. Letztendlich um es ins metaphorische zu übertragen was man halt nicht welche Aktion im Endeffekt die tödliche war und deswegen wird einfach alles behauptet auch um einen möglichst übertriebenen Effekt zu erzielen, der den emotionalen Affekt dieser Situation und die dadurch verzerrte Wahrnehmung der Beteiligten widerspiegeln kann.

[Thing]

Zitat von Lichtsohn

Lieber Issevi,
zuerst wurde die Beziehung erschossen, jetzt ist aber die Rede von "geschändet" das ist für mich ein Widerspruch, den ich nicht einfach überlesen kann.


Lichtsohn

es gibt (leider) auch Leichenschändungen.