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Alt 28.03.2011, 18:28   #1
männlich Kondor
 
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Standard Der Ritter und die Raben

Gerüchte gingen um. Ein grausamer Schrecken der die mächtige Hafenstadt Westfoll heimsuchte. Bereits Dutzende seien ihm zum Opfer gefallen. Wie ein fehlgeleiteter Jäger seine Beute, sieht er die nächtlichen Bewohner der Stadt. Auf vielerlei Arten einem hier der Tod ereilen kann, doch nichts bisher Gewesenes kommt dem Gräuel gleich, welches die Gossen peinigt. Leichen, mehr fauliger Kadaver als Mensch. Verkrümmte Glieder. Schrecken- und schmerzverzehrte Grimassen. Allen Lebens beraubt. Innerhalb von Sekunden zu Tode ergraut. Ihre Überreste von Raben zerfressen und ihre Knochen benagt. Die belebten Straßen der Stadt verwandelten sich des Nachts in ein gefährliches Pflaster. Salvina wusste, dass sie längst Heim müsste. Zu lange schon verweilte sie zum Pilze sammeln in den Wäldern. So erkannte sie nicht, dass die Sonne bereits Mond und Sternen wich. Durch die plötzlich einsetzende Abenddämmerung aufgeschreckt, begab sich das Mädchen rasch auf den Weg nach Haus. Als die Tore der Stadt durschritten waren, herrschte bereits tiefste Finsternis. Sie sollte nicht hier sein. Nicht zu dieser Zeit. In der Nacht war dies nicht mehr ihre Heimat. Es war ein fremder grausamer Ort. Angst stieg in dem Kinde auf und sie umschloss ihren Korb so fest, dass ihre Fingerknöchel bereits weiß hervortraten. Mit jenen Geschichten über die rätselhaften Tode im Sinn, beschleunigte Salvina erneut ihre Schritte. Ohne umzusehen, eilte sie durch die engen Gassen. Vorbei an Bettlern, Trunkenbolden und anderen zwielichtigen Gesindel, die ihr nachstierten, schrien oder pfiffen. Auf einmal jedoch das Mädchen inne hielt. Sie spürte wie sich ein Schatten auf sie legte. Keine sichtliche Präsenz, eher eine dumpfe Ahnung, als würde sie sich verfolgt glauben. Sie blickte umher und mutmaßte eine Gestalt zu erkennen, versteckt hinter einer im Düstern liegenden Pforte, sie aus bösen Augen anstarrend. Panik stieg in ihr auf und sie entfloh unüberlegt in die nächste Straße hinein, die sich als Rettung anbot vor ihrem möglichen Jäger. Sie hastete und rannte. Scheinbar endlos durch tiefe Pfützen und lichtlose Wege. Als ihr verängstigtes Gemüt sich weitestgehend beruhigte, eröffnete sich Salvina erneut ein unheilvolles Hindernis. Ihre wilde Flucht trieb sie in Viertel der Stadt, welche ihr unbekannt waren. Sie wusste nicht, wie sie zurückfinden sollte in ihre Heimstatt zu ihren Eltern und Geschwistern.

Verwirrt und entmutigt wanderte das junge Mädchen nun durch die Gosse. Immer tiefer schritt sie hinab in diese Anderswelt, bis sie ein altes Weib kauernd am Straßenrand entdeckte. Ihren ganzen Mut zusammen nehmend, bat Salvina die Greisin um Hilfe, damit sie auf den rechten Pfad zurück finden würde. Das Weib starrte sie nur an, bis es begann hämisch zu lachen. Verloren sie sei. Verloren. Die alte Hexe sprang auf, entriss dem Kind den Korb mit den gesammelten Pilzen und lief laut lachend davon. Nun war Salvina allein, den Tränen nahe, weil sie sich nicht zu helfen wusste. Da traten aus der Dunkelheit drei Männer gehüllt in zerlumpte Kleidung auf sie zu. Sie wüssten ihr zu helfen, versprach einer der ihren und zog hinterhältig grinsend ein langes rostiges Messer hervor. Bedächtig versuchte Salvina sich von den Fremden zu entfernen, ohne sie jedoch aus den Augen zu lassen. Doch Plötzlich stand sie mit dem Rücken zur Wand. Eben diesen Moment nutzten die Männer, um über das Mädchen herzufallen, packten sie an Armen und Beinen und zerrten sie in eine enge Gasse. Salvina wehrte sich mit aller Kraft. Trat und schlug um sich. Rief um Hilfe. Jammerte vor lauter Verzweiflung. All dies war aussichtslos. Während sie ihren aussichtslosen Kampf schlug, hörte das Mädchen aus naher Entfernung erneut die Hexe rufen. Sie zollte den Schindern Beifall. Ihr höhnisches Gelächter hallte durch die verlassene Straße. Salvina wusste, was sie nun erwarten sollte, als der Anführer der Männer mit seinen Messer begann ihre Kleidung zu zerschneiden. Nun kamen keine Tränen mehr und auch kein Schluchzen. Unter dem Applaus des Weibes erhoffte sie sich eines schnellen Todes.

Das schändliche Gelächter erstarb, in dem Moment als die Angreifer in ihrem schändlichem Tun fortfahren wollten und sie hielten inne. Ein grässlicher Schrei, gefolgt von einem Laut wie ein Ast, der durch die Luft geschwungen wird. Ein dumpfes Pochen als etwas Schweres zu Boden schlug. Salvina, blickte zum Ende der Straße und sah, wie die Augen des alten Hexenweibes sie angafften. Sie erkannte nicht gleich, dass das Weib tot war. Nur ihr abgehackter Kopf blickte ihr noch entgegen. Einem ihrer Peiniger entfiel ein Fluch, als er dutzende Raben an den Dächern der Häuser erblickte, die hungrig auf sie hinab sahen und mit den Flügeln schlugen. Kein Ruf erschallte von ihnen. Apathisch und stumm erwarteten sie ihr bevorstehendes Mahl. Immerfort verharrten die Angreifer und Salvina spürte, wie sich erneut ein Grauen auf sie legte. Gebannt fixierten sie das Ende des Weges. Hufgeklapper und das Scheppern einer schweren Rüstung erklang und fraß sich in ihr Gehör. Ein Rittersmann auf seinem fahlen Ross begab sich in die Gasse. Gehüllt in schwarzgraue Roben. Sowohl Reiter als auch sein Gaul, mehr einem Mönche gleich, als einem Schlächter. Gepanzerte Fäuste, dornenbesetzt, griffen die Zügel des leichenhaften Reittiers. Obwohl seine Kapuze zurückgeworfen war, vermochte man die Gesichtszüge des Neuankömmlings nur zu erahnen. Sicher jedoch, dass kein Mensch, hier scheinbar Partei ergriff. Seine Augen nicht mehr als dünne Schlitze. In Verachtung zusammengekniffen. Sie strahlten im Schein der Mondsichel, die hinter ihm am Firmament prangte. In den Augen seines Schlachtrosses jedoch war kein Glanz, noch ein Funken Leben zu entdecken. Mit jedem Wiehern schleuderte es Fliegen und Maden zu Boden. Des Reiters Kiefer waren verborgen hinter einem hohen Kragen, so dass allein die Augen halfen, des Ritters Stimmung zu deuten. Nur Hass und Mordlust schien in ihnen geschrieben zu sein. Der düstere Reiter ein langes schwarzes Schwert in seiner Linken hielt und ein schweres Schild, das einen weißen Raben auf schwarzem Grund zeigte, ward befestigt an seines Rosses Seite. In einem kurzen Augenblick, in welchem er den Blick abgewandt von dem Geschehen vor seinen kalten Augen, spießte er den Kopf des enthaupteten Weibes mit seinem langen Schlachtmesser und schleuderte ihn den Männern entgegen. Trotz des Kragens, der seine Mundpartien verbarg, war man sich des gehässigen Lächelns bewusst, denn die Aura seiner unmittelbaren Überlegenheit, flutete wie eine Sturmwelle über alle Anwesenden hinein. Trotz der sichtlichen Dominanz, die der Ritter an den Tag legte, wollten sich Salvinas Angreifer seiner Macht nicht beugen. Die beiden Männer, die bisher unbewaffnet, zogen nun selbst lange Dolche und marschierten auf den Fremdling zu, der sie in ihrem Plan störte. Er solle verschwinden. Es ginge ihn nichts an, rief ihr Anführer dem Reiter zu. Doch kein Wort über dessen Lippen drang. Kein Anzeichen, dass er würde klein bei geben. Der erste der Männer trat auf ihn zu. In einer flüssigen Bewegung schlug der Ritter im den Schwertarm über den Ellbogen ab. Kein Blut wurde vergossen. Als wäre die Klinge glühend heiß gewesen, verbrannte sie sofort die Wunde. Vor Schreck und Schmerz schrie der Mann, bis ihm die Stimme versagte und er sein Leben auszuhauchen begann. Die Glieder verkrampften sich, als die Muskeln verkümmerten und die Haut Falten warf. Innerhalb von kürzester Zeit, wurden die Augen des Mannes, der noch kurz zuvor in seinen besten Jahren stand trüb und milchig, sein Haar begann zu ergrauen und auszufallen. Vor Pein entleerte er sich. Der Prozess des Alterns sich so rasant vollzog, dass er nur mehr eine zuckende und hustende Puppe war, die sich verkrampft auf dem steinernen Boden wandte.

Verstört ob des grotesken Schauspiels, suchte Salvina kriechend Schutz unter dem Rahmen eines Hauseingangs, die zerschnittenen Reste ihrer Kleider an sich gepresst, ihre weitaufgerissenen Augen ein Bild des Entsetzens. Auch die zwei verbliebenen Schinder ließen fassungslos ihre Waffen fallen und versuchten zu entkommen aus dieser Hölle, die über sie hinein gebrochen. Ein leichtes wär es gewesen die feige Fliehenden zu verfolgen, doch ein anderes Schicksal für sie ward auserkoren. Ein abrupter Blick des Ritters zu den Raben auf den Dächern. Ein lautloser Impuls und die schwarzen Raubvögel stürzten auf die Flüchtenden hinab. Ein Schlachtfest veranstaltend, fraßen die Raben, Salvinas Peiniger bei lebendigem Leib. Die Augen stachen sie ihnen aus. Mit ihren Schnäbeln pickten sie tiefe Wunden in ihr Fleisch. Sehnenstränge unter erbarmungswürdigen Schreien herausgerissen. Muskeln zerfressend. Unter Qualen gingen die Männer zu Boden und starben ein langen gnadenlosen Tod. Während die Vögel noch nachgingen ihrem Mahl, wendete der düstere Ritter bereits sein Leichenpferd und ritt davon. Hinein in die Dunkelheit, aus der er gekommen. Als wäre nichts geschehen, verschwand er in den Gassen der Hafenstadt. Ein bestialischer Schnitter, der kein Erbarmen kennt.

Als die Sonne wieder hoch am Himmel stand. Die arme Salvina gefunden ward, halbnackt und verdreckt, durch Angehörige der Wachemannschaften. Ihre Augen weit aufgerissen. Ihr Mund zu einer Fratze blanken Terrors verzerrt. Ihr Verstand in tausend Teile zersplittert. Nicht fern der Wahrheit die alte Phrase, begann das Mädchen zu schreien, als sei der Leibhaftige selbst in sie gefahren.
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