Boris

[Ilka-Maria]

Boris kochte und aß gerne. Deshalb ließ er sich vom Werkunterricht freistellen und nahm am Fach „Hauswirtschaft“ teil.

Er fügte sich gut in die Schar unserer Gackerhühner ein, kochte mit uns, putzte seinen Herd und war mit seinen Kochkünsten rundherum glücklich.

Damals, in der Abschlussklasse, hatte er eine feste Freundin aus einer Parallelklasse. Wir zogen ihn auf, weil das Mädchen „Stemperbeine“ hatte. Seine Zurechtweisung war milde, aber konsequent: „Bitte nicht so …“.

Ich traf ihn lange nach unserer Schulentlassung in meinem jetzigen Wohnort am Eingang eines Supermarktes. Er grüßte mich: „Hallo, Ilka.“ Erst da erkannte ich ihn. Seine „Flamme“ von damals war an seiner Seite. Ein Typ mit Bodenhaftung, dachte ich.

Er betrieb eine Werkzeugfabrik nur fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt. Hier und da dachte ich, es wäre doch schön, mal vorbeizuschauen. Ich tat es nicht. War zu beschäftigt mit Beruf und Familie. Als ich mich endlich dazu aufraffen wollte, ihn zu kontaktieren, war er aus dem Telefonbuch verschwunden.

Dann meldete sich ein ehemaliger Schulkamerad bei mir, mit dem ich auf der Internetseite „WKW“ in Kontakt getreten war und der versuchte, unsere Schulklasse zusammenzutrommeln. „ Den Boris gibt es noch bei Dir am Wohnort, aber seine Adresse lautet jetzt Friedensstraße xx …

Als ich die Adresse aufsuchte, regnete es aus Eimern. Ich stand vor einem schlichten Grab, eingefasst von ein paar unregelmäßigen Steinen, ein wenig Bewuchs, einem Stangenlaternchen und einer kleinen Platte mit seinem Namen.

1. August 2005. Ungefähr fünfzig Jahre alt.

Es war ein Motorradunfall.

[Ex-MeineEigeneWelt]

Tut mir schrecklich Leid.