Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Düstere Welten und Abgründiges

Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 17.02.2012, 21:22   #1
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Standard Der Eine

Hier fand ich Menschen, vom Schicksal zerpflückt,
im Elend gestrandet, die niedergedrückt
von Mächtigen, plötzlich, das Unrecht zu rächen,
ein Messer ergriffen und… konnten nicht stechen.

Nun saßen sie hier für versuchten Mord
und warteten ängstlich auf Abtransport
zu den Galgen. Doch war ihre Angst nicht so groß,
das Gefängnis war schlimmer. Die Folter famos.

Man hatte mich her zum Foltern entsandt.
Ich war der „Brutzler“, ich steckte in Brand
ihre haarigen Stellen. Ich glühte ganz sacht
ihre Äugelein aus. Das hat Freude gemacht.

Doch einer, aufs Äußerste schon entstellt,
stieg selbst auf den Grill und rief, halb entseelt:
„Ich möchte dir, Brutzler, die Arbeit verderben -
Denn Gott ist mir gnädig und lässt mich jetzt sterben.“
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.02.2012, 23:23   #2
weiblich Virginia
 
Dabei seit: 02/2012
Alter: 38
Beiträge: 64

P(h)an-tastisch: "die Folter war famos" das einzig innovativ erkennbare Element ;-)
Virginia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 00:59   #3
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Halli Hallo, Gummibaum -

ohne an die gemarterten Märtyrer erinnern zu müssen:
Grausig. Aus Deinem Gedicht ruft Kolbe, schießt Göth.
Übertragbar auf hier, dort, gestern, heute, morgen.
Grausig.

Kostet wieder Stunden heut nacht.

Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 09:33   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.089

Grausig, Gummibaum, und doch noch schonungsvoll für den Leser, wenn man über die Realität nachdenkt.

Gerade wegen des ernsten Themas mögen mir zwei Ausdrücke nicht schmecken: "famos" und "Brutzler".

Der Begriff "famos" bedeutet "großartig", "wundervoll", und das paßt zur Folter nicht, jedenfalls nicht aus der Sichtweise der Opfer. Das Problem wäre aber leicht lösbar:

Zitat:
zu den Galgen. Doch war ihre Angst nicht so schwer,
das Gefängnis war schlimmer. Die Folter noch mehr.
"Brutzler" ist Umgangssprache und mir hier zu flapsig. Der Begriff erzeugt das Bild eines Hähnchens, das über dem Grill gedreht wird, steht also zu stark in Zusammenhang mit dem Essen. Natürlich könnte man argumentieren, der Schinder bezeichne sich aus Zynismus gegenüber seinen Opfern selbst so. Trotzdem gefällt mit das Wort nicht, weil es verharmlosend klingt. Es paßt auch nicht zu den ausgeglühten Augen. Weshalb nicht einfach "Fackel"?

Zitat:
Ich war die Fackel, ich steckte in Brand
ihre haarigen Stellen. Ich glühte ganz sacht
ihre Äugelein aus. Das hat Freude gemacht.
Das wäre meiner Meinung nach auch plastischer, weil der Folterer sich hier nicht nur als Täter, sondern gleichzeitig als das Instrument der Folter darstellt.

Aber ansonsten nichts zu meckern.

LG
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 09:52   #5
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Bei all dem Grauen stimme ich Ilka zu.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 12:30   #6
weiblich Virginia
 
Dabei seit: 02/2012
Alter: 38
Beiträge: 64

Bei all den famosen Wortfetzen enthalte ich mich jeglicher Stimme ;-)
Virginia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 12:33   #7
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

@ Virginia:

Gottseidank!
Wittgenstein läßt grüßen.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2012, 14:23   #8
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.089

[QUOTE=Thing;184103Wittgenstein läßt grüßen.[/QUOTE]

Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2012, 01:05   #9
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Danke für alle Kommentare!

Ilka,

das Gedicht hat möglicherweise darunter gelitten, dass ich an der Stelle "famos" und unter dem Eindruck dieses Wortes meine ursprüngliche Perspektive, nämlich die eines anteilnehmenden Beobachters, aufgegeben und gegen die des Folterknechts ausgetauscht habe. Famos passt nur für die zweite Perspektive. Die Frage ist für mich, ob man dem Folterknecht den anteilnehmenden Part unterschieben kann, so dass er, obgleich eine Bestie, solche Gefühle und Einsichten haben kann und sich also auch an den "Einen" erinnert, der sich selbst zu Tode foltert.

Zu Bruzzler: die Bestien trugen oft Spitznamen, deren harmloser Klang Zynismus war.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der Eine



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
die Eine Katerchen Liebe, Romantik und Leidenschaft 2 05.11.2011 14:29
die eine Perry Liebe, Romantik und Leidenschaft 0 16.02.2010 02:03
Was ich dir tu, füg mir nicht zu! (oder warum eine Entschuldigung für eine Erpressung herhält) Ra-Jah Sonstiges Gedichte und Experimentelles 0 22.02.2006 22:41
Die Eine Extinctor Gefühlte Momente und Emotionen 0 20.02.2005 02:34


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.